Informations- und Verkehrssicherungspflicht bei der Treibjagd


Oktober 2016.

Herbstzeit ist auch mal wieder Treibjagdzeit und Anlass von Streitigkeiten zwischen Grundstückseigentümern, Jägern und Pferdehaltern und Reitern um ihre Rechte. Wer haftet für welche Schäden? Welche Vorkehrungen haben die Jagdausübungsberechtigten und die Pferdehalter und Reiter zu treffen?

Hier ein Überblick zu Gesetzen und Rechtsprechung zum Thema Pferd und Jagd:

1. Die Jagd darf nur in Jagdbezirken ausgeübt werden. Dies sind Flächen , die zu land-, forst- oder fischereiwirtschaftlichen Zwecken nutzbar sind und im Eigentum einer Person (Eigenjagdbezirk) oder einer Gemeinde(Gemeindejagdbezirk) stehen.

2. Grundstückseigentümer können seit dem am 6.12.2013 in Kraft getretenen »Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften« bei der zuständigen unteren Jagdbehörde (Teil des Landratsamtes oder der Stadt) einen Antrag auf Befriedung ihres Grundstückes stellen und sich auf eine Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen bzw. aus Gewissensgründen berufen (EuGH Urteil vom 26.06.2012).

3. Schäden, die Jäger an den Grundstücken verursachen, kann der Eigentümer binnen einer Woche gemäß §§ 33, 34 BJagdG gegenüber den Jagdausübungsberechtigten, den Jagdaufsehern oder auch den Jagdgästen geltend machen. Ein totes Pferd auf der Weide ist kein solcher „Jagdschaden“.

4. Gemäß § 13 des Waffengesetzes darf die Waffe nur zu Jagdzwecken gebraucht werden. Der Schütze hat sich angemessen zu verhalten und Gefahren zu vermeiden.
Nach den Jagdunfallverhütungsvorschriften (§ 3 Abs. 4 UVV Jagd) darf ein Schuss nur dann abgegeben werden, wenn der Schütze sich vergewissert hat, dass er dabei niemanden gefährdet. Welche Anforderungen an diese Vergewisserung zu stellen sind, kann immer jeweils nur anhand der konkreten Situation im Einzelfall beurteilt werden.
Eine Kesseltreibjagd, in deren Zentrum sich eine Pferdeweide befindet, muss vom Veranstalter gegenüber dem Pferdehalter angekündigt werden, um diesem die Gelegenheit zu geben, seine Pferde vor Jagdbeginn in Sicherheit zu bringen oder gar nicht erst rauszustellen. Ein Jagdveranstalter haftete einem Pferdebesitzer zu 60 % auf Schadensersatz für sein totes Pferd auf der Weide, welches aufgrund einer Aortaruptur als wahrscheinlicher Folge der Stresssituation der in unmittelbarer Nähe stattfindenden Jagd verstorben war. Zu 40 % bekam der Pferdebesitzer seinen Schaden deswegen nicht erstattet, da das Gericht ihm ein Mitverschulden in dieser Höhe zumaß, weil er ein so wertvolles Pferd auf der Weide unbeaufsichtigt gelassen hatte, obgleich ihm das Betreiben von Jagden im Herbst durchaus geläufig gewesen war (OLG Düsseldorf, 24.01.2004, I – 15 U 66/01). Eine Entfernung von 30 Metern reichte in einem vom Saarländischen Oberlandesgericht entschiedenen Fall nicht aus, bei dem sich ein Pferd aufgrund eines in seiner unmittelbaren Nähe abgegebenen Schusses erschreckte und infolge der Schreckreaktion verletzte. Der Jäger musste sich die Schreckreaktion und den infolgedessen eingetretenen Schaden voll zurechnen lassen (OLG Saarbrücken, 30.03.1990, 4 U 63/89).

5. Eine generelle Informationspflicht für Jagdveranstalter gegenüber Anliegern und Nutztierhaltern gibt es nicht, wenn Schüsse nicht in unmittelbarer Nähe, d.h. in einem Mindestabstand von 100 Metern abgegeben werden (OLG Hamm, 15.01.2013, I-9 U 84/12). Ist für den Jagveranstalter aber vorhersehbar, dass das Jagdgeschehen sich soweit in Richtung einer Pferdeweide verlagern könne, dass eine Gefahr für die dort weidenden Pferde besteht, muss er die Halterin vor Beginn der Jagd rechtzeitig informieren (LG Paderborn, 23.10.2015, 2 S 4/15). In einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall einer gestürzten Reiterin war eine solche unmittelbare Nähe des Schützen auch nicht gegeben. Schussgeräusche einer Jagd sind waldtypisch und stellen grundsätzlich keine Gefahr für Dritte dar – Geländereiter müssen sich und ihr Pferd darauf einstellen. Eine Reiterin, die mit Ihrer Freundin in der Nähe eines Jagdgebietes ausgeritten war, verklagte einen Jagdleiter auf Schmerzensgeld, nachdem sie vom Pferd gestürzt war. Dieses hatte aufgrund eines Schussgeräusches gescheut, die Klägerin war heruntergefallen und hatte sich verletzt. Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos. Die Gerichte waren sich einig, dass den Jagdveranstalter keine generelle Verkehrssicherungspflicht treffe, andere vor Gefahren zu schützen, die von Schussgeräuschen ausgehen (BGH, 15.02.2011, VI ZR 176/10).

6. Der Jagdveranstalter hat die Pflicht zur Vermeidung von Verkehrsunfällen durch erhöhten Wildwechsel. Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, das Wild nicht in Richtung einer Straße zu treiben, sondern möglichst dort wegzuführen und dabei möglichst durch dicke Treiberketten einem Auswechseln des Wildes vorzubeugen, etwa durch Anbringung von so genannten Jagdlappen oder durch Warnschilder und Warnposten, auf denen Verkehrsteilnehmer auf die erhöhte Gefahr hingewiesen werden (LG Lübeck, 21.08.2007, 6 O 141/06).
Bei einer Ansitz-Drückjagd in unmittelbarer Nähe einer vielbefahrenen Straße sind vorbereitend zusätzlich zu dem Zeichen 142 StVO (Wildwechsel) deutlich sichtbare Schilder mit Warnhinweisen „Heute Jagd“ oder „Achtung Jagd“ in einem Mindestbodenabstand von 0,60 cm aufzustellen (LG Rostock, 06.09.2002, 4 O 176/02).

7. Für außergewöhnliche Schäden, die z.B. durch ein aufgescheuchtes Wildschwein verursacht werden, muss der Jagdveranstalter nicht aufkommen. In diesem Fall war ein bei der Drückjagd aufgescheuchtes Wildschwein durch zwei Flüsse geschwommen und war dann 2 km vom Jagdbezirk entfernt durch eine Terrassentür in ein Haus eingedrungen (LG Lüneburg, 29.11.2002, 4 O 201/02). Ein solch unnatürliches Verhalten sei nicht vorhersehbar.

8. Für einen aus dem Auto ausgebrochenen Jagdhund wiederum, der ein wertvolles Turnierpferd verletzt, muss die Jagdhaftpflichtversicherung des Jägers eintreten. Der Bayrische Gebirgsschweißhund hatte das nur leicht geöffnete Fenster offenbar durch Betätigung des automatischen Fensterhebers weiter geöffnet und war aus dem geparkten PKW gesprungen. Sodann rannte er in den Stall eines Turnierstallbesitzers und biss dem dort auf der Stallgasse angebunden Pferd in die Hinterbeine, woraufhin dieses vor Schreck ausrutschte, auf die Hüfte fiel und infolge des Hüftbruchs eingeschläfert werden musste. Für solche durch den Jagdhund verursachten Schäden haftet der Jäger aus allgemeiner Tierhalterhaftung, für die wiederum im Falle des Jagdhundes die Jagdhaftpflichtversicherung eintritt (OLG Karlsruhe, 7.12.2006, 12 U 133/06).