Verschnitten und Vernagelt


Februar 2017.

Alle sechs bis acht Wochen ist eine Behandlung durch den Hufschmied notwendig. Gleich ob schriftlich, mündlich oder auch stillschweigend kommt dabei zwischen Pferdebesitzer und Schmied ein Werkvertrag zustande. Der geschuldete Erfolg sind die fachgerecht beschlagenen Hufe. Die am häufigsten gerügten Mängel sind zu kurzes Ausschneiden der Hufe und Vernageln, beides führt in den meisten Fällen unmittelbar zu einer Lahmheit des Pferdes. Die Rechte des Bestellers sind auch hier: Nachbesserung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz. Doch wie sieht die Durchsetzung dieser Rechte in der Praxis aus?

Natürlich muss zunächst der Hufschmied zur Nachbesserung aufgefordert werden, doch was nützt dies, wenn die Hufe bereits zu kurz geschnitten sind?! Geht das Pferd lahm, muss oder sollte ohnehin unmittelbar ein Tierarzt hinzugezogen werden. Steht fest, dass die Lahmheit auf den Fehlbeschlag zurück zu führen ist und lässt sich dies aufgrund des sachverständigen Zeugnisses des Tierarztes auch beweisen, dann haftet der Hufschmied dem Pferdebesitzer auf Ersatz der Tierarztkosten und ggf. auch für einen Wertverlust des Pferdes. Jeder Hufschmied hat für solche Fälle regelmäßig eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Doch auch diese zahlt nur dann, wenn ihrem Versicherungsnehmer ein Fehler zweifelsfrei nachgewiesen werden kann und der geltend gemachte Schaden auch kausal auf diesen Fehler zurück zuführen ist. Diesen Zusammenhang nachzuweisen ist oftmals in der Praxis das Problem.

Das Oberlandesgericht Köln hatte im September 2016 einen Fall zu entscheiden, in dem ein Hufschmied eine sechsstellige Summe zahlen sollte, da ein Pferd aufgrund zu starken Einkürzens und Vernagelung springuntauglich und damit wertlos geworden sein sollte. Dem klagenden Pferdeeigentümer gelang zwar der Nachweis, dass der Hufschmied das Pferd offenbar vorne recht zu kurz ausgeschnitten und vernagelt hatte. Auch hatte diese Pflichtverletzung offenbar zu einer akuten Lahmheit geführt. Der Anscheinsbeweis sprach auch für einen Zusammenhang zwischen der akuten Lahmheit und der fehlerhaften Hufschmiedbehandlung. Was allerdings die vom Kläger behauptete chronische Lahmheit und damit die dauerhafte Sportuntauglichkeit des Pferdes betraf, so gelang der Beweis des kausalen Zusammenhangs mit dem Beschlagen nicht mehr. Denn der vom Gericht beauftragte tiermedizinische Sachverständige hielt einen Ursachenzusammenhang zwischen der bei dem Pferd aufgetretenen Hufgelenksentzündung und dem zu starken Einkürzen bzw. Vernageln für unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich nach einer akuten Lahmheit nach einer Hufschmiedbehandlung regelmäßig und typischerweise eine chronische Lahmheit entwickele. Hierfür seien zum Zeitpunkt der Hufschmiedbehandlung bereits vorhandene degenerative Veränderungen bei dem Pferd eher als Ursache wahrscheinlich gewesen. Hiergegen wandte sich der Kläger wiederum mit der Argumentation, degenerative Erscheinungen seien bei einem 12-jährigen Sportpferd nichts Ungewöhnliches und würden in der Regel auch nicht zu einer Sportuntauglichkeit führen. Doch auch dieses Argument vermochte die Gerichte über zwei Instanzen nicht zu überzeugen. Der Sachverständige, dem sämtliche röntgenologischen Befunde des Pferdes vorlagen – das Pferd selbst lebte zum Zeitpunkt des Prozesses bereits nicht mehr – konnte retrospektiv nicht mehr sicher beurteilen, ob nun die degenerativen Veränderungen am Strahlbein des Pferdes sicher zu einer Lahmheit geführt hätten. Die Parteien stritten somit in der zweiten Instanz darum, zu wessen Lasten die nachträgliche Unaufklärbarkeit der genauen Lahmheitsursache nun gehen sollte. Das Urteil fiel zu Lasten des Klägers aus. Denn das Gericht sah zwar ganz klar den typischen Zusammenhang zwischen der akut aufgetretenen Lahmheit des Pferdes und dem Verschneiden und Vernageln. Der Sachverständige hielt jedoch den typischen Zusammenhang zwischen einem einmaligen Verschneiden des Hufschmiedes und einer chronischen Lahmheitserkrankung für äußerst unwahrscheinlich. Das Gericht ließ somit den sogenannten Beweis des ersten Anscheins für die akute Lahmheit zugunsten des Klägers sprechen. Dieser hatte vorgerichtlich diesbezüglich auch eine Entschädigung der gegnerischen Haftpflichtversicherung erhalten. Hinsichtlich des großen Schadensersatzes jedoch – bestehend in der dauerhaften Sportuntauglichkeit und schließlich dem Verlust des Pferdes – blieb der Kläger den konkreten Beweis, dass dieser Schaden auf die fehlerhafte Hufschmiedbehandlung zurück zu führen war schuldig. Eine Beweislastumkehr sah das Gericht auch nicht aufgrund eines groben Fehlverhaltens des Hufschmieds als gegeben an. Zwar seien die Grundsätze der Beweislastumkehr bei groben Verstößen gegen die Regeln der Kunst durchaus auch auf Hufschmiede anwendbar – einen solchen groben Fehler des Hufschmiedes, der zu einer Beweislastumkehr geführt hätte, hatte der Kläger jedoch ebenfalls nicht nachgewiesen (OLG Köln, 02.09.2016, 19 U 129/15).