Dienstreise des Arbeitnehmers: Wann ist eine Reise eine Dienstreise?

Eine Dienstreise (im steuerrechtlichen Sprachgebrauch; „beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit“) liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und nicht an der sog. ersten Tätigkeitsstätte auf Weisung des Arbeitgebers beruflich tätig wird.

Es kann höchstens eine „erste Tätigkeitsstätte“ je Dienstverhältnis geben. Hierbei handelt sich um eine ortsfeste betriebliche Tätigkeitsstätte des Arbeitsgebers, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Tätigkeitsgebiete ohne ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind keine „ersten Tätigkeitsstätten“.

Die Zuordnung richtet sich nach der dienst- und arbeitsrechtlichen Festlegung bzw. nach Absprachen und Weisungen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber muss die Zuordnung in jedem Fall dokumentieren (z. B. im Arbeitsvertrag, Einsatzplänen, internen Reiserichtlinien, Protokollnotizen), da die Zuordnungsentscheidung eindeutig sein muss.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der Stationierungs- oder Heimatflughafen, der einem Piloten von seinem Arbeitgeber im Arbeitsvertrag oder durch eine die arbeitsvertragliche Regelung ausfüllende Weisung unbefristet zugewiesen wird und an dem er seine Einsätze regelmäßig beginnt und beendet sowie zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringt, die er als Flugzeugführer arbeitsvertraglich schuldet, seine erste Tätigkeitsstätte ist, und folgt insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung, dass es dann nicht auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit an Bord des Flugzeugs ankommt.

Wenn der Arbeitnehmer bei qualitativem Schwerpunkt der originären Tätigkeit nicht will, dass er eine erste Tätigkeitsstätte hat, darf der Arbeitgeber keine Zuordnung vornehmen.

Hinweis: Fehlt ein Hinweis oder eine Glaubhaftmachung einer eindeutigen Zuordnung, gelten quantitative Kriterien (s. u.). Der Arbeitgeber kann dienst- oder arbeitsrechtlich aber nicht festlegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung). Er kann allerdings (ggf. auch ausdrücklich) darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte dienst- oder arbeitsrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen. In einem Streitfall vor dem Finanzgericht Nürnberg hat der Arbeitnehmer eine Bestätigung seines Arbeitgebers vorgelegt, aus der hervorging, dass er keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet und sein Einsatzort als Vorarbeiter an verschiedene Baustellen war. Verzichtet der Arbeitgeber bewusst auf eine Zuordnung, kann auch in der Vorgabe, die ortsfeste betriebliche Einrichtung einmal pro Woche zur Ausführung von Hilfs- und Nebentätigkeiten aufzusuchen, keine Zuordnung gesehen werden. Durch den Nachweis und in Ermangelung eines qualitativen Schwerpunkts in der ortfesten betrieblichen Einrichtung hatte der betroffene Steuerpflichtige keine erste Tätigkeitsstätte.

Erste Tätigkeitsstätte kann auch eine Arbeitsstätte eines Dritten sein, die dem Arbeitnehmer dauerhaft zugewiesen wird, sodass z. B. hierunter in Fällen der Leiharbeit die Arbeitsstätte des Dritten zählt. Laut dem Niedersächsischen Finanzgericht ist, wenn ein Leiharbeitnehmer „bis auf Weiteres“ in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Entleihers tätig werden soll, eine solche Zuordnungsentscheidung nicht unbefristet und somit nicht dauerhaft. Dies hat der Bundesfinanzhof bestätigt.

Das häusliche Arbeitszimmer ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers und kann daher keine erste Tätigkeitsstätte sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen Arbeitsraum in dessen Wohnung anmietet.

Der Arbeitnehmer muss der Tätigkeitsstätte mit einer gewissen Dauerhaftigkeit zugeordnet sein. Dauerhaft in diesem Sinne ist eine Zuordnung insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (dies ist also eine auf die Zukunft gerichtete prognostische Betrachtung).

Die etwaige Änderung einer Zuordnung durch den Arbeitgeber wird mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigt.

Beispiel:

Arbeitnehmer A (wohnt in H) und ist laut Arbeitsvertrag bis auf weiteres an drei Tagen in der Woche in einer Filiale seines Arbeitgebers in H und an zwei Tagen in der Woche in einer Filiale des Arbeitgebers in S tätig. Der Arbeitgeber hatte zunächst die Filiale in S als erste Tätigkeitsstätte festgelegt. Ab 1.7.2024 legt er H als erste Tätigkeitsstätte fest.

Bis 30.6.2024 hat A in S seine erste Tätigkeitsstätte. Ab 1.7.2024 ist die erste Tätigkeitsstätte in H.

Fehlt es an einer dienst- oder arbeitsvertraglichen Festlegung oder ist diese nicht eindeutig, werden hilfsweise quantitative Kriterien für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte herangezogen. Diese quantitativen Kriterien besagen, dass eine erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung ist, an der der Arbeitnehmer

  • typischerweise arbeitstäglich oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
  • dauerhaft tätig werden soll.

Dabei muss der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben.

Auch obige quantitative Kriterien werden anhand einer in die Zukunft gerichteten Prognose beurteilt.

Hinweis: Arbeitnehmer ohne qualitativen Tätigkeitsschwerpunkt in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung (z. B. Piloten, Lokführer, Busfahrer) haben nach den obigen quantitativen Zuordnungskriterien keine erste Tätigkeitsstätte. Der Arbeitgeber sollte ausdrücklich regeln, dass der Arbeitsort im Arbeitsvertrag keine Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte ist.

Ein firmeneigenes Schienennetz, das ein Lokomotiv-Rangierführer mit der firmeneigenen Eisenbahn („Werksbahn“) seines Arbeitgebers befährt, ist aber eine erste Tätigkeitsstätte.

Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer lediglich regelmäßig nur zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die erste Arbeitsstätte. Dies gilt z. B. für Monteure, die dort lediglich das Kundendienstfahrzeug, Material, Aufträge abholen bzw. Stundenzettel etc. abgeben.

Weitere Beispiele für Auswärtstätigkeiten:

Eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit liegt vor, wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter zu Kunden, auf eine Messe oder zu einer Fortbildungsveranstaltung schickt.

Eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit ist auch der Vorstellungsbesuch eines Stellenbewerbers.

Für Lehrer auf Klassenfahrten können Reisekosten anfallen, wenn der Dienstherr diese nicht ersetzt. Bei Fortbildungs- oder Sprachreisen eines Lehrers wird die berufliche Veranlassung vom Finanzamt allerdings genau geprüft (vgl. V. „Vermischung von beruflichem und privatem Anlass“).

Der Lkw-Fahrer soll typischerweise arbeitstäglich den Betriebssitz des Arbeitgebers aufsuchen, um dort das Fahrzeug abzuholen sowie dessen Wartung und Pflege durchzuführen.

Ein Polizeibeamter der Autobahnpolizei hat in dem Revierkommissariat, das er arbeitstäglich höchstens eine Stunde aufsucht, um dort insbesondere seinen Dienstwagen für den Streifeneinsatzdienst zu übernehmen, keine erste Tätigkeitsstätte.

Bei einem Feuerwehrmann, der arbeitsvertraglich täglich einer von vier möglichen Einsatzstellen zugeordnet werden kann, liegt laut Finanzgericht Rheinland-Pfalz keine erste Tätigkeitsstätte vor, auch wenn er tatsächlich stets nur an einem der vier möglichen Einsatzorte tätig war. Die Entscheidung soll vom Bundefinanzhof überprüft werden (Nichtzulassungsbeschwerde durch das Finanzamt).

Der Betriebshof ist keine erste Tätigkeitsstätte eines Müllwerkers, wenn er dort lediglich die Ansage der Tourenleitung abhört, das Tourenbuch, Fahrzeugpapiere und
-schlüssel abholt sowie die Fahrzeugbeleuchtung kontrolliert.

Tipp: Sprechen Sie uns an, wenn Sie unsicher sind, welche Auswirkungen die Regelungen für Sie haben. So ist z. B. die neue Rechtsprechung bei Polizeibeamten relevant.

Ein Polizeibeamter im Einsatz- und Streifendienst verfügt an seinem ihm zugeordneten Dienstsitz, den er arbeitstäglich aufsucht, um dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen, die er dienstrechtlich schuldet und die zu dem Berufsbild eines Polizeivollzugsbeamten gehören, über eine erste Tätigkeitsstätte.

Eine überwiegend im Außendienst tätige Mitarbeiterin des allgemeinen Ordnungsdienstes hat im Ordnungsamt, dem sie zugeordnet ist, ihre erste Tätigkeitsstätte, wenn sie dort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten erbringen muss, die sie dienstrechtlich schuldet und die zu dem Berufsbild einer Mitarbeiterin des allgemeinen Ordnungsdienstes gehören.

Erste Tätigkeitsstätte ist auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zwecke eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.