Insolvenzen Alttag

BFH, Urteil vom 28.7.2011, V R 28/09

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Sog. „kalte Zwangsvollstreckung“ und „kalte Zwangsverwaltung“ durch Insolvenzverwalter

Leitsätze

1. Veräußert ein Insolvenzverwalter ein mit einem Grundpfandrecht belastetes Grundstück freihändig aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung, liegt neben der Lieferung des Grundstücks durch die Masse an den Erwerber auch eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen „Massekostenbeitrag“ zugunsten der Masse einbehalten darf. Vergleichbares gilt für die freihändige Verwaltung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke durch den Insolvenzverwalter.

2. Eine steuerbare Leistung liegt auch bei der freihändigen Verwertung von Sicherungsgut durch den Insolvenzverwalter vor (Änderung der Rechtsprechung).

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (KG). Zum Vermögen der KG zählten mit Grundpfandrechten belastete Grundstücke. In Absprache mit den grundpfandberechtigten Gläubigerbanken und mit Zustimmung der Gläubigerversammlung verwertete der Kläger in den Streitjahren 2001 und 2002 Massegrundstücke durch freihändigen Verkauf. Nach Abzug eines mit der jeweiligen Gläubigerbank vereinbarten Massekostenbeitrages in Höhe von 4 bis 5 % des Veräußerungserlöses zahlte der Kläger den Verkaufserlös an die grundpfandberechtigte Bank aus. Der Kläger vereinnahmte die Massekostenbeiträge für die Insolvenzmasse, ohne diese bei der Umsatzsteuererklärung für die Masse als Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung zu erfassen. In Einzelfällen schaltete der Kläger bei Grundstücksverkäufen Immobilienmakler ein. Der Kläger behielt dann zusätzlich zum Massekostenbeitrag auch die Ausgaben für die Maklerprovision ein. Weiter erhielt der Kläger für die Masse im Rahmen „kalter Zwangsverwaltung“ aufgrund gleichfalls mit Gläubigerbanken getroffener Vereinbarungen als Massekostenbeitrag einen Anteil von 9 bis 15 % aus den von ihm eingezogenen Kaltmieten. Auch insoweit ging er von einem nicht steuerbaren Vorgang aus.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) war demgegenüber im Anschluss an eine Außenprüfung der Auffassung, dass die Massekostenbeiträge als Entgelt für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen der Umsatzsteuer unterlägen. Die grundpfandberechtigten Gläubigerbanken hätten die KG, diese vertreten durch den Kläger als Insolvenzverwalter, im Rahmen entgeltlicher Geschäftsbesorgungsverträge gemäß § 675 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beauftragt, das jeweilige Grundstück im Namen der KG, aber für ihre Rechnung freihändig zu veräußern. Damit habe die KG, jeweils vertreten durch den Kläger als Insolvenzverwalter, zum einen das jeweilige Grundstück geliefert und zum anderen eine entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung erbracht, wobei der für die Masse einbehaltene Betrag Entgelt sei. Die Masse sei am Verwertungserlös beteiligt worden. Der Vorsteuerabzug aus der Inanspruchnahme von Maklerleistungen im Zusammenhang mit den freihändigen Grundstücksverkäufen wurde anteilig den steuerpflichtigen Geschäftsbesorgungsleistungen zugerechnet. Als Entgelt für steuerpflichtige Geschäftsbesorgungsleistungen beurteilte das FA die Inkassogebühren, die der Kläger zugunsten der Masse für die Einziehung der vom Grundpfandbeschlag umfassten Mietforderungen im Wege der sog. „kalten Zwangsverwaltung“ in Absprache mit den Gläubigerbanken einbehalten hatte. Zugunsten des Klägers wurde ein sich aus der Steuerpflicht ergebender Vorsteuerabzug berücksichtigt. Das FA änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2001 und 2002 entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Auffassung des FA, dass die Massekostenbeiträge Geschäftsbesorgungsentgelt für die Durchführung freihändiger Grundstücksverkäufe seien. Die vom Kläger im Rahmen der freihändigen Grundstücksverwertung erzielten Massekostenbeiträge beruhten ausschließlich auf gesonderten Vereinbarungen mit den Gläubigerbanken, nicht aber auf der Insolvenzordnung (InsO), denn der Masse hätte –anders als in den Fällen der Verwertung gemäß §§ 166 i.V.m. 170, 171 InsO– ohne die Vereinbarung eines Massekostenbeitrages für die freihändige Grundstücksveräußerung keine Erlösbeteiligung zugestanden. Unerheblich sei, ob die Annahme eines Leistungsaustausches im Fall eines die besicherte Forderung übersteigenden Erlöses zu Problemen führe, da dies auf den Streitfall nicht zutreffe und es dem Insolvenzverwalter dann freistehe, bei Vereinbarung einer freihändigen Veräußerung mit den Gläubigern auf einen Massekostenbeitrag zu verzichten.

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Auch der vom Kläger für die Masse im Rahmen „kalter Zwangsverwaltung“ erhaltene Anteil aus den eingezogenen Kaltmieten sei Massekostenbeitrag und Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung. Auch diese „Inkassogebühren“ hätten der Masse nicht schon kraft Gesetzes zugestanden, da es sich bei den vom Kläger eingezogenen Kaltmieten nicht um abgetretene Forderungen i.S. des § 166 Abs. 2 InsO gehandelt habe. Der Kläger habe aufgrund gesonderter Vereinbarungen mit den Gläubigerbanken und in deren Interesse und Auftrag die grundpfandrechtsbelasteten Grundstücke verwaltet und die Mietforderungen eingezogen, wozu er aufgrund seiner Stellung als Insolvenzverwalter nach § 159 InsO nicht verpflichtet gewesen sei. Grundpfandgläubiger und Insolvenzverwalter verzichteten im Rahmen einer Verwertungsvereinbarung einvernehmlich auf die sonst erforderliche (§§ 49 und 165 InsO) Durchführung einer Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG). Der Insolvenzverwalter handele wie ein Zwangsverwalter. Für den Grundpfandgläubiger habe die Vereinbarung der „kalten Zwangsverwaltung“ den Vorteil, dass ihm der mit der Anordnung der „echten“ Zwangsverwaltung nach den Vorschriften des ZVG verbundene Aufwand erspart bleibe, und dass die Immobilie nicht aufgrund einer Grundbucheintragung mit dem „Makel einer Zwangsverwaltung“ behaftet werde. Für den Insolvenzverwalter sei die Vereinbarung der „kalten Zwangsverwaltung“ mit höherem Aufwand verbunden, da er anstelle eines gerichtlich eingesetzten Zwangsverwalters die Mieten einziehen und das Grundstück verwalten müsse und er ein höheres Haftungsrisiko trage. Allerdings eröffne sich aufgrund dieser Vereinbarung die Chance, die Masse zu stärken, was sich vorteilhaft auf die Teilungsmasse und damit auf die Verwaltervergütung auswirke. Bei der „echten“ Zwangsverwaltung erhalte die Masse regelmäßig nichts.

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Einem gemäß § 108 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestellten Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers gab das FG insoweit statt, als es bei einem Verkaufsfall zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers gekommen sei. Es handelte sich dabei um eine Verwertung zugunsten einer Gläubigerbank.

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Das Urteil des FG ist in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ 2009, 1882 veröffentlicht.

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Mit seiner Revision macht der Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts geltend und wendet sich gegen das vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. August 2005 V R 31/04 (BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183). Bei der freihändigen Veräußerung von Immobilien komme der Insolvenzverwalter lediglich seiner durch § 159 InsO gesetzlich zugewiesenen Aufgabe nach, die Insolvenzmasse bestmöglich zu verwerten. Dies verschaffe dem Insolvenzverwalter keinen eigenen Vorteil, da der Erlös der Masse zukomme. Für eine steuerbare Leistung fehle es an der hierfür erforderlichen inneren Verknüpfung. Der Massekostenbeitrag stelle lediglich einen Verzicht des Gläubigers auf die Geltendmachung seiner Sicherheit dar. Dem Grundpfandgläubiger stehe kein eigenes Recht auf freihändige Verwertung zu. Dies habe zur Folge, dass der hier streitige Erlös aus der Verwertung des Grundbesitzes als normaler Verwertungserlös anzusehen sei, der –wie die Veräußerung von Grundstücken gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)– steuerfrei sei. Die mit den Grundpfandgläubigern vor Veräußerung der Grundstücke jeweils ausgehandelten Massekostenbeiträge stellten lediglich den der Insolvenzmasse zustehenden Anteil am Erlös aus der Verwertung des Grundbesitzes dar, der letztlich allen am Insolvenzverfahren Beteiligten zugute komme. Verbleibe nach der Veräußerung des Grundstücks und der Ablösung der Grundpfandrechte ein Mehrerlös, sei der zwischen dem Grundpfandgläubiger und dem Insolvenzverwalter ausgehandelte Massekostenbeitrag lediglich ein Vorschuss auf den der Insolvenzmasse insgesamt zustehenden Erlös aus der Grundbesitzverwertung und kein Entgelt für eine Geschäftsbesorgung zugunsten des Grundpfandgläubigers. Soweit der Kläger in Absprache mit den Gläubigerbanken im Wege der „kalten Zwangsverwaltung“ die Mietforderungen eingezogen und vor Auszahlung an die Pfandgläubiger einen vereinbarten Anteil für diese Inkassotätigkeit einbehalten habe, gelte nichts anderes.

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Dass der Insolvenzverwalter nach der InsO zur freihändigen Veräußerung verpflichtet sei, zeige sich auch daran, dass er sich beim bloßen Dulden einer Zwangsversteigerung gegenüber den Insolvenzgläubigern im Hinblick auf das Verschleudern von Massevermögen schadensersatzpflichtig mache, wenn der Wert des Grundstücks die gesicherte Forderung übersteige. Er schließe keine Geschäftsbesorgungsverträge mit den Grundpfandgläubigern ab, da er deren Geschäft bereits aus rechtlichen Gründen nicht betreiben könne. Denn die Grundpfandgläubiger seien nicht zur freihändigen Veräußerung befugt. Er handele ausschließlich in Erfüllung der sich aus § 159 InsO ergebenden Pflichten. Es liege auch kein Entgelt vor, da der Grundpfandgläubiger nur darauf verzichte, den Verwertungserlös in vollem Umfang zu erhalten. Soweit die gesicherte Forderung daher nicht getilgt werde, bleibe sie bestehen und werde als Insolvenzforderung geltend gemacht.

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Schließlich habe das FG den Sachverhalt nur ungenügend aufgeklärt.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2001 und 2002 vom 10. Juni 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2001 um 165.892,30 EUR und die Umsatzsteuer 2002 um 170.781,22 EUR herabgesetzt wird.

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Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Der steuerbare und steuerpflichtige Leistungsaustausch ergebe sich daraus, dass sich Kläger und Banken über die Massebeteiligung im Vorfeld der Verwertungsmaßnahmen geeinigt hätten. Es liege ein selbständiges Entgeltversprechen für den Erfolgsfall vor. Der Verwertungserlös sei Surrogat des Absonderungsguts. Die Banken hätten den gesamten Verwertungserlös beansprucht und hätten die Tätigkeit des Klägers nur im Erfolgsfall vergütet. Ein Rechtsakt könne zu zwei Leistungsbeziehungen führen, wie sich z.B. bei der Verwertung von Sicherungsgut zeige. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, dass er eine Verwertungsleistung zugunsten der Masse erbracht habe. Denn die Verwertung eines wertausschöpfend belasteten Gegenstandes werde für den Sicherungsberechtigten erbracht. Die Vereinbarung einer stillen Zwangsverwaltung sei rechtlich zulässig. Das hierfür vereinbarte Honorar sei nicht auf die Vergütung des Insolvenzverwalters anzurechnen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass der Kläger mit der freihändigen Veräußerung der grundpfandrechtsbelasteten Grundstücke („kalte Zwangsvollstreckung“) sowie deren der freihändigen Verwaltung („kalte Zwangsverwaltung“) steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistungen an die Grundpfandgläubiger gegen Entgelt erbringen kann. Eine entgeltliche Leistung liegt jedoch nicht vor, wenn der Veräußerungserlös die mit dem Grundpfandrecht besicherte Forderung übersteigt und der Insolvenzverwalter vereinbarungsgemäß in diesem Fall keinen Massekostenbeitrag erhält.

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1. Veräußert der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung ein Grundstück freihändig und behält er vereinbarungsgemäß vom Veräußerungserlös für die Masse einen „Massekostenbeitrag“ ein, liegt neben der Grundstückslieferung an den Erwerber eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbare und auch steuerpflichtige Leistung vor.

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a) Nach ständiger Rechtsprechung erbringt der Unternehmer (Steuerpflichtige) eine Leistung gegen Entgelt, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist und die gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage 77/388/EWG dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt, wenn zwischen Unternehmer und Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt begründet, so dass das Entgelt als Gegenwert für die Leistung anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486, unter II.1.a, m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und BFH).

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b) Im Streitfall liegen steuerbare Leistungen des Klägers vor, soweit er aufgrund der freihändigen Veräußerung zur Vereinnahmung von Kostenbeiträgen für die Masse berechtigt war.

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aa) Veräußert der Insolvenzverwalter aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung das mit einem Grundpfandrecht belastete Massegrundstück freihändig, erbringt er eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG an den Grundpfandgläubiger, da er in dessen Interesse und Auftrag die Veräußerung des Grundstücks betreibt und daher für diesen ein Geschäft besorgt. Maßgeblich ist insoweit, dass der Insolvenzverwalter zur freihändigen Veräußerung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks nicht verpflichtet ist, da er sich gemäß § 165 InsO darauf beschränken kann, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden. Duldet der Insolvenzverwalter nicht lediglich die Zwangsvollstreckung, sondern veräußert er das Grundstück freihändig, erhält der Grundpfandgläubiger hierdurch die Möglichkeit, eine weiter gehende Tilgung seiner Forderung als bei einer Zwangsversteigerung zu erlangen, und damit einen Vorteil, den der Grundpfandgläubiger ohne die Leistung des Insolvenzverwalters nicht erhalten kann, da er aufgrund seines Pfandrechts nicht selbst zur Veräußerung des mit dem Grundpfandrecht belasteten Grundstücks berechtigt ist.

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bb) Gegen eine an den Grundpfandgläubiger erbrachte Leistung spricht nicht, dass der Insolvenzverwalter bei der Erbringung der entgeltlichen Geschäftsbesorgungsleistung zwar in dessen Interesse, aber auf Rechnung des Insolvenzschuldners (Grundstückseigentümers), nicht dagegen auf Rechnung des Grundpfandgläubigers handelt.

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(1) Zu Recht macht der Kläger geltend, dass ebenso wie die Zwangsversteigerung auch die freihändige Veräußerung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks nicht für Rechnung des Grundpfandgläubigers, sondern für Rechnung des Schuldners (Grundstückseigentümers) erfolgt, denn in beiden Fällen werden die Verbindlichkeiten des Grundstückseigentümers durch den Verwertungserlös getilgt. Auch wenn der Grundpfandgläubiger an einem möglichst hohen Veräußerungserlös interessiert ist, rechtfertigt dies nicht die Annahme, die Veräußerung erfolge für seine Rechnung. Damit übereinstimmend vermittelt nach der Rechtsprechung die Verwertung durch Zwangsversteigerung aufgrund eines Grundpfandrechts für den Grundpfandgläubiger mangels Handelns für dessen Rechnung keine Verwertungsbefugnis i.S. von § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (BFH-Urteile vom 27. Juli 1994 II R 67/91, BFH/NV 1995, 269, unter 2.f aa, und vom 27. April 2005 II R 30/03, BFH/NV 2005, 2050, unter II.3.).

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Dementsprechend liegt sowohl bei einer Zwangsversteigerung als auch bei der freihändigen Veräußerung des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter umsatzsteuerrechtlich nur eine Lieferung des Eigentümers, dieser vertreten kraft Amtes durch den Insolvenzverwalter, an den Erwerber, nicht aber ein Doppelumsatz durch eine Lieferung an den Grundpfandgläubiger und durch diesen an den Erwerber vor (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 1985 V R 139/76, BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500, Leitsatz und unter III.2.a zur Zwangsversteigerung). Handelt hiernach der Insolvenzverwalter nicht für Rechnung des Grundpfandgläubigers, liegen die Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäftes (§ 3 Abs. 3 UStG) nicht vor und führt daher die freihändige Veräußerung im Namen des Grundstückseigentümers auch nicht nach den Regeln über Kommissionsgeschäfte zu einem sog. Dreifachumsatz (vgl. zum Begriff bei Verwertung von Sicherungsübereignung an beweglichen Gegenständen BFH-Urteile vom 6. Oktober 2005 V R 20/04, BFHE 212, 146, BStBl II 2006, 931, unter II.2., und vom 23. Juli 2009 V R 27/07, BFHE 226, 421, BStBl II 2010, 859, unter II.1.a).

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(2) Auch wenn der Insolvenzverwalter mit der freihändigen Veräußerung und der hierdurch bewirkten Schuldtilgung für Rechnung des Insolvenzschuldners tätig ist, schließt dies die Annahme einer sonstigen Leistung an den Grundpfandgläubiger nicht aus. Denn anstelle der Zwangsvollstreckung zur Befriedigung des Grundpfandgläubigers aus dem Grundstück, auf die der Grundpfandgläubiger auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwiesen ist (§§ 1147, 1192 BGB), können Grundpfandgläubiger und Grundstückseigentümer, vertreten durch den Insolvenzverwalter, im Rahmen eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsauftrags gemäß § 675 BGB vereinbaren, dass der Insolvenzverwalter mit Zustimmung des Grundpfandberechtigten das überschuldete Grundstück im Namen des Grundstückseigentümers veräußert und den Veräußerungserlös abzüglich eines vereinbarten Entgelts zur Tilgung der gesicherten Forderung herauszugeben hat. Der Beurteilung als Geschäftsführung „für einen Anderen“ (vgl. §§ 675 ff. BGB) steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass der Geschäftsführer zugleich auch ein objektiv eigenes Geschäft besorgt. Selbst bei einer Geschäftsbesorgung ohne Auftrag genügt es daher, dass das Geschäft seiner äußeren Erscheinung nach nicht nur dem Besorger, sondern auch einem Dritten zugute kommt, insbesondere wenn dessen Interesse an der Vornahme der Handlung im Vordergrund steht oder gar vordringlich ist (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2009 VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188, m.w.N.). Dass der Insolvenzverwalter bei der Ausführung dieser Geschäftsbesorgungsleistung zugleich dafür sorgt, dass die Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners getilgt wird, ist daher unerheblich.

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c) Da der Geschäftsbesorgungsvertrag ein gegenseitiger Vertrag ist, erfolgt die Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. August 2006 V R 19/05, BFHE 215, 321, BStBl II 2007, 187, unter II.3.a aa), soweit der Insolvenzverwalter vereinbarungsgemäß zur Vereinnahmung eines Massekostenbeitrages berechtigt ist. Keine entgeltliche Leistung liegt daher vor, wenn z.B. vereinbarungsgemäß bei der freihändigen Veräußerung die Berechtigung zum Einbehalt eines Massekostenbeitrages entfällt, weil der erzielte Erlös die Forderung des Grundpfandgläubigers übersteigt.

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d) Liegt somit eine entgeltliche sonstige Leistung vor, ist diese auch steuerpflichtig. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ist auf sonstige Leistungen nicht anzuwenden, soweit diese keine bloßen Nebenleistungen zu einer Grundstückslieferung sind.

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2. Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch.

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a) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die Beurteilung als steuerpflichtige Geschäftsbesorgung bei der freihändigen Veräußerung grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände.

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Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 211, 551, BStBl II 2007, 183, Leitsatz 1 entschieden, dass der Insolvenzverwalter bei der Veräußerung von beweglichen Gegenständen, an denen ein Absonderungsrecht besteht, trotz Vereinnahmung der Verwertungskostenpauschalen des § 171 Abs. 2 InsO keine entgeltliche Leistung an den Grundpfandgläubiger erbringe. Der Senat hält hieran jedoch aus den folgenden Gründen nicht fest (Änderung der Rechtsprechung):

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(1) Bei der Verwertung beweglicher Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO besteht –wie z.B. bei Sicherungseigentum–, darf der Insolvenzverwalter gemäß § 166 Abs. 1 InsO zwar freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat.

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(2) Der Insolvenzverwalter ist jedoch nicht zur freihändigen Verwertung verpflichtet, da er gemäß § 170 Abs. 2 InsO Gegenstände, die er nach § 166 InsO trotz des Absonderungsrechts verwerten darf, weil er sie in Besitz hat, auch dem Gläubiger und damit dem Sicherungsnehmer zur Verwertung überlassen kann. Verwertet der Insolvenzverwalter die vom Insolvenzschuldner zur Sicherheit dem Gläubiger (Sicherungsnehmer) übertragenen Gegenstände im Namen des Sicherungsnehmers, liegt ein sog. Doppelumsatz aufgrund einer Lieferung durch die Insolvenzmasse an den Gläubiger und durch den Gläubiger an den Erwerber vor (BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 V R 121/71, BFHE 106, 383, BStBl II 1972, 809). Das Entgelt für die Lieferung der Masse an den Gläubiger entspricht dann dem Betrag in Höhe der Schuldbefreiung, die sich für die Masse aufgrund der Verwertung durch den Gläubiger ergibt. Vorweg zu begleichende Kosten der Feststellung (§ 170 Abs. 2 InsO) gehören nicht zum Entgelt.

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(3) Verwertet der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache für die Masse selbst, erbringt er ebenso wie bei der „freihändigen Veräußerung“ grundpfandrechtsbelasteter Grundstücke im Interesse des Gläubigers eine entgeltliche Leistung an diesen. Dem entspricht, dass dem Gläubiger nach §§ 167 ff. InsO Informations- und Mitspracherechte in Bezug auf die Art der Veräußerung eingeräumt sind. Entgelt für die im Interesse der absonderungsberechtigten Gläubiger durchgeführte Veräußerung ist die vom Erlös vorweg für die Kosten der Verwertung der Insolvenzmasse verbleibende Verwertungskostenpauschale (§ 171 Abs. 2 InsO i.V.m. § 170 Abs. 1 InsO). Diese beträgt grundsätzlich pauschal 5 % sowie gegebenenfalls zusätzlich den aufgrund der Verwertung anfallenden Umsatzsteuerbetrag. Liegen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, ist nicht die Pauschale, sondern sind nach § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO diese Kosten anzusetzen. Verwertungskostenpauschale oder die hilfsweise anzusetzenden Kosten sind ein gesetzlicher Aufwendungsersatzanspruch (vgl. allgemein § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG; BFH-Urteil vom 16. Januar 2003 V R 92/01, BFHE 201, 339, BStBl II 2003, 732, unter II.2.a). Ob die entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung bei der Verwertung durch den Insolvenzverwalter –wie bei einer Verwertung durch den Eigentümer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens– unter Berücksichtigung der Kommissionsgrundsätze durch die fiktive Lieferung absorbiert wird und ein sog. Dreifachumsatz vorliegt, ist im Streitfall nicht zu entscheiden (s. oben II.1. b bb (1)).

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b) Entgegen der unter Hinweis auf entsprechende Äußerungen im Schrifttum (z.B. Wagner in Festschrift für Reiß, S. 185 ff.) vertretenen Auffassung des Klägers ist es für die Steuerbarkeit der für die Masse erbrachten Geschäftsbesorgungsleistung ohne Bedeutung, ob und inwieweit diese einen erhöhten Vergütungsanspruch des Insolvenzverwalters nach der Insolvenzverwaltervergütungsordnung begründet. Denn ob die Masse (vertreten durch den Insolvenzverwalter) im Außenverhältnis steuerbare Leistungen an Dritte wie z.B. Gläubiger erbringt, richtet sich nicht danach, ob sich hieraus im Innenverhältnis zwischen Masse und Insolvenzverwalter Vergütungsansprüche ergeben. Die jeweiligen Rechts- und Leistungsverhältnisse, und damit das Verhältnis zwischen der durch den Insolvenzverwalter vertretenen Masse und dem Grundpfandgläubiger einerseits und der Masse und dem Insolvenzverwalter andererseits, sind vielmehr eigenständig zu würdigen.

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c) Ob daneben ein Verzicht des Grundpfandgläubigers auf die Geltendmachung einer Sicherheit und damit eine Leistung an die Insolvenzmasse vorliegt, ist entgegen der Auffassung des Klägers für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger als Insolvenzverwalter eine Leistung an den Grundpfandgläubiger erbringt, nicht entscheidungserheblich. Denn ein derartiger Verzicht könnte nur zu einer Leistung des Gläubigers an die Insolvenzmasse führen, während es im Streitfall um die Besteuerung einer Leistung der Insolvenzmasse an den Gläubiger geht.

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3. Das Urteil des FG entspricht nicht diesen Grundsätzen; es war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

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a) Das FG hat im Grundsatz zutreffend entschieden, dass der für die freihändige Verwertung durch den Kläger als Insolvenzverwalter mit den Grundpfandgläubigern vereinbarte Massekostenbeitrag Entgelt für dessen Tätigkeit bei der Verwertung des grundpfandrechtsbelasteten Grundstücks im Interesse der Grundpfandgläubiger ist.

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Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass es an einem Entgelt fehlt, wenn vereinbarungsgemäß bei einem die besicherte Forderung übersteigenden Erlös kein Massebeitrag einbehalten werden darf, und hat daher keine Feststellungen getroffen, ob im Streitfall –wie der Kläger vorträgt– solche Sachverhalte vorliegen könnten. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

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b) Hinsichtlich des zwischen dem Kläger und den Grundpfandgläubigern vereinbarten Massekostenbeitrages für die Verwaltung der grundpfandrechtsbelasteten Grundstücke gelten die unter II.1. ausgeführten Grundsätze entsprechend:

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aa) Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger mit dem jeweiligen Grundpfandgläubiger vereinbart, dass dieser auf die Durchführung von Zwangsverwaltungsverfahren verzichtet und stattdessen der Kläger die mit den Grundpfandrechten belasteten Grundstücke verwaltet und die Mieten anstelle eines gerichtlich eingesetzten Zwangsverwalters im Auftrag der Gläubigerbanken einzieht. Zu Recht stellt das FG insoweit darauf ab, dass der Insolvenzverwalter eine „freihändige“ Tätigkeit gegen Entgelt ausübte, zu der er nicht verpflichtet war, da er sich nach § 165 InsO darauf beschränken konnte, die Zwangsverwaltung zu dulden und er für die Masse vereinbarungsgemäß einen Anteil von 9 bis 15 % aus den realisierten Kaltmieten als „Inkassogebühren“ als Leistungsentgelt erhielt. Dieser Massekostenbeitrag steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mehraufwand des Klägers für die von ihm –anstelle eines gerichtlich bestellten Zwangsverwalters– wahrgenommene Grundstücksverwaltung.

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bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch insoweit ohne Bedeutung, ob die Gläubiger der KG auf die Einleitung von Zwangsmaßnahmen verzichtet haben. Denn ein derartiger Verzicht könnte nur zu einer Leistung des Gläubigers an die Insolvenzmasse führen, während es im Streitfall um die Besteuerung einer Leistung der Insolvenzmasse an den Gläubiger geht.

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4. Auf die Verfahrensrüge des Klägers kam es nicht mehr an.