Haftung bei Reitunfall des Fremdreiters nicht ausgeschlossen
Ein aktuelles Urteil bestätigt, dass auch bei untereinander befreundeten Reitern gehaftet werden muss. Und: Vorsicht ist bei der Benutzung der Aufstieghilfe geboten. Wer das Pferd nicht sichert, den trifft unter Umständen eine Mitschuld.
Grundsätzlich haftet der Pferdehalter auch bei dem Sturz eines Reiters, dem er das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat oder der es aus Gefälligkeit übernommen und gepflegt hat. Dabei wird auch bei kameradschaftlichem oder gar freundschaftlichem Verhältnis zwischen Halter und Reiter nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen, dass zwischen den Beteiligten stillschweigend ein
Haftungsausschluss vereinbart worden sei (OLG Hamm, Urteil vom 28.06.2019, 11 U 82/18), insbesondere dann nicht, wenn eine Tierhalterhaftpflichtversicherung besteht. Die geschädigte Reiterin hatte in dem entschiedenen Fall über einen längeren Zeitraum die Versorgung von 5 Pferden übernommen. Der Halter gestattete ihr auch das Reiten dieser Pferde. Das Arrangement fand in wechselseitigem Einvernehmen
unentgeltlich statt. Eines Tages stürzte die Reiterin beim Aufsteigen, als sich das Pferd von der Aufstieghilfe wegbewegte. Dabei zog sie sich eine Knöchelfraktur zu. Da die hinter dem Halter stehende Tierhaftpflichtversicherung offenbar keine Entschädigung zahlte, kam es zur Klage auf Schadensersatz, der teilweise in zweiter Instanz stattgegeben wurde. Dabei schließt sich das Gericht der bereits eingeschlagenen reiterfreundlichen Linie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit an, dass mit der Annahme von Haftungsausschlüssen auch bei Gefälligkeiten unter Freunden Zurückhaltung
geboten ist (BGH Urteil vom 09.06.1992, VI ZR 49/91; Urteil vom 24.06.2016 und OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012, 7 U 115/11), da es sich bei der Tierhalterhaftung um den gesetzlichen Regelfall und eine Gefährdungshaftung handele und für Ausnahmen besondere Umstände oder Anhaltspunkte sprechen müssten. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass, wenn eine (bei Pferdehaltern in der Regel) für solche Fälle einzustehende Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden sei, den Beteiligten nicht ohne weiteres unterstellt werden kann, von einem Ausschluss der Haftung ausgegangen zu sein, der nicht den Halter selbst, sondern die eigens für solche Fälle abgeschlossene Versicherung entlastet. Ein Urteil des OLG Nürnberg hatte dies im Falle einer Reitbeteiligung, die seit Jahren mit der Halterin befreundet gewesen und mit dem Pferd ausgeritten und dabei gestürzt war, anders gesehen. Aufgrund der jahrelangen Freundschaft sei hier von einem stillschweigenden Haftungsausschluss auszugehen – die geschädigte Reiterin ging in diesem Falle leer aus (OLG Nürnberg, Urteil vom 27.06.2011, 8 U 510/11).
Sodann wurde in dem aktuell vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall im Rahmen der Prüfung eines Mitverschuldens der Reiterin an ihrem Sturz ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob die Benutzung der Aufstieghilfe fachgerecht erfolgt sei. Die Beweislast dafür, dass sie alles richtig gemacht hatte, lag hier bei der Reiterin, die den Halt verloren hatte, als sie bereits einen Fuß im Steigbügel hatte und sich das Pferd von der Aufstieghilfe wegbewegte. Nach den Ausführungen des dazu befragten Sachverständigen sei die Benutzung einer Aufstieghilfe zwar durchaus üblich, aber gerade das hier realisierte Risiko, dass sich das Pferd unkontrolliert wegbewege, gegenüber dem normalen Aufsteigen vom Boden etwas erhöht, da sich der Reiter von der Aufstieghilfe aus nur begrenzt mit dem Pferd mitbewegen könne und der Einfluss auf das Pferd auf der Aufstieghilfe stehend eingeschränkter sei als vom Boden. Dem könne dadurch effektiv entgegengewirkt werden, dass eine Person das Pferd festhält beim Aufsteigen, um es an Fluchtversuchen zu hindern. Das Gericht entschied aufgrund dieser Ausführungen, dass ein Mitverschulden der Reiterin somit nicht auszuschließen sei, da sie sich keiner Person zur Hilfe beim Aufstieg bedient hatte und kürzte die geltend gemachten Ansprüche deswegen um die Hälfte. Es wog dabei die verschuldensunhabhängige Haftung des Halters für die von dem Pferd ausgehende Tiergefahr und das leicht fahrlässige Verhalten der Reiterin durch das nicht Sichern der Aufstieghilfe gegeneinander ab und kam zu dem Ergebnis dass die Haftungsanteile mit jeweils 50 % zu bewerten seien.