Infektionen dürfen nicht verschwiegen werden
Ansteckende Krankheiten und der Umgang damit haben aktuelle Brisanz. Im letzten Heft wurde das Thema einmal aufgegriffen und dargestellt, welchen Einfluss die Behörden bei meldepflichtigen Pferdekrankheiten haben im Falle der Tierseuchengefahr und wann eine solche überhaupt gegeben ist. Bei nicht meldepflichtigen Krankheiten obliegt die allgemeine Sorgfaltspflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Krankheit sich nicht weiter ausbreitet, bei den einzelnen Pferdebesitzern und Stallbetreibern. Zum Umgang mit erkrankten Pferden und der allgemeinen Stallhygiene gibt es zahlreiche Empfehlungen und Hinweise.
Tiermedizinische Standards und Richtlinien sorgen für eine zielgerichtete Vorgehensweise von Tierärzten und Vermeidung von Ansteckungen in Tierkliniken. Doch rechtsverbindlichen und haftungsbegründen Charakter haben diese Regeln nicht unbedingt. Hier gelten wie immer die allgemeinen Gesetze und
Beweislastregeln sowie die Umstände des Einzelfalls.
Ein Züchter verklagte einen anderen Pferdezüchter, nachdem in einem Jahr gleich bei mehreren Stuten von ihm Resorptionen und Verfohlungen auftraten. Die tierärztliche Untersuchung eines Fetus und einer Nachgeburt ergaben den Nachweis des RP (Rhinopneumonitis)-Virus. Zwei seiner Stuten hatte der klagende Züchter zeitweise bei einem anderen Züchter untergebracht. Er behauptete, dass diese
Stuten sich in dessen Stall mit dem RP-Virus infiziert und nach ihrer Rückkehr in den heimischen Stall auch die anderen Stuten damit angesteckt hätten. Der beklagte Züchter habe von der Virusinfektion in seinem Stall zum Zeitpunkt des Aufenthalts seiner Stuten dort Kenntnis gehabt und keine Mitteilung gemacht. Der Kläger warf dem anderen Züchter vor, bei rechtzeitiger Mitteilung hätte er seine anderen Stuten rechtzeitig impfen lassen und so den Schaden verhindern können. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, in zweiter Instanz bekam der klagende Züchter recht. Es stand fest, dass das RP-Virus im fraglichen Zeitraum im Stall des beklagten Züchters aufgetreten war und dass diesen die Verpflichtung zur Information des anderen Züchters darüber getroffen habe, damit dieser entsprechende Schutzmaßnahmen für seine anderen Pferde hätte vornehmen können und sich das Virus nicht weiter ausbreitete. Dies bestätigte auch der Bundesgerichtshof, der das Urteil wiederum zur Revision vorgelegt bekam. Auch bestätigte der Bundesgerichtshof noch einmal die grundsätzliche Fürsorgepflicht des „Vermieters“ – hier des Stallbetreibers – Schäden und Gefahren für das Eigentum des Mieters abzuwenden. Die Beweislast für die Pflichtverletzung liege grundsätzlich beim Anspruchsteller, was diesem allerdings dann wiederum nicht zuzumuten sei, wenn die zu beweisenden Umstände nicht seinem Gefahrenbereich und seiner Kenntnis liegen. Hier lag es nun aber so, dass der Umstand der RP-Infektion ja nicht streitig zwischen den Parteien war, sondern der Umstand, ob die Mitteilung darüber erfolgt
war oder nicht. Der beklagte Züchter verteidigte sich nämlich damit, dass jeder, auch der Kläger, Kenntnis von dem Auftreten des Virus in seinem Stall gehabt habe. Der Kläger müsse nun beweisen, dass dem nicht so gewesen sei (BGH, 20.06.1990, VIII ZR 182/89).
Den Fall der Infektion mehrerer Pferde mit dem EIA (Equine-Infektiöse Ischämie) – Virus aufgrund der Verwendung von Blutplasma eines nicht getesteten Spenderpferdes in einer Tierklinik hatte das Oberlandesgericht Köln zu entscheiden. Mehrere Eigentümer von Pferden, bei denen das Blutplasma des nicht getesteten Spenderpferdes verwendet worden war sowie solche, deren Pferde sich dann wiederum bei diesen Pferden angesteckt hatten, versuchten im Klagewege Schadensersatz gegen die Tierklinik geltend zu machen – im Ergebnis erfolglos, da nicht gegen damals herrschende tiermedizinische Standards verstoßen worden war.
Der Infektionsfälle ereigneten sich im Jahre 2012. Bis dahin war die Übertragung des EIA Virus allenfalls durch blutsaugende Insekten bekannt, an deren Mundwerkzeugen die Viren auch nur 30 Minuten lebensfähig waren und deswegen nicht sehr präsent. Zwar wurde erstmals im März/April 2011 auf der Internetseite des Bundesamtes in einer Leitlinie empfohlen, nur Blutplasma von Spenderpferden zu
verwenden, die unter anderem auf EIA-Viren getestet wurden. Dennoch sei dies zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Infektionen kein allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft gewesen – so der tiermedizinische Sachverständige, der in dem Rechtsstreit zur Konsultation gezogen wurde. Die 2011 abgegebenen Empfehlungen seien tatsächlich erst nach den hier eingetretenen Fällen im Jahre 2012 zum anerkannten Standard in der Pferdemedizin erstarkt (OLG Köln, 23.09.2015, 5 U 198/14).