Kutschenunfall mit schwerwiegenden Folgen
Das Schaubild mit vier Mehrspännern auf der Jubiläumsveranstaltung eines Reitvereins hatte leider einen traurigen Ausgang, mit dem sich die Gerichte auseinandersetzen mussten. Eine Mitfahrerin verunfallte schwer, als eines der Gespanne durchging, die Kutsche kippte und sie herausfiel. Insgesamt mussten am Ende sowohl der Reitverein als auch vier Personen gemeinsam für die Folgeschäden haften (OLG Brandenburg, Urteil vom 25.09.2024, 7 U 121/23).
Der Reitverein feierte ein Jubiläum und hatte zu diesem Anlass ein spektakuläres Fahrschaubild geplant, unter Einbeziehung eines Vierspänners, eines Sechsspänners eines Random Gespanns mit drei hintereinander eingespannten Pferden sowie eines Gespanns mit zwei Stangenpferden und drei Vorderpferden (Junkerzug). Die Geschädigte, welche selbst Mitglied in dem jubilierenden Reitverein war, auch Inhaberin des Fahrabzeichens der Klasse IV, fuhr auf einem der Gespanne (dem Junkerzug) als Passagierin in einem historischen Kostüm mit. Als diesem Gespann das Random entgegen kam, gingen die Pferde des Junkerzuges durch und ließen sich von dem Fahrer nicht mehr beherrschen. Die Kutsche hob irgendwann ab und kippte um, wobei die historische Mitfahrerin aus der Kutsche geschleudert wurde und sich schwer dabei verletzte. Sie ist durch den Unfall querschnittsgelähmt.
Einer der Tierhalterhaftpflichtversicherer der beteiligten Pferde erkannte seine Leistungspflicht außergerichtlich an, allerdings wurden gerichtlich sämtliche Beteiligte in Anspruch genommen, die für die Haftung in Betracht kamen. Dies waren zum einen der veranstaltende Reitverein sowie dessen Vorsitzende als Verantwortliche, der Fahrer des Unfallgespanns sowie der Fahrer des entgegenkommenden Gespanns. In zweiter Instanz wurden alle Beteiligte gesamtschuldnerisch zum Ersatz des klägerischen Schadens verurteilt, nachdem in erster Instanz die Fahrer der beiden Gespanne verschont geblieben waren. Der beklagte Reitverein haftete als Tierhalter der zwei Stangenpferde, die in dem durchgehenden Gespann mitliefen, der Halter der drei Vorderpferde hatte ja bereits außergerichtlich die Haftung anerkannt. Dies war der unkomplizierteste Teil der Bewertung.
Die Erben der zwei in der Zwischenzeit verstorbenen Vorsitzenden des Reitvereins, welche die Verantwortung für die Planung der Jubiläumsveranstaltung getragen hatten, wurden in Anspruch genommen, da die Organisation des Kutschenschaubilds völlig unzureichend und unsorgfältig war. Dies bekundete ein Sachverständiger für den Fahrsport, welcher den Sachverhalt für das zuständige Landgericht bewertete. Der ganze Vorfall war auf Video festgehalten worden, sodass die Aufklärung nachträglich unproblematisch war. Zu dem gesamten Schaubild gab es keine Choreografie, keinen Ablaufplan und keine Probeveranstaltungen, sodass alles völlig unvorbereitet durchgeführt wurde. Der Sachverständige rügte zudem die Anwesenheit von vier Gespannen auf einem Platz von 40 × 80 m mit einem Hindernis darauf, da so die Fahrer durchgehend mit dem Fahrweg beschäftigt sein müssten, sodass sie kaum die Aufmerksamkeit auf ihre Pferde und deren Reaktion auf das ungewohnte Publikum lenken konnten. Es hätte zumindest eine Reihenfolge der Gespanne, deren jeweilige Ein- und Ausfahrt etc. geben müssen, so dass die hier unfallursächliche Frontalbegegnung hätte vermieden werden können. Hierfür wurden die Vorstandsvorsitzenden des Reitvereins verantwortlich gemacht. Hätten diese eine geordnete Planung und Probeveranstaltung organisiert, wäre der Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit verhindert worden. Die Organisation der gesamten Jubiläumsveranstaltung wurde von beiden Gerichten als grob fahrlässig bezeichnet. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vorsitzenden des Reitvereins selbst langjährig erfahrene Reiter und Fahrer waren, hätte diesen einleuchten müssen, dass im Rahmen einer solchen Veranstaltung, wo mehrere Gespanne einen Platz befahren sollen unter verschärften Bedingungen wie Publikum und Musik und Lautsprecheransagen, ein Mindestmaß an Organisation notwendig gewesen wäre, um besonders schwerwiegende Unfälle, wie sie nun mal im Rahmen von Reitveranstaltungen möglich sind, zu vermeiden. Während die Klage gegen die beiden Fahrer der Gespanne in erster Instanz mangels festgestellter Fahrfehler abgewiesen wurde, entschied das Gericht in zweiter Instanz, dass die Fahrer aus denselben Gründen wie die Vorstandsvorsitzenden der Klägerin gegenüber auch haften. Denn auch aufgrund der eigenen langjährigen Fahrerfahrung hätte den Fahrern klar sein müssen, dass sie nicht in der Art und Weise auf dem begrenzten Raum in der Geschwindigkeit mit diesen Gespannen aufeinander hätten zu fahren dürfen. Sie haben die eigene Sorgfaltspflicht auf dem Reitplatz außer Acht gelassen, indem sie dem nicht vorhandenen Ablaufplan „sehenden Auges“ gefolgt sind. Zuletzt wurde noch ein eigenes Mitverschulden der Verletzten diskutiert, die ja selbst Fahrerin war und sich gegebenenfalls nicht richtig festgehalten und dann auch noch in die Zügel gegriffen haben soll. Dies wurde jedoch von den Gerichten nicht so gesehen. Denn erstens verfügte die Klägerin über eine weit geringere Erfahrung als sämtliche anderen Beteiligten, zudem hatte sie lediglich als „Mitfahrerin“ wesentlich weniger Einfluss auf das gesamte Geschehen, als die anderen Beteiligten. Somit bedeute das Mitfahren bei einem Schaufahren kein Risiko auf eigene Gefahr.