Sturz der Reitbeteiligung ist versichert

Ein aktuelles Urteil aus diesem Jahr des Landgerichts Würzburg bestätigt wieder einmal, dass grundsätzlich die Tierhalterhaftung bei Unfällen auch gegenüber einer Reitbeteiligung gilt, die das Pferd aus reiner Freude und Gefälligkeit reitet und sich bei einem Sturz schwerwiegende Verletzungen zuzieht. Auch bestehe kein Mitverschulden darin, wenn die Reiterin keinen Reitpanzer trägt (Landgericht Würzburg, Urteil vom 04.05.2020, 14 O 1455/19).

In dem Fall klagte die Krankenkasse der gesetzlich versicherten Reiterin auf Ersatz der aufgewandten Behandlungskosten und die weitere Haftung gegen den haftpflichtversicherten Tierhalter. Die Tierhalterhaftpflichtversicherung hatte außergerichtlich die Regulierung abgelehnt, da bei einer Reitbeteiligung von einem stillschweigenden Haftungsausschluss zwischen den Parteien auszugehen sei – eine immer wieder vor den Gerichten landende Streitfrage. Zudem wurde noch eingewandt, die Reiterin habe den Sturz selbst durch reiterliches Fehlverhalten verursacht und überdies trage sie ein Mitverschulden, da sie keinen Reitpanzer getragen habe und sich eigenverantwortlich der Gefahr eines Ausrittes begeben habe.

Zwischen der Reitbeteiligung und dem Pferdehalter bestand eine Absprache, dass die Reiterin das Pferd „Rocky“ wöchentlich unentgeltlich reiten dürfe. Die Reiterin fragte sogar eigens nach, ob der Halter auch eine Tierhaftpflichtversicherung abgeschlossen habe, was dieser bejahte. Im Rahmen eines ganz normalen Ausritts scheute das Pferd beim Angaloppieren vor einem hochfliegenden Vogel und ging der Reiterin durch. Diese konnte das Pferd nicht wieder in ihre Gewalt bringen und stürzte, wobei sie sich eine Lendenwirbelfraktur zuzog, die erhebliche motorische Funktionseinschränkungen zur Folge hatte. Zunächst wurde der Unfallhergang von der Beklagtenseite bestritten und ein Reitfehler unterstellt. Da die Reiterin im Prozess der Krankenkasse jedoch als Zeugin aussagen konnte, wie es zu dem Sturz gekommen war und das Gericht der plausiblen Schilderung Glauben schenkte, wurde dieser Sachverhalt dem Urteil zugrunde gelegt. Von einem Mitverschulden der Reiterin wurde daher nicht ausgegangen, auch nicht deswegen, weil sie keinen Reitpanzer trug. Es bestehen weder gesetzliche Verpflichtungen noch allgemeine Empfehlungen – insbesondere bei einem normalen Ritt ohne besondere Risiken – einen solchen Reitpanzer tragen zu müssen. Allein das allgemeine Verletzungsrisiko und die Möglichkeit, dieses mit gewissen Schutzmaßnahmen verhindern oder beschränken zu können, reichen nicht aus, um einen Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht begründen zu können. So hatte der Bundesgerichtshof auch im Jahre 2011 bereits für das Tragen eines Fahrradhelms entschieden. Auch
eine Helmpflicht bei den Reitern gibt es für den privaten Bereich außerhalb von Turnieren nicht. Allerdings ist das Tragen eines Helms eine durchaus weiter verbreitete Handhabung der eigenen Sorgfalt im Alltag an den Reitställen als das Tragen eines Reitpanzers.

Auch hatte die Reiterin sich mit einem gewöhnlichen Ausritt nicht eigenverantwortlich in ein besonderes, über die normale Tiergefahr hinausgehendes Risiko begeben, so dass die Haftung auch nicht wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ausgeschlossen war. Insbesondere war auch kein stillschweigender Haftungsausschluss zwischen Reiterin und Pferdehalter zugrunde zu legen. Von einem solchen Haftungsausschluss ist nur in besonderen Ausnahmefällen auszugehen (BGH Urteil vom 09.06.1992, VI ZR 49/91; Urteil vom 24.06.2016 und OLG Schleswig, Urteil vom 29.02.2012, 7 U 115/11; OLG Hamm, Urteil vom 28.06.2019, 11 U 82/18). Grundsätzlich haftet der Pferdehalter auch bei dem Sturz eines Reiters, dem er das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat oder der es aus Gefälligkeit übernommen und gepflegt hat. Dabei wird auch bei kameradschaftlichem oder gar freundschaftlichem Verhältnis zwischen Halter und Reiter nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen, dass zwischen den Beteiligten stillschweigend ein Haftungsausschluss vereinbart worden sei, insbesondere dann nicht, wenn eine Tierhalterhaftpflichtversicherung besteht und wie hier – sogar zu Beginn der Übernahme des Pferdes auch noch danach gefragt wurde. Auch die Tatsache, dass das Reiten des Pferdes überwiegend im eigenen Interesse der Reiterin geschah und sie keine Gegenleistung dafür zu erbringen hatte, ändert an diesem Grundsatz nichts (siehe zum Thema auch Heft 12/2019 „Auch Freunde haften“).