Tierarzthaftung bei grobem Behandlungsfehler
Kann nach tierärztlicher Fehlleistung das Honorar zurückgefordert werden? Wann kommt dem Pferdebesitzer die Beweislastumkehr zu Gute und wann nicht? Mit diesen Fragen beschäftigen sich aktuelle Gerichtsentscheidungen aus 2025.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 9.4.2025, 4 U1539/24 lässt keinen Zweifel darüber, dass es selbst dann, wenn ein grober Behandlungsfehler eines Tierarztes festgestellt wird, nicht gerechtfertigt ist, dass tierärztliche Honorar zurückzuhalten, die Zahlung zu verweigern oder bereits geleistete Zahlungen zurückzufordern. Die Leistung des Tierarztes muss vielmehr aufgrund dieses groben Behandlungsfehlers für den Tierhalter völlig unbrauchbar, die erbrachte Leistung gleich einer vertraglichen Nichterfüllung sein. Ansonsten wird die tierärztliche Vergütung grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn die erbrachte Leistung fehlerhaft war. Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, bei dem ein Pferd im Verlauf der tierärztlichen Behandlung verendete. Jedoch konnte nicht festgestellt werden, dass der Tod des Pferdes auf einen groben Behandlungsfehler des Tierarztes zurückzuführen war, sondern dass die Rettung des Pferdes trotz des groben Behandlungsfehlers wahrscheinlich ohnehin nicht möglich gewesen wäre, auch dann, wenn der Tierarzt eine dem tierärztlichen Standard entsprechende Behandlung vorgenommen hätte – die überdies auch noch mehr gekostet hätte, als die tatsächlich erbrachte Leistung. Auch konnte der Patienteneigentümer in diesem Falle nicht mit Schadensersatz aufrechnen, da der Schaden im vorliegenden Falle nicht auf den tierärztlichen Fehler zurück zu führen war – da kam dem Pferdebesitzer auch nicht die Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler zu Gute.
Das Pferd war zunächst mit einer fiebrigen Kolik vorgestellt worden, woraufhin der verklagte Tierarzt fachgerecht mit einer Nasenschlundsonde behandelte. Sodann folgten weitere Untersuchungsmaßnahmen sowie die Einholung labormedizinischer Befunde, rektale und sonografische Untersuchungen der Stute, was dann den Verdacht auf einen Ovarialtumor und eine Uterusfüllung ergab und den Tierarzt einer medikamentösen Öffnung des Uterus veranlasste. Anhand des abfließenden Eiters wurde dann eine Pyometra zutreffend festgestellt. Bis dahin attestierte die gerichtlich bestellte Sachverständige eine standardgerechte tierärztliche Vorgehensweise. Auch sei es dem Tierarzt nicht vorzuwerfen, dass er die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) nicht erkannt habe, welche ohnehin kaum zu therapieren sei.
Den weiteren Ablauf bezeichnete die Sachverständige dann aber als fehlerhaft, da der Tierarzt es pflichtwidrig unterlassen habe, die diagnostizierte Pyometra unmittelbar durch Katheterableitung des Eiters, tägliche Spülungen des Uterus und eine antibiotische Versorgung nach Resistenzbestimmung zu behandeln. Die Unterlassung dieser zwingend notwendigen tierärztlichen Behandlung sei sorgfaltswidrig gewesen und dürfe nicht passieren, sodass das Gericht dies als groben Behandlungsfehler bewertete, welcher in der Tiermedizin ebenso wie in der Humanmedizin zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für ursächlichen Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden führt.
Dazu muss der grobe Behandlungsfehler aber auch geeignet sein, den eingetretenen Schaden zu verursachen oder wenigstens mit zu verursachen. Dies war im Streitfall nicht gegeben. Die eitrige Gebärmutterentzündung war bei der Stute zwar zutreffend festgestellt, dann aber grob fehlerhaft nicht behandelt worden. Die ebenfalls vorliegende DIC sei hingegen nicht diagnostiziert worden. Einer der DIC könne aber auch nur entgegengewirkt werden, indem die Ursache, die vorliegend wiederum in der Pyometra lag sofort behandelt worden wäre. Das Gericht folgerte daraus, dass jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang mit dem Tod des Pferdes ausgeschlossen sei. Der Tierarzt hätte sofort bei der Erstvorstellung sowohl die Gebärmutterentzündung als auch die DIC feststellen und unmittelbar behandeln müssen, was nicht der Fall gewesen war. Insofern sei bereits ein Prozess in Gang gesetzt worden, der dem Tierarzt nicht vorzuwerfen war und den Tod des Pferdes nicht mehr hätte verhindern können. In einem anderen Fall entschied das gleiche Gericht mithilfe der Beweislastumkehr gegen einen Tierarzt, welcher grob fehlerhaft bei zu dünn geschnittenen Hufen eine starke Schwächung des Sohlenhorns verursachte, welche zu einer hochgradigen Lahmheit des Pferdes und der Entwicklung einer eitrigen Huflederhautentzündung geführt habe. Dies schätzte das Gericht nach den sachverständigen Ausführungen als typische Folge ein, so dass die Beweislastumkehr hier dem Patienteneigentümer zugutekam, da der Tierarzt die Kausalität des Fehlers und des eingetretenen Schadens nicht widerlegen konnte (Oberlandesgericht Dresden, 2.4.2025, 4 U 1700/24).
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