Tritt in den Rücken

Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht nicht zu Lasten des Geschädigten – Schadensersatz wird auch für die Versorgung von Haustieren gezahlt. Ansprüche aus der Tierhalterhaftung können aufgrund eigenen Mitverschuldens des Verletzten gekürzt werden. Von welcher Seite dies jeweils zu beweisen ist, kommt auf den konkreten Sachverhalt an. Doch wie wird geurteilt, wenn der Geschädigte sich aufgrund des Unfallereignisses an nichts mehr erinnern kann und es keine Zeugen gibt? (Landgericht Köln, Urteil vom 12.09.2022, 15 O 10/22).

Eine Pferdebesitzerin wollte ihr Pferd von der Weide holen, um es zu reiten. Sie ging auf die Wiese, wo ihr Pferd mit einem einzigen anderen Pferd zusammenstand – beide Pferde verhielten sich ruhig. Sie zäumte ihr eigenes Pferd auf, während sich das andere Pferd in ihrem Rücken näherte, was sie nicht bemerkte, und dann zutrat. Die Reiterin erlitt ein Schädelhirntrauma ersten Grades, eine Lungenquetschung links, eine Rippenserienfraktur links und eine Milzkontusion. Anderthalb Monate war sie zu 100 % arbeitsunfähig. Sie begehrte Schmerzensgeld, Schadensersatz für die Kleidung, die von den Rettungskräften zerschnitten wurde und außerdem Ersatz für die Versorgung ihres Pferdes, ihres Hundes und ihrer beiden Katzen, mit denen sie allein lebte.

Die Tierhalterhaftpflichtversicherung der beklagten Pferdebesitzerin zahlte nicht, weil sie der Ansicht war, die Verletzte könne nicht beweisen, dass das andere Pferd sie getreten habe, schließlich könne sie auch von ihrem eigenen Pferd getreten worden sein. Zeugen für den Vorfall gab es in der Tat nicht und die Klägerin selbst konnte sich ab dem Zeitpunkt des Trittes nur noch schemenhaft an das Geschehen erinnern. Die Verletzungen passten auf jeden Fall zum Tritt durch ein Pferd, soviel stand objektiv fest. Fraglich war nur, ob sie durch ihr eigenes oder das fremde Pferd getreten worden war. Dies musste das Gericht anhand der Schilderungen der Klägerin, die sie für glaubhaft befand, rekonstruieren. Da die Klägerin ihr Pferd zum Reiten von der Weide holen wollte, stand sie links neben dessen Kopf und wollte es aufzäumen. Die eigetretenen Verletzungen befanden sich an der linken Körperhälfte, so dass es unwahrscheinlich ist, dass ihr eigenes Pferd sie getreten hatte – zumindest hätte sie dies wahrnehmen müssen – ihre Erinnerung setzte dann aus, weil sie das Bewusstsein verlor. Das Gericht glaubte der Klägerin und sprach ihr die begehrten Ansprüche zu. Diese seien auch nicht durch ein eventuelles Mitverschulden an dem Vorfall zu kürzen, denn diesen Einwand hätte die beklagte Tierhalterin beweisen müssen und dazu gab es keinerlei Anhaltspunkte. Die Geschädigte obsiegte in dem Verfahren somit zu 100 %. Interessant an dem Urteil ist weiterhin, in welcher Höhe jeweils die begehrten Ansprüche der Verletzten bemessen wurden. Für die erheblichen, lebensgefährlichen, oben genannten eingetretenen Verletzungen, Bewusstlosigkeit, langen stationären Aufenthalt und über anderthalb Monate lang andauernde Arbeitsunfähigkeit befand das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 4000,00 Euro für angemessen, orientiert an der aktuellen Schmerzensgeldtabelle, wobei hier die Klägerin noch über den üblichen Rippenserienfrakturen liege, da zusätzlich ja noch die Lunge und die Milz verletzt worden seien. 120,00 Euro gab es für die zerschnittene Kleidung und 130,00 Euro unstreitig geleistete Zuzahlung an die Krankenversicherung. 1450,00 Euro wurden für die Versorgung des Pferdes der Geschädigten zugesprochen und zwar auf einer Grundlage von 50,00 Euro pro Tag. Das Pferd habe jeden Tag gepflegt und bewegt werden müssen, dafür seien 50,00 Euro angemessen, so das Gericht. Für die Versorgung der anderen drei Haustiere gab es immerhin 150,00 Euro.

Dass durch ein Unfallereignis gerade mit einem Pferd eine Bewusstlosigkeit eintritt und der Betroffene mit dem Tier alleine war – dies ist keine Seltenheit. Auch ein Reitlehrer, dem ein bestimmtes Pferd zum Beritt anvertraut war und der dieses aus der Box geholt hatte, wurde später bewusstlos und mit blutenden Kopfverletzungen auf der Stallgasse gefunden – dieser konnte sich an nichts mehr erinnern. Lediglich anhand weiterer Blutspuren in einer Pferdebox konnte der entsprechende Halter desjenigen Pferdes ausgemacht werden, welches wohl für die eingetretenen Verletzungen verantwortlich war. Da der Bereiter hier die Obhut über das Pferd selbst inne hatte, galt er als Tierhüter. Dieser wiederum muss sich bei der Haftung gegenüber dem Tierhalter eines Mitverschuldens entlasten. Aber auch hier legte das Gericht seinerzeit die Unaufklärbarkeit des eigentlichen Unfallhergangs nicht zu Lasten des Geschädigten aus und kam aus Billigkeitsgründen zu einer 50 %igen Haftung des Tierhalters (OLG Frankfurt, Urteil vom 25.07.1995, 22 U 82/94).