Pferd springt durch ein Büro mit fliegenden Akten – Thema Pferderecht.

Gendefekt als Mangel beim Kaufvertrag

Die Zeiten der klassischen Gewährsmängel bei Pferden sind lange vorbei. Heute wird bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen um Röntgenaufnahmen, Allergien, Herzfehler, Hufkrebs und Gendefekte gestritten. Eine Entscheidung beschäftigt sich mit der Genvariante PS SM, Typ 2-P4, welche reinerblich ein höheres Risiko für myofibriläre Myopathie – eine Muskelfasererkrankung darstellt. (OLG Stuttgart, 11.7.2023,13 U 172/22). Ohne besondere Vereinbarung kann der Käufer eines Pferdes allerdings nicht erwarten, dass er ein Tier mit idealen Anlagen erhält (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 23.1.2025,7 U 72 /24).

Was also heutzutage einen kaufrechtlichen Mangel beim Pferd darstellt, fällt je nach Sachverhalt, Parteien und Vertragsgestaltung äußerst unterschiedlich aus. In der Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart ging es um Polysaccharide Storage Myopathie (kurz PSSM2-P4), eine Genvariante, welche ein erhöhtes Risiko für eine Muskelfasererkrankung darstellt, welche die Muskulatur des Pferdes weniger als normal belastbar macht. Das Pferd habe sich zum Zeitpunkt der Übergabe jedenfalls in einem Zustand befunden, aufgrund dessen zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass es aufgrund des Gendefekts Muskulaturprobleme in Form von rascher Ermüdung, Schmerzen, Gangstörungen und Muskelverhärtungen erleiden könne und dadurch für die normale Nutzung als Reitpferd ungeeignet sei. Diese hohe Wahrscheinlichkeit, welche sich bereits zum Zeitpunkt der Übergabe darstellte, habe sich alsbald nach Übergabe auch entsprechend realisiert. Die Käuferin des Pferdes erklärte deswegen den Rücktritt vom Kaufvertrag und bekam vor dem Landgericht Ulm in erster Instanz Recht und Ihre Ansprüche zugesprochen. Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Die Parteien hätten zumindest vereinbart, dass das Pferd als normales Reitpferd verwendet werden sollte und dafür auch geeignet sei. Ein im verwendeten Kaufvertragsformular vorhandener Gewährleistungsausschluss stellte sich als unwirksam heraus und zwar deswegen, da die Beklagte Verkäuferin zwar nicht tatsächlich eine Unternehmerin war und deswegen gar nicht die Gewährleistung ausschließen konnte, aber wie eine solche nach außen hin aufgetreten war und dadurch den Anschein des unternehmerischen Handelns gesetzt hatte. Denn der Kaufvertrag hatte sich über den gewerblichen Reitbetrieb des Vaters der Verkäuferin angebahnt, welcher ein Reitzentrum betrieb, wo das Pferd besichtigt und Probe geritten wurde. Zwar soll es sich um das private Reitpferd der Tochter gehandelt haben (der beklagten Verkäuferin), allerdings hatte die Käuferin zuvor extra im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen nachgefragt, ob der Verkauf denn nun von privat oder gewerblich seien würde, worauf hin die Gewerblichkeit bejaht wurde. Somit konnte die Gewährleistung zwischen den Parteien auch nicht ausgeschlossen werden und die beklagte Verkäuferin musste für Mängel des Pferdes haften. Einen solchen Mangel sah das Gericht vorliegend in der genetischen Anomalie ausnahmsweise deswegen, da in diesem Falle eine hohe wahrscheinlich Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass es sie zu Beeinträchtigungen unmittelbar nach dem Kaufvertragsschluss führen könnten. Der tiermedizinische Sachverständige, welcher in diesem Gerichtsprozess das Gutachten erstattete, bezeichnete die Möglichkeit der Genvariantenuntersuchung noch als relativ neu in der Pferdemedizin. Die klinische Symptomatik von Muskelerkrankungen sei dagegen altbekannt und früher auf Trainings-, Fütterungs- und Haltungsfehler zurückgeführt worden. Es sei zwar nicht auszuschließen, dass die nun tatsächlich bei diesem Pferd festgestellten Symptome wie Verspannungen im Rücken und Kreuzverschlag auf andere Ursachen zurückzuführen seien. Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass es mit dem Gendefekt zu tun habe, liege über 50 %, was sodann für das Gericht ausschlaggebend war. Die Erkrankung war auch nicht zu behandeln. Deswegen musste das Pferd zurückgenommen werden.

Grundsätzlich führt aber nicht jede Abweichung vom Idealzustand zu einer Rückabwicklung. In einer anderen Entscheidung von aus Januar 2025 lag im Unterschied zu dem ersten Fall schon keine Unternehmer-/Verbraucherkonstellation vor, sondern ein Verkauf von privat zu privat. Der im Mustervertrag verwendete Gewährleistungsausschluss war in diesem Falle auch wirksam, auch wenn ein Vertragsmuster aus dem Internet heruntergeladen worden war. Da die Parteien des Kaufvertrags dieses Musterformular jedoch vor Unterzeichnung gemeinsam durchgegangen waren, war die Haftung des Verkäufers wirksam ausgeschlossen worden. Bei der Ankaufsuntersuchung (ohne Röntgen) war das Pferd lahmfrei gewesen und eine Kenntnis des Verkäufers von Befunden am Strahlbein und Hufrollenapparat nicht nachgewiesen. Hier ging der Käufer, obgleich er im Verlauf das Pferd aufgrund der im Nachhinein festgestellten Befunde sogar einschläfern musste, leer aus.