Recht auf Einsichtnahme in tierärztliche Behandlungsunterlagen

Den Anspruch auf Einsicht in die tierärztliche Dokumentation über die Untersuchung und Behandlung eines Tieres hat grundsätzlich nur derjenige, der zum Behandlungszeitpunkt Eigentümer war. Die Käuferin eines wertvollen Dressurpferdes verklagte erfolglos die Tierärzte, die das Pferd vor dem Erwerb behandelt hatten, auf Herausgabe von Röntgenaufnahmen und Behandlungsunterlagen (Landgericht Münster, Urteil vom 19.08.2022, 108 O 16/22).

Die Parteien hatten im Kaufvertrag vereinbart, dass die Käuferin vor Vertragsunterzeichnung die tierärztlichen Behandlungsunterlagen über das Pferd zur Verfügung gestellt bekommt. Der Verkäufer hat die diesbezüglich in Anspruch genommenen Tierärzte von der Schweigepflicht entbunden. Die Käuferin erhielt eine Behandlungsübersicht in Stichpunkten. Bevor ihr jedoch Einzelheiten mitgeteilt und Röntgenaufnahmen ausgehändigt wurden, widerrief der Verkäufer seine Einwilligung in die Weitergabe von Informationen durch die Tierärzte. Da die Käuferin nach dem Kauf jedoch massive Probleme mit dem Pferd hatte – dies zeigte Widersetzlichkeiten – und es medikamentös behandeln ließ, meinte sie, im Sinne des Tierwohls ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die vorherige tierärztliche Behandlung zu haben, um Erkenntnisse daraus zu gewinnen und auch die zukünftige Behandlung und Therapie des Pferdes darauf abzustimmen und verklagte die Tierärzte.

Das Gericht sah jedoch keinerlei gesetzliche oder vertragliche Grundlage für einen solchen Anspruch der Klägerin. Sie war nicht Auftraggeberin der seinerzeit stattgefundenen Behandlung, also hatte sie auch keinerlei Vertragsbeziehung zu diesen, aus der sich ein Anspruch hätte ergeben können. Der Anspruch, den der Verkäufer gegen die Tierärzte gehabt hätte, ist aber auch nicht mit dem Kaufvertrag auf die Käuferin übertragen worden. Die Käuferin hätte zudem möglicherweise gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen aus dem Kaufvertrag gehabt – diesen hätte sie zunächst geltend machen müssen. Die Klage wurde insofern abgewiesen.

Die Auskunftspflicht des Tierarztes gegenüber dem eigenen Auftraggeber über die Behandlung sowie das damit einhergehende Einsichtsrecht ergeben sich sowohl unmittelbar aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag als auch aus den §§ 809, 810 BGB. Dabei hat der Patienteneigentümer das Recht, unmittelbar in die Dokumentation, also auch in Röntgenaufnahmen etc… einzusehen. Er kann auch die Weiterleitung an einen weiterbehandelnden Tierarzt verlangen oder Duplikate oder Kopien gegen Kostenerstattung anfordern (OLG Köln, 11.11.2009, 5 U 77/09).

Die tierärztliche Schweigepflicht Dritten gegenüber ergibt sich aus § 5 der Berufsordnung für Tierärzte NRW und § 203 des Strafgesetzbuches. Die Übermittlung von Patientendaten an Dritte ist nur zulässig, wenn sie entweder durch eine gesetzliche Vorschrift, durch die Einwilligung des Patienten oder aber durch einen besonderen Rechtfertigungsgrund legitimiert ist. Die Weitergabe persönlicher Daten, z.B. im Zuge einer Überweisung, bedarf daher der Zustimmung des Patientenbesitzers. Werden Krankenblattunterlagen an weiterbehandelnde Tierärzte herausgegeben, muss der Tierarzt für die Rückführung der Krankenunterlagen selbst sorgen. Behandlungsdaten von Tieren stellen per se kein schützenswertes Geheimnis da, so dass Abrechnungsunterlagen grundsätzlich ohne Einwilligungserklärung an tierärztliche Verrechnungsstellen weitergegeben werden dürfen. Sollten die Daten im Einzelfall jedoch Rückschlüsse auf den Halter zulassen, sollte der Tierarzt im Zweifel die Forderung selbst geltend machen oder die vorherige Einwilligung des Patientenbesitzers einholen.

Das Recht zu Schweigen wiederum hat der Tierarzt in jedem Falle, da er keine Daten seiner Vertragspartner Dritten gegenüber preisgeben muss, was auch zivilrechtliche Nebenpflicht aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag ist. Diese kann aber entfallen, wenn der Tierarzt vor Gericht befragt wird – dann ist er zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet. Der Verstoß gegen die tierärztliche Schweigepflicht ist zwar im Strafgesetzbuch im Zusammenhang mit der ärztlichen Schweigepflicht normiert. Hintergrund dieses Gesetzes ist es jedoch, den persönlichen Geheimnisbereich des Menschen zu schützen. Im Hinblick darauf, dass auch Tiere auf Menschen übertragbare Krankheiten haben können, wurde der Tierarzt mit in den Kreis der Geheimnisträger aufgenommen. Zweck dieses Gesetzes war es aber nicht, wirtschaftliche Interessen von Verkäufern zu schützen, die beim Verkauf des Pferdes eine Vorerkrankung verschwiegen haben (LG Dortmund, 9.2.2006, 4 S 176/05). Gerät der Tierarzt in einen Interessenkonflikt hat auch hier die Musterberufsordnung der Tierärzte einen guten Tipp parat: „Im Zweifel soll sich der Tierarzt von der Tierärztekammer beraten lassen.“