BGH, Urteil vom 22.11.1971, III ZR 112/69

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 23. Mai 1969 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger ist Pächter von 6 künstlich angelegten Fischteichen in B, die bis 1966 mit Forellen, Karpfen, Schleien und – nach der Behauptung des Klägers – 20 Zandern besetzt waren. Die Teiche werden gespeist von einem Wasserlauf (Graben 2), der in einer Senke zwischen den beiden Gehöften des Verpächters, des Bauern Hermann S, und des Beklagten verläuft. In den Wasserlauf münden ein Graben (Graben 2 a) vom Hof S und zwei weitere Gräben (Graben 1 a und 1 c), die ihrerseits von einem nahe am Hof des Beklagten vorbeifließenden Graben (Graben 1) abzweigen. Der Graben 1 führt nach der Abzweigung der Gräben 1 a und 1 c weiter zu anderen, dem Beklagten gehörenden Fischteichen.

Am 23. August 1966 ging der Fischbestand des Klägers bis auf die Schleien und Zander ein. Eine Untersuchung mehrerer Wasserproben durch das niedersächsische Wasseruntersuchungsamt O ergab, daß die Teiche am 22./23. August 1966 durch biologisch abbaubare organische Schmutzstoffe übermäßig stark verunreinigt waren und daß durch den schnell einsetzenden aeroben Abbau der in dem Teichwasser gelöste Sauerstoff praktisch vollständig aufgezehrt wurde; der Sauerstoffmangel führte schlagartig zum Absterben der Fische.

Der Kläger macht den Beklagten für den Verlust seines Fischbestandes verantwortlich und nimmt ihn auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung: Das Fischsterben sei darauf zurückzuführen, daß vom Hof des Beklagten Jauche oder jaucheähnliche Stoffe in die Fischteiche gelangt seien. Insbesondere habe der Beklagte am Tag vor dem Fischsterben Hühnergülle (mit Wasser aufgeschwemmter Hühnerkot) von seinem Hof abgefahren; dabei seien erhebliche Mengen verschüttet und durch starke Regenfälle am 22./23. August 1966 in die zu den Fischteichen führenden Gräben geschwemmt worden.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn den Betrag nebst Zinsen zu zahlen, den das Gericht als angemessenen Schadensausgleich dafür festsetzt, daß der Beklagte am 23. August 1966 in den Vorfluter zu den Fischteichen des Klägers gefährliche Stoffe eingeleitet hat, wodurch der Fischbestand vernichtet ist.
Der Beklagte hat um Abweisung der Klage gebeten.
Er hat in Abrede gestellt, daß das Fischsterben durch Abwässer von seinem Hof verursacht worden sei, und hat geltend gemacht: Die in die Fischteiche des Klägers gelangten schädlichen Abwässer stammten vom Hof des Bauern S. Sollten auch von seinem, des Beklagten, Gehöft schädliche Stoffe in die Teiche gelangt sein, so sei dies auf den wolkenbruchartigen Regen vom 22./23. August 1966 zurückzuführen und damit ein Fall höherer Gewalt. Davon abgesehen treffe den Kläger ein Mitverschulden, da er die Fischteiche, noch dazu mit den besonders anfälligen Forellen, an einem Wasserlauf unterhalten habe, an dem in Hanglage zwei größere landwirtschaftliche Betriebe mit starker Viehhaltung lägen, bei denen immer mit schädlichen Abwässern gerechnet werden müsse. Im übrigen habe der Kläger auch keine wasserbehördliche Erlaubnis zum Aufstauen der Teiche besessen.
Das Landgericht hat die Klage nach § 22 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat eine Schadensersatzpflicht des Beklagten sowohl nach § 22 Abs. 1 oder 2 WHG als auch nach § 823 BGB verneint mit der Begründung: Der Kläger habe den ihm in beiden Fällen obliegenden Beweis nicht erbracht und könne ihn auch nicht führen, daß schädliche Stoffe vom Hof des Beklagten für das Fischsterben ursächlich geworden seien. Im einzelnen hat das Oberlandesgericht hierzu ausgeführt:

Die Beweisaufnahme habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß aus der Dunggrube am Schweinestall des Beklagten größere Mengen Jauche abgeflossen und durch die Gräben 1, 1 c und 2 in die Fischteiche des Klägers gelangt seien. Ebensowenig habe der Kläger nachweisen können, ob das Fischsterben darauf zurückgeführt werden müsse, daß die am 22. August 1966 auf dem Hof des Beklagten verschüttete Hühnergülle – infolge des starken Regens – in das Grabennetz geschwemmt worden und sodann in die Fischteiche gelangt sei. Nach den Analysen der am 23. August 1966 entnommenen Wasserproben stehe nur fest, daß das Wasser der Fischteiche durch biologisch abbaubare organische Schmutzstoffe verunreinigt gewesen sei. Über die Art dieser Schmutzstoffe ergäben die chemischen und physikalischen Untersuchungsergebnisse aber keine näheren Hinweise. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M spreche zwar die relativ starke Fäulnisfähigkeit der Wasserproben „mehr für Gülleeinleitung“; jedoch könne eine Verschmutzung des Wassers z.B. durch Silosickerwasser nicht ausgeschlossen werden. Damit seien mit der Frage nach der Beschaffenheit und Art der schädlichen Schmutzstoffe auch hinsichtlich der Herkunft dieser Stoffe alle Möglichkeiten offengeblieben, und den Kläger treffe die volle Beweislast für seine Behauptung, daß die Fische an einer Verunreinigung des Teichwassers durch Hühnergülle eingegangen seien. Diesen Beweis habe er nicht führen können.

Um ein für die Forellen tödliches Sauerstoffdefizit herbeizuführen, müßten nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen mindestens 236 l Hühnergülle mit einer organischen Verschmutzung von 20.000 mg/l BSB 5 (biochemischer Sauerstoffbedarf in fünf Tagen) in die Fischteiche eingeleitet worden sein. Demgegenüber behaupte der Kläger zwar unter Berufung auf die Ausführungen des Oberfischereirates Dr. J, daß bei entsprechend stärkerer organischer Verschmutzung schon 65 l Hühnergülle zum Tod der Forellen hätten führen können. Selbst diese Menge könne aber nach den Zeugenaussagen und mit Rücksicht darauf nicht in die Teiche gelangt sein, daß die auf dem Hof des Beklagten verschüttete Hühnergülle nur teilweise in den Graben 1 gespült worden sein könne und sodann durch mehrere Gräben in den die Fischteiche durch drei Einlaufröhren speisenden Graben 2 geflossen sein müßte.

Der Kläger könnte den Beklagten allerdings nach §§ 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WHG, 840 BGB auch dann auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn die von dem Gülleplatz des Beklagten stammenden Schmutzstoffe zwar nicht allein, wohl aber im Zusammenwirken mit anderen, etwa vom Hof S in den Graben 2 gelangten Stoffen das Fischsterben verursacht hätten. Auch ein solches für das Fischsterben ursächliches Zusammenwirken schädlicher Stoffe vom Hof des Beklagten und dem des Bauern S lasse sich indessen nicht feststellen.

Nach den tatsächlichen Umständen könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Fische an Schmutzstoffen nur von dem Hof S oder aus dem Graben 2 a eingegangen seien, da das Wasser an diesem Abhang einen kürzeren und steileren Weg zu dem Graben 2 gehabt habe als vom Hofe des Beklagten aus. Falls die Abwässer durch die starken Regenfälle stoßartig befördert worden seien, könne dies dazu geführt haben, daß zwei nacheinander folgende Abwässerstöße durch die Fischteiche gegangen seien, von denen schon der erste das Fischsterben verursachte. Unter diesen Umständen wäre eine Verstärkung der Verunreinigung des Teichwassers durch einen zweiten vom Hof des Beklagten stammenden Abwässerstoß für das Fischsterben nicht mehr ursächlich geworden.

Hierbei handele es sich indessen nur um eine der drei vom Landgericht angeführten Möglichkeiten, daß die für das Fischsterben ursächlichen Abfallprodukte entweder vom Hof des Beklagten oder von dem des Bauern S oder von beiden Höfen stammen könnten. Keine dieser Möglichkeiten lasse sich ausschließen und keine sei bewiesen. Die damit verbleibende Ungewißheit gehe zu Lasten des beweispflichtigen Klägers.

II.
Gegenüber diesen Ausführungen rügt die Revision in erster Linie eine Verletzung des § 22 WHG in Verbindung mit den Grundregeln des Beweisrechts. Sie macht dazu geltend: Die Voraussetzungen des § 22 WHG seien erfüllt. Das habe das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Grundsätze des Anscheinsbeweises und des § 287 ZPO verkannt. Nach diesen Grundsätzen müsse jedenfalls eine Mitverursachung durch den Beklagten angenommen werden, die zu seiner Haftung für das Fischsterben nach § 22 WHG führe.
Im übrigen hält die Revision auch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu §§ 823, 840 BGB für unzutreffend, zumal das Oberlandesgericht die Regelung des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht berücksichtigt und auch in diesem Zusammenhang die Beweisgrundsätze verkannt habe.

III.
Der Revision ist der Erfolg nicht zu versagen. Denn das Berufungsurteil wird der Bedeutung des § 22 WHG und der sich daraus ergebenden Beweislastregelung nicht gerecht.
1. § 22 WHG enthält eine Gefährdungshaftung (BGHZ 55, 180/183), die an die Veränderung der physikalischen, chemischen oder biologischen Wasserbeschaffenheit durch Einwirkungen auf das Wasser anknüpft. Dabei regelt Abs. 1 die Haftung für das nicht nur zufällige, sondern – nach den unterschiedlichen im Schrifttum vertretenen Auffassungen – mehr oder weniger subjektiv bewußte oder objektiv zielgerichtete „Einbringen“ oder „Einleiten“ von Stoffen (vgl. Gieseke-Wiedemann, Wasserhaushaltsgesetz 1963 § 22 Rdn. 3; Geigel, Haftpflichtprozeß 14. Aufl. 1969 Kap. 24 (zu § 22 WHG) Rdn. 9; s. auch BGHZ 55, 180 ff; 46, 17/19), während Abs. 2 das bloße, auch nur zufällige „Hineingelangen“ schädlicher Stoffe in das Wasser aus bestimmten „Anlagen“ erfaßt. Der Nachweis, daß tatsächlich schädliche Stoffe – aus dem Verantwortungsbereich des Inanspruchgenommenen – in das Wasser gelangt sind, ist in beiden Fällen selbstverständliche Voraussetzung der Haftung.
In diesem Punkt sind die Ausführungen des Berufungsgerichts in dem angefochtenen Urteil zwar nicht ganz klar und unmißverständlich. Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe ist jedoch die Feststellung zu entnehmen, daß jedenfalls Abwässer, die Hühnergülle enthielten, in nicht ganz unerheblichem Umfang vom Hof des Beklagten in die Fischteiche des Klägers gelangt sind.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts bieten allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß der Beklagte diese Abwässer in das Grabennetz und die Fischteiche des Klägers im Sinn des § 22 Abs. 1 WHG „eingebracht“ oder „eingeleitet“ hätte, gleichviel ob diese Handlungen in einem mehr subjektiv oder mehr objektiv zielgerichteten Sinn zu sehen sind. Das Berufungsgericht geht vielmehr offenbar davon aus, daß die auf dem Hof des Beklagten verschüttete Hühnergülle durch die starken Regenfälle in das Grabennetz geschwemmt wurde und sodann in die Fischteiche des Klägers abfloß.

2. Nach § 22 Abs. 2 WHG ist der Beklagte dem Kläger aber zum Ersatz des entstandenen Schadens dann verpflichtet, wenn von seinem Hof Schmutzstoffe, die die biologische Beschaffenheit des Wassers schädlich verändern konnten, aus einer Anlage, über die der Beklagte die tatsächliche Gewalt ausübte (Gieseke-Wiedemann aaO Rdn. 12; Burghartz, WHG und Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen 1962, § 22 WHG Anm. 5), und die dazu bestimmt war, derartige wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten, in die Fischteiche des Klägers gelangt sind (BGHZ 47, 1/8; Gieseke-Wiedemann aaO Rdn. 10; Larenz in VersR 1963, 593/604). Das Güllefaß, das mit einer Vacuum-Druckpumpe gefüllt und entleert sowie auf einem Trecker transportiert wurde, ist – ähnlich dem Benzinbehälter auf einem Tankwagen (BGHZ 47, 1 ff) – eine Anlage im Sinn des § 22 Abs.2 WHG. Dieser Begriff der Anlagen ist weit gefaßt (Larenz aaO S. 603). Es fallen darunter alle ortsfesten oder ortsveränderlichen Einrichtungen, mit denen im allgemeinen für eine gewisse Dauer bestimmte, in § 22 Abs. 2 WHG im einzelnen aufgeführte Zwecke mit technischen Mitteln verfolgt werden (BGHZ 47, 1/3; Witzel, Wasserhaushaltsgesetz 5.Aufl. 1964 § 22 Rdn. 4; Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht 10. Aufl. 1969 § 22 WHG Rdn. 831); also Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, in der dargelegten Weise wassergefährdende Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten. Diesen Voraussetzungen entspricht das Güllefaß. Es ist allgemein dazu bestimmt, von den landwirtschaftlichen Betrieben, an die es der Landmaschinen-Fachbetrieb B in A jeweils „ausleiht“, die Hühnergülle wegzubefördern, wobei es nach § 22 Abs. 2 WHG nicht erforderlich ist, daß die „Anlage“ den für die Wasserbeschaffenheit gefährlichen Stoff selbsttätig befördern müßte (BGH aaO). Aus dem Güllefaß sind – nach den insoweit in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts – bei dem wiederholten Abkuppeln der Einsaugleitung größere Mengen Hühnergülle ausgelaufen. Diese konnten infolge der Hanglage des Hofes und begünstigt durch die starken Regenfälle in das Grabennetz gelangen und von dort in die Fischteiche des Klägers geschwemmt werden. Daß die schädlichen Stoffe unmittelbar aus der Anlage in das Wasser gelangen müßten, setzt § 22 Abs. 2 WHG nicht voraus (Gieseke-Wiedemann aaO § 22 Rdn. 11; Witzel aaO § 22 Anm. 4). Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M ergibt, war die Hühnergülle auch grundsätzlich geeignet, die biologische Beschaffenheit des Wassers und seinen Sauerstoffgehalt zu verändern. Damit sind die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 WHG insoweit erfüllt, ohne daß dem Schadensersatzanspruch des Klägers das Fehlen einer wasserbehördlichen Erlaubnis zum Aufstauen der Fischteiche entgegenstünde (BGHZ 55, 180/186), zumal der Oberkreisdirektor des Landkreises B die Erteilung der Erlaubnis grundsätzlich in Aussicht gestellt hat.

3. Ob allerdings das Fischsterben ursächlich auf eine Verunreinigung des Wassers mit Hühnergülle vom Hof des Beklagten zurückzuführen war, hat das Berufungsgericht nicht feststellen können. Vielmehr hat es auch die Möglichkeit offengelassen, daß Abwässer vom Hof des Bauern S, und zwar aus einer Schweinesuhle, einem Misthaufen oder einem Silo, d.h. ebenfalls aus „Anlagen“ im Sinn des § 22 Abs. 2 WHG (Gieseke-Wiedemann aaO § 22 Rdn. 10), zur Vernichtung des Fischbestandes geführt haben. Danach können sowohl aus Anlagen auf dem Hof S als auch aus einer Anlage des Beklagten Stoffe in die Fischteiche des Klägers gelangt sein, durch die die biologische Beschaffenheit des Wassers in einer für die Fische tödlichen Form verändert wurde.

4. Hier greift die Regelung des § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WHG ein. Nach dieser Vorschrift, die auf § 22 Abs. 1 Satz 2 WHG verweist, haften, sofern aus mehreren Anlagen wassergefährdende Stoffe in ein Gewässer gelangen, die Inhaber der mehreren Anlagen für einen entstandenen Schaden als Gesamtschuldner. Der Geschädigte ist danach also berechtigt, den Inhaber einer einzelnen wassergefährdenden Anlage auf Ersatz des gesamten Schadens in Anspruch zu nehmen (§ 421 BGB), während der Inanspruchgenommene seinerseits darauf verwiesen ist, Ausgleichung bei den Inhabern der übrigen in Betracht kommenden schädigenden Anlagen zu suchen.

Ebenso wie § 22 Abs. 1 Satz 2 WHG die gesamtschuldnerische Gefährdungshaftung nur an die Tatsache der Vornahme mehrerer schädlicher Einwirkungen anknüpft, macht § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WHG die Haftung lediglich davon abhängig, daß aus mehreren Anlagen wassergefährliche Stoffe in das Wasser hineingelangt sind. Nur darauf, ob Stoffe, die zu einer Veränderung der physikalischen, chemischen oder biologischen Wasserbeschaffenheit führen, dem Gewässer aus mehreren Anlagen zugeleitet worden sind, wird in § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WHG abgestellt. Dem Geschädigten wird damit – wie sich hiernach schon aus dem Wortlaut ergibt – in den Fällen mehrfacher Einwirkungen nach § 22 WHG über den Nachweis einer gefährlichen Einwirkung hinaus nicht noch der Nachweis dafür auferlegt, daß die dem Wasser (von dem einzelnen Benutzer oder) aus der einzelnen Anlage zugeführten schädlichen Stoffe auch tatsächlich ursächlich für den eingetretenen Schaden waren. Das entspricht im übrigen erkennbar dem Inhalt und Zweck der gesetzlichen Regelung. Denn nur in diesem Sinn wird die Vorschrift des § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und entsprechend des § 22 Abs. 1 Satz 2 WHG den tatsächlichen Besonderheiten mehrfacher Einwirkungen auf ein Gewässer gerecht und trägt insbesondere dem Umstand hinreichend Rechnung, daß Schmutzstoffe, die in das Wasser gelangen, sich darin in der Regel sogleich mit anderen bereits im Wasser befindlichen schädlichen Stoffen vermischen und sich alsdann nicht mehr von anderen Schadensbeiträgen unterscheiden lassen. Da bei der großen Anzahl der auf die Gewässer einwirkenden Wasserbenutzer jede das Wasser verändernde Betätigung weitreichende Folgen haben kann, ohne daß sich häufig der volle Nachweis für die Kausalität des einzelnen schädigenden Beitrages erbringen läßt, erscheint die dargelegte Regelung der gesamtschuldnerischen Haftung auch unter diesem Gesichtspunkt nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Wasserrecht zutreffend und geboten (s. dazu Tratz und Willoweit in Betriebsberater 1968, 855/59).

Die Anknüpfung der gesamtschuldnerischen Haftung nur an die für die Wasserbeschaffenheit gefährliche einzelne Einwirkung im Sinn von § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 WHG kann allerdings zu einer Zurechnung fremder Tatbeiträge für die in Anspruch genommenen Wasserbenutzer führen. Diese Wasserbenutzer haben jedoch ihrerseits ein – schutzwertes – Interesse daran, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als sie überhaupt eine (Mit-) Verantwortung für den eingetretenen Schaden treffen kann. In ihrem Interesse muß daher die Haftungsausdehnung auf diejenigen Gefährdungstatbestände beschränkt werden, in deren Bereich die Schadensursache – etwa nach allgemeinen Erfahrungssätzen – tatsächlich liegen kann. Es kommt deshalb nicht uneingeschränkt eine Haftung jedes in irgendeiner Weise schädlich auf ein Gewässer Einwirkenden in Betracht. Vielmehr muß die Gefährdung, die er für die Veränderung der Wasserbeschaffenheit gesetzt hat – ihrer Art und den Umständen ihrer Einwirkung nach –, geeignet gewesen sein, den tatsächlich entstandenen Schaden – mit – zu verursachen. Das ist sowohl aus dem allgemeinen Sinn der in § 22 WHG getroffenen Regelung als auch aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WHG zu entnehmen. Danach ist – nur – derjenige Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, daß in ein Gewässer Stoffe gelangen, durch die seine physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit verändert wird. Ist also lediglich eine als Schadensursache in Betracht kommende Einwirkung auf das Wasser bekannt, so muß zwischen dieser gefährdenden Einwirkung, der Veränderung der Wasserbeschaffenheit und dem eingetretenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden. Für den Fall, daß mehrere die Einwirkungen vorgenommen haben oder aus mehreren Anlagen schädliche Stoffe in das Wasser gelangt sind – nur diese Fälle werden von der gesamtschuldnerischen Haftung erfaßt, nicht aber Fälle, in denen außer in das Wasser „eingeleiteten“ oder aus einer Anlage „hineingelangten“ schädlichen Stoffen weitere Schmutz- und Giftstoffe zufällig und nicht in einer der Formen des § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 WHG in das Gewässer gelangen –, ordnen zwar § 22 Abs. 1 Satz 2 und dementsprechend Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WHG die gesamtschuldnerische Haftung ohne weitere Einschränkung an. Auch diese Regelungen sind indessen im Zusammenhang mit den Sätzen 1 der Absätze 1 und 2 zu sehen, wenngleich unter Berücksichtigung der besonderen Umstände bei mehrfachen oft ununterscheidbaren Einzelbeiträgen zur Wasserverunreinigung. Das hat zur Folge, daß in den Fällen mehrfacher gefährlicher Einwirkungen auf ein Gewässer jedenfalls die Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem einzelnen Gefährdungsbeitrag, der Veränderung der Wasserbeschaffenheit und dem entstandenen Schaden gegeben sein muß, damit der für diesen Beitrag Verantwortliche zur – gesamtschuldnerischen – Haftung herangezogen werden kann. Eine weitergehende Verantwortlichkeit ließe sich zudem mit den allgemeinen Grundgedanken der Gefährdungshaftung nicht vereinbaren.

Unter diesem Gesichtspunkt scheiden als zur Herbeiführung des eingetretenen Schadens nicht geeignet zunächst alle diejenigen Einwirkungen auf das Wasser aus, die ihrer Art nach nicht ursächlich gewesen sein können, wie beispielsweise die Einführung chemischer Gifte in Fällen, in denen ein Fischbestand infolge biologischer Veränderung der Wasserbeschaffenheit vernichtet wurde, und Gefährdungshandlungen mit alkalisch verändernder Wirkung bei säurebedingtem Fischsterben. Darüber hinaus kann im Einzelfall der Nachweis eines zeitlichen, unter Umständen auch räumlichen Zusammenhanges zwischen der gefährdenden Einwirkung und dem aufgetretenen Schaden erforderlich sein (ähnlich wie ihn die Rechtsprechung zu § 830 Abs.1 Satz 2 BGB bisher forderte, s. BGHZ 25, 271/74 mit Nachweisen), der allerdings den Strömungsverhältnissen des Gewässers und den herrschenden Wetterbedingungen Rechnung tragen muß.

Wird unter Berücksichtigung dieser Umstände eine für die Wasserbeschaffenheit schädliche Einwirkung festgestellt, die geeignet war, den entstandenen Schaden, wenn auch unter Hinzutreten weiterer schädigender Maßnahmen, herbeizuführen, so ersetzt die nachgewiesene Eignung der Einwirkung als Haftungsgrundlage den sonst erforderlichen vollen Kausalitätsnachweis (vgl. hierzu Tratz und Willoweit aaO). Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 WHG enthält in diesem Sinn zugunsten des Geschädigten die Vermutung, daß ein Gefährdungsbeitrag, der den Schaden mitbewirkt haben könnte, ihn auch tatsächlich herbeigeführt habe.

Der Inanspruchgenommene kann die Vermutung widerlegen, wenn er nachweist, daß die von ihm zu vertretende Einwirkung auch bei Berücksichtigung des Zusammentreffens mit anderen Wirkungen unschädlich, also nicht ursächlich gewesen ist (vgl. Burghartz aaO § 22 WHG Anm. 3). Gelingt ihm der Entlastungsbeweis nicht, so haftet er dem Geschädigten als Gesamtschuldner für den vollen Schaden. Es ist ihm sodann überlassen, die übrigen ebenfalls als Schädiger in Betracht kommenden Einwirkenden oder Inhaber wassergefährdender Anlagen auf Ausgleichung in Anspruch zu nehmen. Damit trifft nicht den von schädlichen Einwirkungen Betroffenen die Last, die Schadensanteile der einzelnen möglichen Schädiger nachzuweisen, sondern die mehreren Schädiger müssen untereinander ihre Verantwortungsbeiträge abgrenzen und notfalls den Schaden zu gleichen Anteilen tragen (§ 426 Abs. 1 BGB). Diese Regelung trägt sowohl den tatsächlichen Verhältnissen bei Wasserverunreinigungen Rechnung als auch der Beweislage des Geschädigten und der in Betracht kommenden mehreren Schädiger.

5. Da das Oberlandesgericht hiernach bei Anwendung des § 22 WHG von einer unzutreffenden Beweislastregelung ausgegangen ist, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu den möglichen Schadensursachen vom Hof des Beklagten, des Bauern S oder von beiden Höfen nach den dargelegten Grundsätzen neu zu würdigen haben. Es wird darüber hinaus auch auf den vom Beklagten erhobenen Einwand höherer Gewalt (§ 22 Abs. 2 Satz 2 WHG) eingehen und sich gegebenenfalls mit der Frage eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB auseinandersetzen müssen. Diese Frage ist bereits im Verfahren über den Grund des Anspruchs zu behandeln (BGH VersR 1964, 45/46; BGHZ 1, 34/36).

Dem Berufungsgericht ist auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges zu übertragen, da sie von dem endgültigen Ausgang der Sache abhängt.