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BGH, Urteil vom 27. April 2016 – IV ZR 372/15

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juli 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einem privaten Krankenversicherungsvertrag und auf Feststellung dessen Fortbestehens in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht seit dem 1. Januar 2012 ein Vertrag, dem unter anderem „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung“ (MB/KK 2009) zugrunde liegen. Im Versicherungsantrag des Klägers vom 29. Dezember 2011 war den „Angaben zum Gesundheitszustand“ folgender fettgedruckter Hinweis vorangestellt:

„Die Gesundheitsfragen sind nach bestem Wissen sorgfältig, vollständig und richtig zu beantworten. Eine Verletzung Ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen. Bitte beachten Sie hierzu die Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Ziffer 12. der Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen.“
Der Kläger beantwortete die diesem Hinweis nachfolgenden Fragen „Fanden in den letzten 3 Jahren Untersuchungen oder Behandlungen statt?“ und „Wird eine Brille oder werden Kontaktlinsen getragen?“ mit ja und verneinte die restlichen Fragen. Erläuternd gab er zur ersten Frage „Vorsorgeuntersuchungen ohne Befund Juni 2010“ an. Ferner fand sich unter der Rubrik „Schlusserklärungen und Unterschriften“ mehrere Zeilen vor der Unterschriftsleiste der in Fettdruck verfasste „Hinweis: Bevor Sie den Antrag unterschreiben, lesen Sie bitte auch die Erklärungen auf den letzten Seiten. Sie enthalten unter anderem Ihre Erklärung zur generellen Entbindung von der Schweigepflicht (siehe Ziffer 8 a und c), Ihre Einwilligung nach dem Bundesdatenschutzgesetz (siehe Ziffer 9) und die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht (siehe Ziffer 12). Mit Ihrer Unterschrift machen Sie die Erklärungen zum Inhalt des Antrags.“

Die dem Antragsformular beigefügten „Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden Personen“ enthalten unter Ziffer 12 eine eingerahmte „Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht“. Dort heißt es unter anderem: „Welche vorvertraglichen Anzeigepflichten bestehen? (fettgedruckt) Sie sind … verpflichtet, alle Ihnen bekannten gefahrerheblichen Umstände, … vollständig anzuzeigen. … Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wird? (fettgedruckt)

1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes (fettgedruckt) – Verletzen Sie die vorvertragliche Anzeigepflicht, können wir vom Vertrag zurücktreten. Dies gilt nicht, wenn Sie nachweisen, dass weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Bei grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht haben wir kein Rücktrittsrecht, wenn wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätten. Sofern Versicherungsschutz nach dem Basistarif besteht, kann nur bei einer vorsätzlichen Verletzung der Anzeigepflicht zurückgetreten werden.

Im Fall des Rücktritts besteht kein Versicherungsschutz. …

3. Vertragsänderung (fettgedruckt) – Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätten, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. …“ Außerdem ließ sich die Beklagte vom Kläger eine zusätzliche „Erklärung zum Antrag“ unterschreiben, in der sich unter anderem folgender „Hinweis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht“ (fettgedruckt) befindet: „Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen. Bitte beachten Sie hierzu die Erklärungen auf den letzten Seiten Ihres Antrages. Sie enthalten u.a. die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht.“ Nach Vertragsschluss reichte der Kläger bei der Beklagten mehrere Rechnungen ein und verlangte deren Erstattung. Anlässlich der Überprüfung der Rechnungen holte die Beklagte verschiedene Arztberichte ein. Aus einem Arztbericht vom 20. Februar 2013 ergibt sich, dass der Kläger in jener Praxis im Zeitraum von März 2011 bis Mai 2011 fünfmal in ärztlicher Behandlung wegen anhaltender belastungsabhängiger brennender Schmerzen und Kribbelparästhesien an beiden Fußsohlen war. Diagnostiziert wurden eine Arthrose der Mittelfußgelenke mit Metatarsalgie beidseits bei Hohlfuß beidseits und Hallux Valgus beidseits sowie Spreizfuß beidseits, Osteochondrose, Spondylarthrose der unteren LWS und rheumafaktorpositive Oligoarthritis. Ferner befand sich der Kläger in internistischer Mitbehandlung bei einem Rheumatologen. In der Stellungnahme eines weiteren Arztes vom 13. Februar 2013 heißt es, dass der Kläger dort im Juni und Juli 2011 in Behandlung war und bei ihm eine hyperchrom makrozytäre Anämie und erhöhte Leberwerte festgestellt wurden. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 2. März 2013 den Rücktritt vom Vertrag und wiederholte diesen am 16. März 2013.

Das Landgericht hat die auf Zahlung nicht erstatteter Rechnungen in Höhe von 2.142,87 € nebst Zinsen sowie Feststellung, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag durch den seitens der Beklagten erklärten Rücktritt nicht aufgelöst wurde, sondern ab Beginn von Vergangenheit und Zukunft weiter fortbesteht, und Erstattung vorgerichtlicher Kosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt dieser sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2015, 1279 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die Beklagte sei gemäß § 19 Abs. 2 VVG wirksam vom Krankenversicherungsvertrag zurückgetreten. Der Kläger habe seine Anzeigepflicht schuldhaft dadurch verletzt, dass er die Frage nach Untersuchungen oder Behandlungen, die in den letzten drei Jahren vor Antragstellung stattgefunden hätten, mit dem bloßen Hinweis auf Vorsorgeuntersuchungen ohne Befund im Juni 2010 objektiv unrichtig beantwortet habe. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe ferner fest, dass die Falschangaben gefahrerheblich seien. Dem Kläger falle bezüglich dieser Angaben zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last. Die Auffassung, wonach bei einer unrichtigen Beantwortung von Gesundheitsfragen gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 VVG das Rücktrittsrecht des privaten Krankenversicherers ausgeschlossen sei, sofern die Grenze zum Vorsatz nicht überschritten, vielmehr nur grobe Fahrlässigkeit festzustellen sei, werde nicht geteilt. Zwar habe der Versicherer dem Versicherungsnehmer unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 Satz 1 und 2 VVG Versicherungsschutz im Basistarif zu gewähren und dürfe diesen Antrag nur unter den Voraussetzungen des § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG ablehnen. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, die Beklagte könne im Streit um die Wirksamkeit der Kündigung des vorliegenden Krankenversicherungsvertrages, der nicht im Basistarif geführt worden sei, nicht damit gehört werden, dass sie den Vertrag bei zutreffender Beantwortung ihrer Gesundheitsfragen mit dem Kläger nicht geschlossen hätte. § 19 Abs. 4 VVG erfasse den möglichen Tarifwechsel in den Basistarif nicht. „Andere Bedingungen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG seien Risikoausschlüsse, Prämienerhöhungen, Selbstbehalt, andere Laufzeiten sowie eine andere Versicherungssumme und setzten damit voraus, dass der abgeänderte Vertrag dem ursprünglichen Vertragstyp entspräche. Das sei beim Basistarif nicht der Fall. Schließlich sei auch das Belehrungserfordernis des § 19 Abs. 5 VVG eingehalten. Der Kläger habe eine Erklärung unterzeichnet, die unter der – durch Fettdruck hervorgehobenen – Überschrift „Hinweis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht“ einen Hinweis auf die Erklärungen auf den letzten Seiten des Versicherungsantrages enthalten habe. Hier finde sich in Ziffer 12 ein – durch Einrahmung hervorgehobener – Text, der die Rechtsfolgen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht ausführlich darstelle.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision zunächst geltend, die von der Beklagten verwendete Belehrung genüge nicht den Anforderungen des § 19 Abs. 5 Satz 1 VVG. Hiernach stehen dem Versicherer die Rechte nach den Absätzen 2 bis 4 nur zu, wenn er den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hat.

a) Der Senat hat bereits zu § 28 Abs. 4 VVG entschieden, dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform genüge es, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers in einen Fragebogen oder ein sonstiges Schreiben aufnimmt, in welchen dem Versicherungsnehmer Fragen zur Aufklärung des Versicherungsfalles gestellt werden (Urteil vom 9. Januar 2013 – IV ZR 197/11, BGHZ 196, 67 Rn. 15). Einer von sonstigen Erklärungen getrennten Urkunde bedarf es für die gesonderte Mitteilung in Textform nicht. Entsprechendes gilt auch für die Regelung in § 19 Abs. 5 VVG. Allerdings muss die Belehrung in diesen Fällen drucktechnisch so gestaltet sein, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann (Senatsurteil aaO Rn. 24).

Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt sind. Im Antragsformular verweist die Beklagte zunächst im Fettdruck unmittelbar vor den Gesundheitsfragen darauf, dass eine Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Versicherer zum Rücktritt, zur Kündigung oder zur Vertragsanpassung berechtigen kann. Hierzu wird auf die näheren Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 5 VVG unter Ziffer 12 der Erklärungen des Antragstellers verwiesen. In der ebenfalls im Antragsformular enthaltenen Rubrik „Schlusserklärungen und Unterschriften“ erfolgt ein weiterer in Fettdruck gehaltener Hinweis auf die „letzten Seiten“ und die dort enthaltenen Erklärungen zu den Folgen der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht. Hierzu nimmt die Beklagte erneut auch ausdrücklich auf Ziffer 12 der dem Antragsformular beigefügten Erklärungen Bezug. In diesen selbst werden sodann die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der der Beklagten zustehenden Rechte gemäß § 19 Abs. 2 bis 4 VVG im Einzelnen geschildert. Dieser Hinweis ist mit einem schwarzen Rahmen umrandet. Ferner sind die Überschrift zu Ziffer 12 sowie im weiteren Text der Hinweis auf die Folgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht einschließlich unter anderem der Zwischenüberschriften „Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes“ und „Vertragsänderung“ fettgedruckt.

Zusätzlich hat die Beklagte den Kläger in der von ihm unterschriebenen „Erklärung zum Antrag“ in einem gesonderten „Hinweis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht“ erneut darauf aufmerksam gemacht, dass die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht den Versicherer zum Rücktritt oder zur Kündigung oder zu einer Vertragsanpassung berechtigen kann. Hierzu hat sie wiederum auf die Erklärungen auf den „letzten Seiten“ des Antrags zu § 19 Abs. 5 VVG verwiesen. Die Überschrift „Hinweis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht“ ist fettgedruckt. Die besondere Bedeutung dieser Erklärung wird dem Versicherungsnehmer dadurch verdeutlicht, dass er neben dem eigentlichen Versicherungsantrag noch zusätzlich diese Erklärung zum Antrag zu unterschreiben hat.

Die Beklagte hat den Kläger auf diese Weise mehrfach in drucktechnisch hervorgehobener Form auf die ihr bei Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zustehenden Rechte hingewiesen. Eine derartige „Doppelbelehrung“, in der der Versicherer zunächst unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit den gestellten Gesundheitsfragen (und hier ergänzend durch eine gesondert zu unterschreibende Erklärung) auf die möglichen Folgen der Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht allgemein hinweist und diese sodann an einer genau bezeichneten Stelle im Einzelnen erläutert, ist mit dem Belehrungserfordernis des § 19 Abs. 5 VVG vereinbar (vgl. hierzu OLG München r+s 2016, 68 Rn. 4-6; Beschluss vom 8. September 2015, VersR 2016, 515; anders OLG Hamm VersR 2016, 103 unter 1).

b) Auch inhaltlich ist die Belehrung in Ziffer 12 der dem Antragsformular beigefügten Erklärungen nicht zu beanstanden.

aa) Der Wirksamkeit der Belehrung steht es nicht entgegen, dass bei der Darstellung der Rechtsfolgen der Vertragsanpassung nicht ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass kein Versicherungsschutz für einen bereits eingetretenen Versicherungsfall besteht, wenn durch Vertragsanpassung rückwirkend ein Risikoausschluss Vertragsbestandteil wird, der ein Risiko betrifft, das sich sodann in dem eingetretenen Versicherungsfall realisiert hat (KG VersR 2014, 1357 unter (1) b; OLG München VersR 2016, 515 Rn. 7; a.A. LG Dortmund NJW-RR 2013, 1371 Rn. 44; r+s 2013, 322 Rn. 15-18; Urteil vom 10. März 2011 – 2 O 105/10, juris Rn. 30). Zwar fehlt – worauf die Revision zutreffend hinweist – in der Belehrung anders als beim Rücktritt ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass der Versicherungsschutz auch rückwirkend verlorengehen kann. Dies vermittelt dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aber nicht den Eindruck, dass es hierzu bei der rückwirkenden Vertragsanpassung im Umkehrschluss nicht kommt. Vielmehr wird für ihn durch den ausdrücklichen Hinweis, dass bei fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil werden, hinreichend deutlich, dass er nicht nur im Falle des Rücktritts seinen Versicherungsschutz für die Vergangenheit verlieren kann, sondern auch die Gefahr der rückwirkenden Einführung eines Risikoausschlusses besteht, was dann zwangsläufig mit dem Verlust des Versicherungsschutzes für bereits eingetretene Versicherungsfälle verbunden ist.

bb) Soweit die Beklagte in Ziffer 12 der dem Antragsformular beigefügten Erklärungen ferner darauf verweist, im Falle von Versicherungsschutz nach dem Basistarif könne der Versicherer nur bei einer vorsätzlichen Verletzung der Anzeigepflicht vom Vertrag zurücktreten, kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob diese Belehrung richtig ist, da für den Kläger zu keinem Zeitpunkt Versicherungsschutz im Basistarif bestand. Er war von vornherein in einem anderen Tarif versichert. Die insoweit erteilte Belehrung betrifft hier mithin einen anderen, strukturell nicht vergleichbaren Vertragstyp (nachfolgend unter 2.).

2. Dem Rücktrittsrecht der Beklagten steht auch nicht § 19 Abs. 4 VVG entgegen. Hiernach ist das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht ausgeschlossen, sofern er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil. Gemäß § 194 Abs. 1 Satz 3 VVG ist § 19 Abs. 4 VVG auf die Krankenversicherung nur dann nicht anzuwenden, wenn der Versicherungsnehmer – wie hier nicht – die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat.

a) Unterschiedlich beurteilt wird, ob das Rücktrittsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers ausgeschlossen ist, wenn der Versicherer verpflichtet ist, dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz im Basistarif zu gewähren. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass der Versicherer in diesen Fällen nur bei vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung zum Rücktritt berechtigt ist, weil die Versicherung im Basistarif zu den „anderen Bedingungen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG zähle (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 19. Januar 2011 – 7 U 77/10, juris Rn. 38-40; LG Kiel, Urteil vom 23. November 2012 – 5 O 46/12, juris Rn. 40; FA-Komm/Pilz/Gramse, § 19 Rn. 134; Laux in jurisPR-VersR 11/2014 Anm. 6). Begründet wird dies damit, dass der Versicherer den Antrag auf Versicherungsschutz im Basistarif gemäß § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG nur ablehnen dürfe, wenn dem Antragsteller zumindest eine vorsätzliche Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zur Last falle. Bei einer grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung stünden dem Versicherer die Rechte aus § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG nicht zu, so dass er verpflichtet sei, den Versicherungsnehmer in einem derartigen Fall gemäß § 19 Abs. 4 VVG zu den anderen Bedingungen im Sinne des Basistarifs zu versichern.

Das Berufungsgericht sowie das Landgericht Dortmund (r+s 2015, 244) vertreten demgegenüber die Auffassung, der Kontrahierungszwang des Krankenversicherers zum Abschluss einer Versicherung im Basistarif schließe auch bei grob fahrlässiger Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten das Rücktrittsrecht nicht im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG aus.

b) Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu. Hierfür sprechen zunächst Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelungen. Das Gesetz schließt nicht jede Möglichkeit des Versicherers aus, sich von einem Krankenversicherungsvertrag auch dann zu lösen, wenn mit diesem eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt wird. So finden wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten weiterhin die §§ 19 ff., 22 VVG Anwendung. Sie erfahren lediglich gemäß § 194 Abs. 1 Satz 3 VVG eine Modifikation dahin, dass § 19 Abs. 4 VVG auf die Krankenversicherung nicht anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer die Verletzung der Anzeigepflicht nicht zu vertreten hat (vgl. hierzu Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 50/11, VersR 2012, 219 Rn. 22). Eine Beschränkung des Rücktrittsrechts auf Fälle vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung enthalten die §§ 19 ff., 194 Abs. 1 Satz 3 VVG demgegenüber nicht.

Ferner umfasst der Begriff der „anderen Bedingungen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG den Vertragsschluss im Basistarif von vornherein nicht. § 19 Abs. 4 VVG knüpft an die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 und 2 VVG hinsichtlich der anzugebenden gefahrerheblichen Umstände an. Es handelt sich mithin um verschwiegene oder falsch angegebene Gefahrumstände, bei deren richtiger Kenntnis der Versicherer den Vertrag gar nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätte. Um solche vertragsändernden Umstände geht es beim Basistarif nicht, da bei diesem – mit Ausnahme von § 203 Abs. 1 Satz 3 VVG – keine Risikoprüfung im Rahmen der Entscheidung über die Annahme des Antrages stattfindet. Unter „anderen Bedingungen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG sind vielmehr Risikoausschlüsse, Prämienerhöhungen, Selbstbehalte, andere Laufzeiten, andere Versicherungssummen oder ähnliches zu verstehen (LG Dortmund r+s 2015, 244 unter V 1; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. § 19 Rn. 115).

Der Basistarif stellt gegenüber den übrigen Tarifen in der privaten Krankenversicherung einen anderen Vertragstyp dar, so dass nicht von „anderen Bedingungen“ im Sinne von § 19 Abs. 4 VVG gesprochen werden kann (vgl. LG Dortmund aaO). Hierbei spielt es – anders als die Revision meint – keine Rolle, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die Möglichkeit eines Wechsels zwischen Basistarif und Normaltarifen bei bestehendem Versicherungsverhältnis in der privaten Krankenversicherung eröffnet. Mit dem Tarifwechselrecht des § 204 VVG wird aus sozialen Gründen bezweckt, insbesondere älteren Versicherungsnehmern bei Schließung ihres Tarifs die Möglichkeit zu eröffnen, eingetretene Kostensteigerungen durch einen Wechsel in einen anderen Tarif zu vermeiden (Senatsurteile vom 15. Juli 2015 – IV ZR 70/15, VersR 2015, 1012 Rn. 8; vom 12. September 2012 – IV ZR 28/12, VersR 2012, 1422 Rn. 7). Das ändert indessen nichts daran, dass zwischen der Versicherung im Basistarif und den Normaltarifen in der privaten Krankenversicherung strukturelle Unterschiede bestehen. Für den Basistarif im Sinne von § 12 Abs. 1a VAG a.F. (ab 1. Januar 2016: § 152 VAG) sieht der Gesetzgeber bestimmte Vertragsinhalte vor, die bei anderen Krankenversicherungsverträgen der privatautonomen Gestaltung der Parteien überlassen sind. Lediglich für den Basistarif besteht ein Kontrahierungszwang des Versicherers nach § 193 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 VVG. Bei diesem ist ferner – wie schon ausgeführt – gemäß § 203 Abs. 1 Satz 3 VVG nur eine eingeschränkte Risikoprüfung zulässig, soweit sie für Zwecke des Risikoausgleichs nach § 12g VAG (ab 1. Januar 2016: § 154 VAG) oder für spätere Tarifwechsel erforderlich ist. § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 4 und 5 VVG enthält schließlich Sonderregelungen für den Wechsel des Tarifs vom Basistarif in einen anderen Tarif und umgekehrt (vgl. ergänzend § 20 MB/KK 2009).

Die Gegenauffassung hätte zur Folge, dass der Versicherer zu einem Abschluss des Vertrages im Basistarif verpflichtet wird, obwohl der Versicherungsnehmer einen derartigen Antrag zu keinem Zeitpunkt gestellt hat. Auch hier hat der Kläger weder bei der ursprünglichen Antragstellung noch anlässlich des Rücktritts der Beklagten vom Vertrag den Abschluss einer Versicherung im Basistarif beantragt. Soweit die Revision geltend macht, auf gebotene Nachfrage in der Berufungsinstanz hätte er einen solchen Antrag gestellt, vermag dies einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nicht zu begründen. Dieses war gemäß § 139 ZPO nicht verpflichtet, den Kläger danach zu befragen, ob er, falls die Beklagte wegen Falschangaben wirksam vom Vertrag zurückgetreten sein sollte, bei ihr oder bei einem anderen Versicherer einen Vertrag im Basistarif schließen wolle. So hat der Kläger auch auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom 3. November 2014 unter anderem zur Problematik des § 19 Abs. 4 VVG in keiner Weise reagiert und selbst nicht geltend gemacht, zumindest im Basistarif bei der Beklagten weiterversichert werden zu wollen.

Der Kläger wird durch den Rücktritt der Beklagten im Übrigen auch nicht schutzlos gestellt. Den Interessen des Versicherungsnehmers wird dadurch Rechnung getragen, dass diesem gemäß § 193 Abs. 5 VVG ein Anspruch zusteht, bei jedem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen im Basistarif versichert zu werden (Senatsurteile vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 105/11, BGHZ 192, 67 Rn. 38; IV ZR 50/11, VersR 2012, 219 Rn. 24). Der Kläger kann entweder bei einem anderen Versicherer einen Antrag auf Aufnahme in den Basistarif stellen oder auch von der Beklagten den Neuabschluss eines Vertrages im Basistarif verlangen, sofern sich diese nicht auf die Ablehnungsgründe des § 193 Abs. 5 Satz 4 VVG berufen kann. Der Rücktritt der Beklagten von dem zwischen den Parteien gerade nicht im Basistarif geschlossenen Vertrag bleibt – entgegen der Revision – hiervon unberührt.

Gegen eine Beschränkung des Rücktrittsrechts des Versicherers über den Wortlaut der § 19 Abs. 4, § 194 Abs. 1 Satz 3 VVG hinaus sprechen schließlich auch praktische Gründe (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 – IV ZR 105/11, BGHZ 192, 67 Rn. 39 für den Fall der fristlosen Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages). Der Versicherer müsste im Falle einer grob fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht seinen Rücktritt vom Vertrag auf den Teil beschränken, der über den Basistarif hinausgeht. Hierzu müssten in der Rücktrittserklärung jeweils die Tarife genannt werden, auf die sich der Rücktritt bezieht und diejenigen, die weiter im Basistarif bestehen bleiben. Für diesen Teil des Vertrages, der den Basistarif abdeckt, bestünde ein Rücktrittsrecht nur im Falle vorsätzlichen Handelns des Versicherungsnehmers. Eine derartige Differenzierung nach verschiedenen Arten des Tarifs sowie unterschiedlichen Schuldformen trüge zur Übersichtlichkeit und Verständlichkeit nicht bei, sondern begründete die Gefahr, dass ein im Übrigen berechtigter Rücktritt aus formalen Gründen unwirksam wäre.