BGH, Urteil vom 30.05.1974, III ZR 190/71

Tatbestand

Im Juni 1968 liefen im Metallveredelungsbetrieb der Firma F. (Beklagte zu 3) etwa 1.000 l Zyanidlösung aus, weil eine Pumpe undicht geworden war. Die giftige Lösung floß durch die für Schmutz- und Ab*-wässer vorgesehene Rinne auf dem Betriebsgrundstück in die Kanalisation der Gemeinde D. (Beklagte zu 1). Von dort gelangte sie teils unmittelbar, teils über einen vom Wupperverband (Bekl zu 2) eingerichteten und unterhaltenen Klärteich in den Linneferbach und von dort in die Dhünn. Das hatte zur Folge, daß in einer Forellenzuchtanstalt, die ihr Wasser aus der Dhünn erhält, ein großer Teil des Fischbestandes einging.
Der Inhaber der Forellenzuchtanstalt fordert von den Beklagten als Gesamtschuldnern Ersatz des durch den Verlust der Fische entstandenen Schadens.
Land- und Oberlandesgericht haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Von den Revisionen der Beklagten hatte nur die des Wupperverbandes Erfolg.

Entscheidungsgründe

I. 1. Zur Revision der Fa F.:
Das Berufungsgericht geht mit Recht davon aus, daß diese Beklagte den Haftungstatbestand des § 22 Abs 2 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) erfüllt hat, der kein Verschulden voraussetzt. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß der Schaden nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist. Die Haftung dieser Beklagten entfällt deshalb nicht nach § 22 Abs 2 Satz 2 WHG.

a) Ohne Bedeutung ist es, daß die Beklagte keine Handlung vorgenommen hat, die objektiv darauf gerichtet war, die giftige Flüssigkeit in die gemeindliche Kanalisation gelangen zu lassen. Für die Haftung aus § 22 Abs 2 WHG ist eine solche Handlung nicht erforderlich; es genügt, daß die Giftstoffe aus der Fabrikationsanlage der Beklagten in die Dhünn gelangt sind. Ebensowenig steht der Haftung entgegen, daß dies nicht unmittelbar geschehen ist, sondern die Lösung die Kanalisation der Gemeinde, den Linneferbach und teilweise den Klärteich des Wupperverbandes durchflossen hat, bevor sie die Dhünn erreichte. Wortlaut und Zweck des § 22 Abs 2 Satz 1 WHG fordern, daß auch gehaftet wird, wenn aus einer Anlage ausgelaufene Giftstoffe nicht unmittelbar, sondern über eine andere Anlage, wie die gemeindliche Kanalisation – die kein Gewässer ist -, entsprechend deren Bestimmung und Einrichtung in ein Gewässer gelangen und dort Schaden anrichten. Der Senat hat bereits in seinem Urteil BGHZ 57, 257, 260 ausgesprochen, § 22 Abs 2 WHG setze nicht voraus, daß die schädlichen Stoffe unmittelbar aus der Anlage ins Wasser gelangt sein müßten; hieran ist festzuhalten.

Allerdings wird von Gieseke/Wiederman, WHG, 2. Aufl § 22 Rdn 4d (mit weiteren Nachweisen – offen gelassen in BGHZ 55, 180, 184) die Ansicht vertreten, wenn in einem Gewässer durch eingeleitete Kanalisationsabwässer Schäden angerichtet würden, die gerade auf die Beimengung bestimmter industrieller Abwässer zurückzuführen seien, sei deren Urheber Dritten gegenüber nicht aus § 22 WHG schadensersatzpflichtig; denn nicht er, sondern die Gemeinde leite in das Gewässer ein; der ursächliche Zusammenhang zwischen seiner Handlung und dem Hineingelangen in das Gewässer sei durch das Einleiten der Gemeinde unterbrochen. Dem kann mindestens für Fälle der vorliegenden Art nicht gefolgt werden. Weder wird der natürliche Geschehensablauf dadurch unterbrochen, daß die Abwässer aus der Kanalisation in ein Gewässer geleitet werden, denn das ist die Regel, noch führt die allenfalls fahrlässige, wenn nicht schuldlose Handlung der Gemeinde zu einer Unterbrechung des ursächlichen Zusammenhanges im Rechtssinne (BGB-RGRK, 12. Aufl Vorbemerkung Rdn 20; Palandt, BGB 33. Aufl Vorbemerkung 5e bb jeweils vor § 249). Anderenfalls würde gerade derjenige, der die erste und wesentlichste Schadensursache gesetzt hat, nicht nach § 22 WHG, sondern nur nach den allgemeinen Bestimmungen haften, also haftungsfrei bleiben, wenn ihm ein Verschulden nicht nachgewiesen werden könnte oder wenn ihm gegebenenfalls der Entlastungsbeweis des § 831 Abs 1 Satz 2 BGB gelänge. Das kann nicht der Sinn des Gesetzes sein (wie hier: OLG Karlsruhe NJW 1966, 559; VersR 1967, 487; OLG Celle VersR 1968, 651; Wilts, VersR 1968, 516; Schullan, VersR 1970, 308; Köhler, DRiZ 1972, 17, 18; Otto, DVBl 1963, 323). Wie noch auszuführen sein wird, ist auch die Haftung desjenigen, der schädliche Stoffe in ein Gewässer einleitet (§ 22 Abs 1 WHG), nicht auf die Schäden beschränkt, die die Schadstoffe in dem unmittelbar betroffenen Gewässer verursachen.

b) Den Begriff der höheren Gewalt hat das Berufungsgericht nicht zu eng gesehen. Er ist im Falle des § 22 Abs 2 Satz 2 WHG nicht anders auszulegen, als dies durch die Rechtsprechung im Fall des § 1a Abs 2 Nr 3 des Haftpflichtgesetzes geschehen ist (BGHZ 7, 338 mwN; LM § 1a HaftpflG Nr 2). Als höhere Gewalt ist auch hier nur ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis anzuerkennen, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nicht vorhersehbar ist und mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann. Es ist einzuräumen, daß diese enge Auslegung des Begriffs der höheren Gewalt zu schwerwiegenden Folgen für einen Betriebsinhaber führen kann, den kein Verschulden trifft; dies um so sehr, als § 22 WHG im Gegensatz zu andern Gesetzen, die eine Gefährdungshaftung vorsehen, die Haftung nicht begrenzt. Indessen hat der Gesetzgeber, dem die angeführte bereits vom Reichsgericht eingeleitete Rechtsprechung bekannt war, dies bewußt in Kauf genommen. Wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, handelt es sich bei dem Austritt der giftigen Flüssigkeit um die Verwirklichung einer typischen Betriebsgefahr. Denn daß Behälter, Leitungen, Pumpen usw undicht werden, sei es durch Materialfehler, Verschleiß, Beschädigung oder Fehler bei der Bedienung, Wartung oder Reparatur, kommt immer wieder vor und ist niemals ganz auszuschließen. Es hätte deshalb für diesen Fall Vorsorge getroffen und insbesondere verhindert werden müssen, daß aus der Fabrikationsanlage austretende Flüssigkeiten in die Kanalisation gelangen konnten. Es ist nicht vorgetragen, daß in dieser Hinsicht alles Mögliche geschehen, zB eine Katastrophenwanne zum Auffangen austretender Flüssigkeiten eingerichtet gewesen sei. Mit Recht gelangt daher das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß weder ein betriebsfremdes Ereignis vorlag noch die äußerste zu erwartende Sorgfalt angewendet wurde.

2. Zur Revision der Gemeinde:
Das Berufungsgericht hält die Gemeinde mit Recht für haftbar nach § 22 Abs 1 Satz 1 WHG.

a) Wie es zutreffend darlegt, entfällt diese Haftung nicht deshalb, weil die Gemeinde ihre Kanalisation hoheitlich betreibt. Nach ständiger Rechtsprechung (BGHZ 55, 180, 183 m Nachw) tritt die Gefährdungshaftung nach Sondergesetzen neben die allgemeine Verschuldenshaftung. Das gilt auch für die Haftung aus Amtspflichtverletzung. Es ist deshalb ohne Belang, wenn die Gemeinde diese Haftung deshalb abwehren könnte, weil der Kläger möglicherweise anderweit, nämlich bei der Firma F., Ersatz erlangen kann (§ 839 Abs 1 Satz 2 BGB). Diese Ausnahmebestimmung kann nicht auf Ansprüche nach § 22 WHG angewendet werden (vgl BGH LM § 77 BLG Nr 3 = NJW 1966, 881).

b) Die Haftung aus § 22 Abs 1 WHG begründet das Berufungsgericht damit, daß die Gemeinde die aus dem Betrieb F. stammenden Giftstoffe mit ihren Abwässern in die Dhünn habe gelangen lassen; soweit die gifthaltigen Stoffe ohne Durchlaufen des Klärteichs aus der gemeindlichen Kanalisation in den Linneferbach und von dort in die Dhünn gelangt seien, habe die Gemeinde sie im Sinne des § 22 Abs 1 WHG unmittelbar in das geschützte Gewässer eingeleitet; soweit die Abwässer vor ihrem Einfließen in den Linneferbach und die Dhünn den Klärteich des Wupperverbandes durchlaufen hätten, sei die beklagte Gemeinde mittelbare Einleiterin. Auf diese Unterscheidung komme es jedoch im Ergebnis nicht an.
Dagegen wendet sich die Revision der Gemeinde ohne Erfolg.

c) Die Gemeinde hat ihr Abwasser in den Linneferbach und in den Klärteich des Wupperverbandes geleitet. Beim Einleiten von Abwasser ist dieses als ganzes der Stoff, der eingeleitet wird, nicht die darin enthaltenen Bestandteile, die sich im Wasser gelöst oder mit ihm vermischt haben (BGHZ 55, 180, 184; Gieseke/Wiedemann aaO Rdn 4; Wernicke, NJW 1964, 910, 911). Die Gemeinde kann daher nicht geltend machen, sie habe die Giftstoffe nicht eingeleitet. Die umstrittene und vom Senat bisher offengelassene Frage, ob unter „Einleiten“ im Sinne des § 22 Abs 1 WHG ein bewußt auf dieses Ziel gerichtetes Handeln zu verstehen ist, oder ob ein Verhalten genügt, das nur nach seiner objektiven Eignung auf das Hineingelangen gerichtet ist (vgl BGHZ 57, 170, 173 m Nachw), bedarf daher auch hier keiner Erörterung (vgl hierzu neuerdings das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. November 1973 – IV C 44/69 – DÖV 1974, 207 = NJW 1974, 815).

Der Haftung der Gemeinde steht nicht entgegen, daß ihre Abwässer nicht unmittelbar, sondern über den Linneferbach und den Klärteich in die Dhünn gelangten. Rechtsprechung und Schrifttum haben sich mit der Verantwortlichkeit des mittelbar Einleitenden hauptsächlich hinsichtlich der Frage befaßt, ob derjenige, der in eine gemeindliche Kanalisation, die kein Gewässer im Sinne der §§ 22, 1 WHG ist, Schadstoffe einleitet oder einbringt, nach § 38 Abs 1 Nr 1 WHG strafrechtlich belangt oder nach § 22 Abs 1 WHG zum Schadensersatz herangezogen werden kann (siehe oben unter 1a). Hier geht es um mittelbare Einleitung dergestalt, daß der Schaden nicht schon durch die Vergiftung der Gewässer, in die die Gemeinde ihre Abwässer unmittelbar eingeleitet hat, nämlich des Linneferbachs und des Klärteichs (falls es sich bei diesem um ein Gewässer und nicht um eine Anlage handelt), sondern dadurch eingetreten ist, daß die Giftstoffe in ein weiteres Gewässer, die Dhünn, gelangt sind. Jedenfalls bei einer solchen Sachlage wird auch aus mittelbarer Einleitung von Schadstoffen nach § 22 Abs 1 WHG gehaftet. Wie der Senat in seinem Urteil in BGHZ 57, 170, 173 ausgeführt hat, ist eine Haftung des Einleitenden möglich, wenn mit Krankheitskeimen durchsetzte Abwässer in ein fließendes Gewässer eingeleitet werden, die Keime von dort durch Versickerung ins Grundwasser gelangen und deshalb ein mit Grundwasser gespeister Brunnen außer Betrieb gesetzt werden muß. Damit hat der Senat bereits entschieden, daß der Einleitende auch haftet, wenn die eingeleiteten Stoffe erst dann Schaden stiften, nachdem sie aus dem zunächst betroffenen Gewässer in ein anderes gelangt sind. Auch hier gilt die allgemeine Erwägung – mag sie auch für den vorliegenden Fall ohne entscheidende Bedeutung sein -, daß anderenfalls gerade derjenige, der die erste und entscheidende Schadensursache gesetzt hat, von der Haftung frei sein könnte. Das wäre mit Sinn und Zweck des Gesetzes unvereinbar. Die Gemeinde kann sich auch nicht darauf berufen, daß die Giftstoffe ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen in die Kanalisation gelangt sind. Wie der Senat in seinem Urteil in BGHZ 55, 180, 183/4 (s auch Anm Arndt zu dieser Entscheidung in LM § 22 wasserhaushaltsG Nr 5) ausgesprochen hat, verlangt das „Einbringen oder Einleiten“ im Sinne des Abs 1 zwar mehr als das auch nur zufällige „Hineingelangen“ des Abs 2. Indessen liegt hier, wie ausgeführt, ein bewußtes Einleiten der Abwässer samt der in ihnen gelösten oder mit ihnen vermischten Giftstoffe vor. Die Frage, ob und wie etwa der Begriff des Einleitens im übrigen einzuschränken sei, ist deshalb hier ohne Belang.
Ebensowenig kann die Gemeinde geltend machen, der Schaden sei durch höhere Gewalt verursacht.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 11. Januar 1971 – III ZR 217/68, – insoweit in BGHZ 55, 180 nicht, wohl aber in VersR 1971, 420, 423 mit abgedruckt – beiläufig ausgesprochen, daß im Falle des § 22 Abs 1 WHG die Haftung für höhere Gewalt nicht ausgeschlossen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob an dieser Auffassung, die zu einer sehr weitgehenden Haftung führen kann, festzuhalten ist. Jedenfalls lagen die oben aufgezeigten Voraussetzungen der höheren Gewalt hier bei der Gemeinde nicht vor. Weder handelte es sich um ein betriebsfremdes Ereignis, wenn aus einem an die Kanalisation angeschlossenen Unternehmen ausgelaufene Flüssigkeiten in diese gelangten, noch haben die Bediensteten der Gemeinde die äußerste zu erwartende Vorsicht walten lassen.

Wie der Senat in seinem erwähnten Urteil BGHZ 55, 180, 183ff ausgeführt hat, muß eine Gemeinde nach der Erfahrung des Lebens angesichts der menschlichen Unzulänglichkeiten und der Eigenart einer Abwässerleitung damit rechnen, daß Benutzer der Anlage auch schädliche Stoffe in die Kanalisation gelangen lassen, und ebenfalls damit, daß dies ohne Verschulden der Benutzer durch Versagen von Vorrichtungen oder aufgrund sonstiger vom Willen der Benutzer unabhängiger Umstände eintritt.

Der hier vorliegende Sachverhalt weicht von dem nicht entscheidend ab, der jenem Urteil zugrunde liegt. Wie das Berufungsgericht feststellt, war der Betrieb der Firma F. an die Kanalisation angeschlossen, und der Giftstoff ist durch die Abflußrinne gelaufen, die dazu bestimmt war, die Abwässer des Betriebsgrundstücks der Kanalisation zuzuleiten. Demgegenüber fällt es nicht ins Gewicht, wenn die einzelne Anlage selbst, aus der die Giftlösung austrat, nicht an die Kanalisation angeschlossen war. Daß in einem Betrieb wie dem der Firma F. giftige Lösung auslaufen und in Kanalisation gelangen können, lag nach der Lebenserfahrung im Bereich der möglichen Gefahren; ob gerade mit dem tatsächlich eingetretenen Verlauf gerechnet werden mußte, ist demgegenüber unerheblich. Deshalb kann die Gemeinde nichts daraus herleiten, daß ein Gutachter den Austritt der Flüssigkeit als nicht voraussehbaren Katastrophenfall im Betrieb der Firma F. bezeichnet hat. Es wäre Sache der Gemeinde gewesen, Maßnahmen der Firma F. zu veranlassen, die sicherstellten, daß etwa auslaufende giftige Lösungen nicht über die Abflußrinne in die Kanalisation gelangen konnten. Darauf, daß die Stadt- und Amts*-verwaltung W. der Firma F. die Auflage gemacht hatte, eine automatische Entgiftungs- und Neutralisations*-anlage zu erstellen, kann sich die Gemeinde nicht berufen. Für sie ging es nur nicht um die Entgiftung gebrauchter Lösungen, sondern auch darum, den Eintritt während des Betriebs ausgelaufener Lösungen in ihre Kanalisation zu verhindern. Das war nicht nur Sache anderer Behörden, sondern auch ihre Angelegenheit. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß sie nicht verpflichtet gewesen wäre, den ungesicherten Anschluß des gefährlichen Betriebs an ihre Kanalisation hinzunehmen. Zwar sind mit diesem Verlangen hohe Anforderungen an die Gemeinde gestellt. Das ist indessen durch die großen Gefahren gerechtfertigt, die durch die hochgiftigen Chemikalien verursacht werden konnten, mit denen die Firma arbeitete.

Was die Revision im übrigen vorbringt, greift nicht durch. Das Urteil BGHZ 46, 17, 19, auf das sie sich bezieht, betrifft den nicht vergleichbaren Sachverhalt, daß von einem überfluteten Damm Lehm in einen Bach gespült wurde, der den Fischteich des Geschädigten speiste. Der Beklagte hatte mit der Anlegung des Damms weder Schadstoffe in den Bach eingeleitet, noch konnte der Damm als Anlage im Sinne des § 22 Abs 2 WHG angesehen werden. Entgegen der Ansicht der Revision fehlen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß er Eigentümer des verschmutzten Baches war und deshalb als Einleiter des Bachwassers hinsichtlich des Fischteiches in Betracht kommen konnte; hierauf war in jenem Rechtsstreit nicht abgestellt.

Allerdings kann, wie der Revision einzuräumen ist, die Rechtsauffassung des Senats, nach der die Gemeinden auch dann als Einleiter haften, wenn mit den Abwässern ihrer Kanalisation ohne ihr Wissen und ihren Willen Schadstoffe in Vorfluter gelangen, zu schweren und drückenden Belastungen für die Gemeinden führen, und zwar um so sehr, als § 22 WHG im Gegensatz zu anderen Fällen der Gefährdungshaftung eine Haftungsbegrenzung nicht vorsieht. Indessen wäre die Bestimmung des § 22 Abs 1 WHG weitgehend wirkungslos, wenn die Gemeinden nicht als Einleiter auch der schädlichen Bestandteile ihrer Abwässer anzusehen wären. Ihr Schutzzweck erfordert es, die Grenzen der Haftung nicht eng zu ziehen. Wie schon in BGHZ 55, 180, 185 ausgeführt, müssen die Gemeinden beim Betrieb einer Kanalisation nach Möglichkeit Vorsorge gegen Schädigungen der Gewässer treffen und sich notfalls gegen die Folgen eines möglichen Mißbrauchs durch Versicherung schützen; das ist ihnen zuzumuten, weil sie für die Benützung ihrer Kanalisation kostendeckende Gebühren fordern und gegen erkannte Mißbräuche und drohende Gefahren einschreiten können.

3. Zur Revision des Wupperverbandes:
Dagegen hat die Revision des Wupperverbandes Erfolg. Der Zweck des § 22 WHG, denjenigen, der eine schadenstiftende Wasserverschlechterung verursacht, zur Haftung für den entstandenen Schaden heranzuziehen, rechtfertigt es nicht, den Inhaber einer Einrichtung, die dazu bestimmt ist, den Wasserzustand zu verbessern, auch dann haften zu lassen, wenn die Einrichtung ordnungsgemäß arbeitet und lediglich die ihr zugeführten Abwässer weiterleitet. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Klärteich nicht entsprechend seiner Aufgabe gewirkt habe. Die giftige Cyanidlösung abzusondern oder unschädlich zu machen, war er weder bestimmt noch geeignet. Es fehlen weiter Anhaltspunkte dafür, daß der Wupperverband in jener Zeit in der Lage und verpflichtet gewesen sei, eine Anlage zu unterhalten, die die Giftlösung hätte beseitigen oder unschädlich machen können.

Im Klärteich des Verbandes sind nicht Abwässer verschiedenster Herkunft gesammelt worden wie in der gemeindlichen Kanalisation, sondern lediglich die von dort zugeleiteten Abwässer in gewissem Umfang gereinigt und im übrigen unverändert weitergegeben worden. Dieses „Einleiten“ („Hineingelangen“) von Abwässern in den Linneferbach fällt bei einer am Gesetzeszweck ausgerichteten, wertenden Betrachtung nicht unter § 22 WHG. Kläranlagen sollen Schadstoffe ausfällen und die Abwässerbelastung der Gewässer verringern. Sie erfüllen damit im praktischtechnischen Bereich eine Aufgabe, die das Wasserhaushaltsgesetz in § 22 mit haftungsrechtlichen Sanktionen zu verwirklichen sucht. Soweit das Weiterleiten von (geklärten) Abwässern bei solchen Anlagen eine notwendige und auch gewollte Folge der Arbeitsweise der Kläranlage ist, tritt dieser rein äußere Vorgang hinter die für die Gesetzesanwendung entscheidende Funktion der Anlage zurück. Ein haftungsbegründendes „Einleiten“ oder „Hineingelangen“ aus einer Anlage (§ 22 WHG) liegt in solchen Fällen jedenfalls dann nicht vor, wenn die Kläranlage die ihr zugewiesene Aufgabe erfüllt und dem Gewässer nicht neuerdings Schadstoffe zuführt.

II. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß die Beklagten zu 1) und 3) für den Schaden als Gesamtschuldner haften. Dem steht nicht entgegen, daß ihre Haftung teils auf Abs 1, teils auf Abs 2 des § 22 WHG beruht und die gesamtschuldnerische Haftung in beiden Absätzen jeweils für deren Tatbestände vorgesehen ist (§ 22 Abs 1 Satz 2; Abs 2 Satz 1 2. Halbsatz). Aus dieser Fassung ist nicht zu folgern, daß diejenigen nicht als Gesamtschuldner haften, die teils nach Abs 1, teils nach Abs 2 für denselben Schaden einzustehen haben. Das wäre mit dem Wesen der Gesamtschuld (§ 421 BGB) nicht zu vereinbaren; diese setzt nicht voraus, daß die Schuldner aus den gleichen Rechtsgründen haften, sondern kann nach ständiger Rechtsprechung selbst vorliegen, wenn ein Schuldner aus Vertrag, der andere aus unerlaubter Handlung haftet (BGB RGRK, 11. Aufl § 421 Anm 5; Palandt; BGB, 33. Aufl § 421 Anm 1 jeweils mit Nachweisen).

Dem Kläger gegenüber kann auch nicht geltend gemacht werden, der Verursachungsbeitrag des einen Haftenden sei geringer als der des anderen; das kann lediglich im Innenverhältnis der Haftenden von Bedeutung werden (BGB RGRK, § 426 Anm 5; Palandt, BGB § 426 Anm 3).
Die gegenteilige Ansicht von Siedler/Zeitler, WHG § 22 Rn 25 ist daher abzulehnen (ebenso wie hier Gieseke/Wiedermann, § 22 Anm 14).