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BGH, Urteil vom 10.03.2020 – VI ZR 316/19

Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 13. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand
Randnummer1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz der behinderungsbedingten Mehrkosten einer Urlaubsreise in Anspruch.

Randnummer2
Die Klägerin wurde am 29. Oktober 1988 in dem von der Rechtsvorgängerin der Beklagten betriebenen Krankenhaus geboren. Im Rahmen der Entbindung kam es zu einer fehlerhaften medizinischen Behandlung, die zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin führte. Die Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen der fehlerhaften medizinischen Behandlung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien außer Streit. Am 6. Oktober 2000 schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Vergleich. Der Vergleich sah die Zahlung eines Schmerzensgelds in Höhe von 550.000 DM, von Umbaukosten in Höhe von 150.000 DM, einer monatlichen Rente zum Ausgleich der Betreuungskosten bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, von Verdienstausfall, einer Altersrente als Schwerbehinderte sowie von Anwaltskosten vor. Am 24. Januar 2009 änderten die Parteien den Vergleich in einzelnen Punkten ab. In beiden Fassungen des Vergleichs heißt es in Ziffer 3 u.a.:

„Pflege- und Betreuungskosten, die ab Vollendung des 25. Lebensjahres entstehen, sollen ab Vollendung des 25. Lebensjahres neu geregelt werden. Unter Beachtung der dann vorliegenden medizinischen Notwendigkeit sind die tatsächlich entstehenden und konkret nachzuweisenden Kosten zu erstatten, unter Anrechnung gesetzlicher Leistungen sowie der Leistungen von Sozialversicherungsträgern.“

Randnummer3
Am 18. Mai 2014 reiste die Klägerin mit drei Betreuungspersonen (ihren Eltern sowie einer weiteren Person) für eine Woche in ein auf die Bedürfnisse schwerbehinderter Menschen spezialisiertes Hotel auf Gran Canaria. Da die Klägerin einer Rundumbetreuung bedarf, sich nicht selbst bewegen und ihre Wünsche und Bedürfnisse nicht verbal äußern kann, war es erforderlich, dass sie von drei Betreuungspersonen begleitet wurde. Während ein entsprechender Urlaub inklusive Flug für einen nicht behinderten Menschen 600 bis 800 € gekostet hätte, entstanden der Klägerin durch die Reisedurchführung mit Rollstuhltransport und Unterbringung in einem entsprechend spezialisierten Hotel Kosten in Höhe von 1.740 € für sie selbst und 1.430 € für jede Begleitperson.

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Mit der Klage begehrt die Klägerin Ersatz der aufgrund ihrer Behinderung für ihre eigene Reise angefallenen Mehrkosten in Höhe von 840 € sowie der – um ersparte Aufwendungen für Verpflegung in Höhe von insgesamt 210 € geminderten – Reisekosten ihrer Begleiter in Höhe von insgesamt 4.080 €. Sie ist der Auffassung, die geltend gemachten Kosten stellten ausschließlich Betreuungsmehrkosten dar, die Bestandteil dessen seien, was im Vergleich als Pflege- und Betreuungskosten definiert sei. Ein Ausschluss oder eine Reduzierung des Betreuungsmehraufwandes für den Fall von Reisen sei in dem Vergleich nicht vorgesehen worden. Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe
I.

Randnummer5
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus § 823 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich. Nach Ziffer 3 des Vergleichs könne die Klägerin von der Beklagten Ersatz der ihr ab Vollendung des 25. Lebensjahres entstehenden Pflege- und Betreuungskosten verlangen, die medizinisch notwendig, tatsächlich entstanden und konkret nachgewiesen seien. Zu diesen konkret nachgewiesenen und medizinisch notwendigen Pflege- und Betreuungskosten gehörten auch die der Klägerin behinderungsbedingt entstandenen Mehrkosten für ihre Reise nach Gran Canaria. Unstreitig sei die Klägerin nicht nur auf die Unterbringung in einem auf die Bedürfnisse behinderter Menschen spezialisierten Hotel angewiesen, sondern bedürfe einer Rundum-Betreuung durch Begleitpersonen. Unerheblich sei, dass die Urlaubsreise als solche nicht medizinisch notwendig sei. Denn medizinisch notwendig sei auf einer Urlaubsreise, die auch die Klägerin unternehmen könne, die Betreuung und Begleitung durch entsprechendes Pflegepersonal.

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Die Mehrkosten seien auch nicht durch das gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 550.000 DM abgegolten. Das Schmerzensgeld diene dazu, einen gewissen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Klägerin bei einer Urlaubsreise niemals den Genuss verspüren werde wie ein Mensch ohne die Beeinträchtigung, die sie durch die fehlerhafte ärztliche Behandlung erlitten habe. Hierum gehe es vorliegend aber nicht. Die angefallenen Mehrkosten begründeten vielmehr einen Vermögensschaden, der durch eine Urlaubsreise, die Rücksicht auf die behinderungsbedingte Betreuungsbedürftigkeit der Klägerin nehme, eingetreten sei.

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Der Anspruch sei auch nicht durch den zwischen den Parteien geschlossenen Vergleich ausgeschlossen. In Ziffer 3 des Vergleichs werde zwischen den Pflege- und Betreuungskosten hinsichtlich der Zeit vor Vollendung des 25. Lebensjahres und der Zeit ab Vollendung des 25. Lebensjahres der Klägerin unterschieden. Da die Klägerin im Zeitpunkt der Reise ihr 25. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe, sei die Regelung einschlägig, wonach die Beklagte die medizinisch notwendigen, tatsächlich entstandenen und konkret nachgewiesenen Kosten der Pflege- und Betreuung der Klägerin zu erstatten habe. Eine Regelung, wonach ein Ersatz der streitgegenständlichen Pflege- und Betreuungskosten ausgeschlossen sei, sei dem Vergleich nicht zu entnehmen. Ein derartiger Ausschluss ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Umständen.

II.

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Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe aus Ziffer 3 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Mehrkosten für ihre Reise nach Gran Canaria zu.

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1. Gemäß Ziffer 3 des Vergleichs sollen Pflege- und Betreuungskosten, die ab Vollendung des 25. Lebensjahres der Klägerin entstehen, ab diesem Zeitpunkt neu geregelt werden. Unter Beachtung der dann vorliegenden medizinischen Notwendigkeit sind die tatsächlich entstehenden und konkret nachzuweisenden Kosten zu erstatten.

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2. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung entstandenen Mehrkosten für ihre eigene Reise und die Reisekosten der für ihre Rundumbetreuung erforderlichen Begleitpersonen als zu erstattende Kosten im Sinne von Ziffer 3 des Vergleichs angesehen hat. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Auslegung durch das Berufungsgericht, wonach unter den Begriff der Pflege- und Betreuungskosten im Sinne dieser Bestimmung im Grundsatz nicht nur die unabhängig vom Aufenthaltsort der Klägerin entstehenden unmittelbaren Kosten, sondern auch die durch eine Veränderung des Aufenthaltsorts der Klägerin verursachten Mehrkosten ihrer Betreuung fallen, und wonach sich der Vorbehalt der medizinischen Notwendigkeit auf die Pflege und Betreuung der Klägerin, nicht aber auf die von ihr unternommene Ortsveränderung bezieht.

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a) Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 9. März 2010 – VI ZR 52/09, VersR 2010, 783 Rn. 20; BGH, Urteile vom 18. Oktober 2017 – I ZR 6/16, GRUR 2018, 297 Rn. 32 – media control; vom 21. Februar 2019 – I ZR 98/17, BGHZ 221, 181 Rn. 56 – HHole (for Mannheim) jeweils mwN).

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b) Derartige Rechtsfehler liegen nicht vor. Die Auslegung durch das Berufungsgericht ist insbesondere weder wortsinnwidrig noch verstößt sie gegen das Gebot der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung.

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aa) Der Begriff der Pflege- und Betreuungskosten ist im Ausgangspunkt weit; er umfasst nach allgemeinem Sprachgebrauch all diejenigen Aufwendungen, die für die Pflege oder Betreuung des Betroffenen anfallen. Hierzu gehört auch der Ersatz notwendiger Aufwendungen der Betreuungsperson(en) wie etwa Fahrtkostenersatz (vgl. beispielsweise zu Kinderbetreuungskosten: BFH, Urteil vom 10. April 1992 – III R 184/90, BFHE 167, 436, BStBl II 1992, 814, juris Rn. 21 zu § 33c EStG in der Fassung vom 14. Dezember 1984; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Mai 2012 – 4 K 3278/11, EFG 2012, 1439, juris 23 ff. zu § 4f EStG in der Fassung vom 20.12.2007 – nunmehr § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Dies zieht die Revision nicht in Zweifel.

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bb) Es begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht unter den Begriff der Pflege- und Betreuungskosten im Grundsatz auch solche Ausgaben gefasst hat, die erforderlich waren, um die Betreuung der Klägerin außerhalb ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts – während einer von ihr gewählten Ortsveränderung und an einem anderen Aufenthaltsort – zu gewährleisten. Denn auch diese Aufwendungen dienten dem Zweck, den behinderungsbedingten Betreuungsbedarf der Klägerin zu befriedigen. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe verkannt, dass es vorliegend nicht um die unmittelbaren Betreuungskosten gehe, die unabhängig vom Aufenthaltsort der Klägerin anfielen, sondern um Reisekosten der Betreuungspersonen und der Klägerin. Mit diesem Gesichtspunkt hat sich das Berufungsgericht ausdrücklich befasst; es hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass dem Vergleich weder nach dem Wortlaut noch den Umständen des Streitfalles eine Beschränkung der Ersatzpflicht der Beklagten auf unmittelbare Betreuungskosten zu entnehmen ist. Die Revision zeigt keinen Rechtsfehler der vom Berufungsgericht vorgenommenen Vertragsauslegung auf, sondern nimmt lediglich in revisionsrechtlich unbeachtlicher Weise eine von der tatrichterlichen Würdigung abweichende Auslegung der vertraglichen Vereinbarung vor.

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cc) Gleiches gilt für die Rüge, für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten komme es nicht auf die Notwendigkeit der Betreuung der Klägerin, sondern auf die Notwendigkeit der Ortsveränderung, mithin der Urlaubsreise an; diese sei nach dem vorgelegten ärztlichen Attest zwar „hilfreich und sinnvoll“, eine medizinische Notwendigkeit ergebe sich daraus aber nicht. Auch insoweit zeigt die Revision einen Rechtsfehler nicht auf. Die Auslegung durch das Berufungsgericht verstößt insbesondere nicht gegen das Gebot der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung.

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Das Gebot der interessengerechten Auslegung erfordert, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren wechselseitigen Interessen zu berücksichtigen und der Abrede einen vertretbaren Sinngehalt beizumessen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung genügt diesen Anforderungen. Die Revision legt nicht dar, welche schutzwürdigen Interessen der Beklagten das Berufungsgericht übergangen haben soll, sondern ersetzt in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die tatrichterliche Auslegung des Berufungsgerichts durch das von ihr für richtig gehaltene Auslegungsergebnis. Dabei übersieht sie, dass das von ihr als vorzugswürdig angesehene Ergebnis mit dem Grundsatz der nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung nicht in Einklang zu bringen ist. Denn es führte dazu, dass die aufgrund des Behandlungsfehlers der Beklagten in jeder Hinsicht auf eine Betreuung angewiesene Klägerin ihren Aufenthaltsort nur aus medizinisch notwendigen Gründen verändern könnte. Hierdurch wäre aber der der Klägerin gegen die Beklagte zustehende Schadensersatzanspruch in einer der Interessenlage der Parteien nicht entsprechenden Weise verkürzt. Der Klägerin wäre eine Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben – wie beispielsweise an einem Familienfest oder einer Theateraufführung – erschwert (vgl. zur sozialen Teilhabe auch § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX aF; § 76 Abs. 2 Nr. 2 iVm § 78 SGB IX; BT-Drs. 18/9522, 261; Ehmann/Karmanski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar SRB, 2. Auflage, SGB IX § 76 Rn. 15).

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Die Parteien wollten in dem Vergleich die der Klägerin gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzansprüche regeln. Die Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen der fehlerhaften medizinischen Behandlung stand dem Grunde nach außer Streit. Die Einstandspflicht des Schädigers erstreckt sich aber auf alle Vermögenseinbußen des Geschädigten aus der diesem zugefügten Verletzung (vgl. Senatsurteil vom 6. Juni 1989 – VI ZR 66/88, VersR 1989, 857, juris Rn. 18). Denn gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (Grundsatz der Totalreparation). Er hat insbesondere die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (vgl. Senatsurteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16, VersR 2019, 51 Rn. 22 mwN); das Ziel besteht dabei in der (Wieder)Herstellung eines dem Lebenszuschnitt, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, möglichst nahekommenden Zustands (Senatsurteile vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16, VersR 2019, 51 Rn. 21; vom 30. Juni 2015 – VI ZR 379/14, BGHZ 206, 136 Rn. 22; vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 18; Senatsbeschluss vom 11. Juni 1991 – VI ZR 307/90, NZV 1991, 387; Zoll, NJW 2014, 967, 968). Die §§ 842, 843 BGB schränken den Grundsatz des vollen Schadensausgleichs nicht ein (Senatsurteil vom 6. Juni 1989 – VI ZR 66/88, VersR 1989, 857 Rn. 18; Senatsbeschluss vom 11. Juni 1991 – VI ZR 307/90, NZV 1991, 387; MünchKommBGB/Wagner, 7. Aufl., § 843 Rn. 59 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 12. Juli 2005 – VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, juris Rn. 57).

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Nach diesen Grundsätzen erstreckt sich die Einstandspflicht des Schädigers grundsätzlich auch auf die Kosten einer verletzungsbedingt erforderlichen Begleitung des Geschädigten durch eine Betreuungsperson, beispielsweise bei Behördengängen, Spaziergängen, kulturellen Veranstaltungen oder Ähnlichem (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. Februar 2007 – 16 U 70/06, juris Rn. 53 f.; Zoll, NJW 2014, 967, 969; Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 13. Aufl., Rn. 264; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kapitel 4 Rn. 61; Luckey, VersR 2013, 726; im Einzelfall abl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 352). Dabei bestimmt sich der Mehrbedarf nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage treffen würde; maßgebend ist grundsätzlich, was ein verständiger Geschädigter an Mitteln aufwenden würde, wenn er diese selbst zu tragen hätte und tragen könnte (vgl. Senatsurteile vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16, VersR 2019, 51 Rn. 20 f.; vom 13. Juli 1971 – VI ZR 260/69, VersR 1971, 1045, juris Rn. 15; vom 8. November 1977 – VI ZR 117/75, VersR 1978, 149, 150, juris Rn. 19; Zoll, NJW 2014, 967, 968; Geigel/Pardey, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kapitel 4 Rn. 61; Luckey, VersR 2013, 726). Unter diesen Voraussetzungen können auch die Kosten einer behinderungsbedingt erforderlichen Begleitung des Geschädigten bei einer Urlaubsreise ersatzfähig sein. Die Ersatzpflicht ist allerdings ausgeschlossen, wenn die vom Geschädigten vorgenommene Ortsveränderung mit unverhältnismäßigen, für den Schädiger auch unter Berücksichtigung der Belange des Geschädigten nach Treu und Glauben nicht zumutbaren Aufwendungen verbunden ist (vgl. Senatsurteil vom 28. August 2018 – VI ZR 518/16, VersR 2019, 51 Rn. 21; Geigel/Pardey, aaO; Luckey, aaO).

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Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien – die mit dem Vergleich ersichtlich einen angemessenen Ausgleich der von der Klägerin erlittenen Einbußen erstrebten, ausdrücklich eine Neuregelung der zu erstattenden Pflege- und Betreuungskosten ab Vollendung des 25. Lebensjahres der Klägerin vorsahen und als Maßstab hierfür die tatsächlich entstehenden und konkret nachzuweisenden Kosten unter Beachtung der medizinischen Notwendigkeit festlegten – diejenigen Betreuungskosten von der Ersatzpflicht ausnehmen wollten, die durch eine medizinisch nicht notwendige Veränderung des Aufenthaltsorts der Klägerin verursacht wurden.

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c) Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, bei den geltend gemachten Beträgen handle es sich nicht um behinderungsbedingte Mehraufwendungen für die Betreuung der Klägerin, sondern um eine Kompensation für Einschränkungen ihrer Freizeitgestaltung und damit um den Ausgleich eines immateriellen Schadens. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind der Klägerin die streitgegenständlichen Aufwendungen deshalb entstanden, weil sie die Reise aufgrund ihrer Behinderung nur in Begleitung von Betreuungspersonen und unter Inanspruchnahme besonderer Dienstleistungen (Rollstuhltransport, etc.) unternehmen konnte. Die Aufwendungen machten die Durchführung der Reise überhaupt erst möglich und dienten der Herstellung eines dem Lebenszuschnitt, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, möglichst nahekommenden Zustandes. Ihr Ersatz bewirkt hingegen keinen Ausgleich dafür, dass die Klägerin ihre Urlaubsreise aufgrund ihrer Behinderung nicht so genießen und erleben konnte wie ein gesunder Mensch. Sie stellen sich deshalb als materieller Schaden dar (vgl. Senatsurteile vom 30. Juni 2015 – VI ZR 379/14, BGHZ 206, 136 Rn. 22; vom 27. Januar 2015 – VI ZR 54/14, BGHZ 204, 44 Rn. 18; vom 12. Juli 2005 – VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, juris Rn. 57; Senatsbeschluss vom 11. Juni 1991 – VI ZR 307/90, NZV 1991, 387).

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