Rechtsprechungsübersicht zum Arzthaftpflichtrecht
BGH 30.07.24 – VI ZR 115/22
Zum Begriff der Erstversorgung durch den Durchgangsarzt und zur Bedeutung der Eintragungen im Durchgangsarztbericht bei der Bestimmung der Passivlegitimation (Fortführung von Senatsurteil vom 29. November 2016 – VI ZR 208/15, BGHZ 213, 120).
BGH 02.07.2024 VI ZR 240/23
Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in einem Arzthaftungsprozess: Anmaßung eigener Sachkunde; verzögerter Beginn geburtseinleitender Maßnahmen und zu spät gestellter Indikation zur Kaiserschnittentbindung bei vorzeitigem Blasensprung
BGH 04.06.2024 – VI ZR 108/23
Organisationsfehler bei der Anschlussbehandlung eines frühgeborenen Kindes
BGH 05.12.2023 – IV ZR 108/21
a) Einer ordnungsgemäßen, zeitnah erstellten Dokumentation in Papierform, die keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet, kommt zugunsten der Behandlungsseite Indizwirkung zu, die im Rahmen der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen ist.
BGH 21.11.2023 – VI ZR 280/22
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1 Ca, Cb, Ga, Gb, § 398, § 399 Alt. 1
Die Grundsätze zum Werkstattrisiko, die der Senat in seinen Urteilen vom 16. Januar 2024 – VI ZR 253/22 und VI ZR 239/22 für überhöhte Kostenansätze einer Werkstatt für die Reparatur des beschädigten Fahrzeugs fortentwickelt hat, gelten auch für überhöhte Kostenansätze eines Kfz-Sachverständigen, den der Geschädigte mit der Begutachtung seines Fahrzeugs zur Ermittlung des unfallbedingten Schadens beauftragt hat.
BGH 14.11.2023 – VI ZR 244/21
a) Dem Krankenhausträger obliegen vertragliche Pflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der stationär aufgenommenen Patienten. Er hat die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass sich ein auf Grund der konkreten Situation für den Patienten bestehendes Sturzrisiko verwirklicht.
EUGH 26.10.2023 – C-307/22
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 5, Art. 15 Abs. 3 und Art. 23 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2) (im Folgenden: DSGVO).
BGH 15.03.2023 – XII ZB 232/21
a) Eine Patientenverfügung eines gemäß §§ 20, 63 StGB im Maßregelvollzug Untergebrachten steht einer zwangsweisen Behandlung gemäß Art. 6 Abs. 3 Nr. 1 und 2 des Bayerischen Maßregelvollzugsgesetzes (BayMRVG) nur dann gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 lit. b BayMRVG entgegen, wenn sie Regelungen zur Zwangsbehandlung beinhaltet und erkennen lässt, dass sie in der konkreten Behandlungssituation der geschlossenen Unterbringung Geltung beanspruchen soll (im Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ 214, 62 = FamRZ 2017, 748 und vom 14. November 2018 – XII ZB 107/18 – FamRZ 2019, 236). Daher ist zu prüfen, ob die in der Patientenverfügung in Bezug genommene Situation auch die etwaigen Konsequenzen einer ausbleibenden Behandlung, wie den Eintritt schwerster, gar irreversibler Schäden oder einer Chronifizierung des Krankheitsbildes mit den entsprechenden Folgen für die Fortdauer der freiheitsentziehenden Maßnahme, erfasst (im Anschluss an BVerfGE 158, 131 = FamRZ 2021, 1564).
BGH 14.02.2023 – VI ZR 195/20
a) Für eine schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren im Sinne von § 218a Abs. 2 StGB müssen Belastungen zu befürchten sein, die ein solches Maß an Aufopferung eigener Lebenswerte verlangen, dass dies von der Frau nicht erwartet werden kann. Bei der zu erwartenden Geburt eines schwerbehinderten Kindes und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation müssen diese Belastungen dergestalt sein, dass sie die Mutter in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres seelischen Gesundheitszustandes als so drohend erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat.
BGH 06.12.2022 – VI ZR 73/21
BGB § 844 Abs. 3; StVG § 10
a) Die Bemessung der Höhe der Hinterbliebenenentschädigung ist grundsätzlich Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Er hat die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten und hierbei die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen. Ähnlich wie beim Schmerzensgeld sind dabei sowohl der Ausgleichs- als auch der Genugtuungsgedanke in den Blick zu nehmen.
BGH 16.08.2022-VI ZR 342/21
Ärztliche Heileingriffe bedürfen nach der ständigen Rechtsprechung der Einwilligung des Patienten grundsätzlich eine Einwilligung, um rechtmäßig zu sein. Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dabei dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus.
Die Entfernung eines Tumors der Hirnhaut einer Patientin (Meningeom) hatte deren dauerhafte halbseitige Lähmung zur Folge. Wegen unzureichender Risikoaufklärung vor dem Eingriff forderte Sie Schadenersatz von der Klinik und vom Operateur. Die Abweisung ihrer Klage wurde vom BGH aufgehoben.
BGH 22.03.2022 – VI ZR 16/21
Bei der besonderen Fallgruppe der Schwerstverletzungen mit schweren Hirnschädigungen bei der Geburt, die mit der Einbuße der Persönlichkeit, dem Verlust an personaler Qualität einhergehen, stellt bereits diese Zerstörung der Persönlichkeit für sich einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar – unabhängig davon, ob der oder die Betroffene die Beeinträchtigung empfindet.
BGH 07.12.2021 – VI ZR 277/19
Beruft sich der behandelnde Arzt im Falle einer fehlerhaften Eingriffsaufklärung darauf, der Patient hätte auch im Falle einer zutreffenden Aufklärung in die betreffende Maßnahme eingewilligt („hypothetische Einwilligung“), so trifft ihn die Beweislast für diese Behauptung dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er – wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei an die Substantiierung keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Vom Patienten nicht zu verlangen ist hingegen, dass er – darüber hinausgehend – plausibel macht, er hätte sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung auch tatsächlich gegen die durchgeführte Maßnahme entschieden.
BGH 14.01.2021 – III ZR 168/19
a) Bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Vorkehrungen zur Verhinderung einer Selbstschädigung durch den Bewohner eines Pflegeheims ist maßgebend, ob im Einzelfall wegen der körperlichen oder geistigen Verfassung des Bewohners aus der ex-ante-Sicht ernsthaft damit gerechnet werden musste, dass er sich ohne Sicherungsmaßnahmen selbst schädigen könnte. Dabei muss auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen (Bestätigung und Fortführung der Senatsurteile vom 28. April 2005 – III ZR 399/04, BGHZ 163, 53 und vom 22. August 2019 – III ZR 113/18, BGHZ 223, 95).
BGH 11.04.2017 – VI ZR 576/15
Wurde ein Patient zutreffend über das Vorliegen eines kontrollbedürftigen Befundes (hier: einer Krebsvorsorgeuntersuchung) und die medizinisch gebotene Maßnahme einer weiteren Kontrolle informiert und ist der Patient dieser Aufforderung lediglich nicht nachgekommen, liegt kein Befunderhebungsfehler vor. In einem solchen Fall kommt grundsätzlich allein das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur therapeutischen Beratung, etwa wegen eines unterlassenen Hinweises auf die Dringlichkeit der gebotenen Maßnahme, in Betracht.
BGH 01.03.2016 – VI ZR 49/15
ZPO § 531:
An die Informations- und Substantiierungspflichten der Partei im Arzthaftungsprozess dürfen nur maßvolle Anforderungen gestellt werden. Der Patient und sein Prozessbevollmächtigter sind insbesondere nicht verpflichtet, sich zu zur ordnungsgemäßen Prozessführung medizinisches Fachwissen anzueignen.
Nach diesen Grundsätzen ist der Patient nicht verpflichtet, mögliche Entstehungsursachen einer Infektion zu ermitteln und vorzutragen. Es kann nicht als Nachlässigkeit angesehen werden, dass die Klägerin in zweiter Instanz ihren Angriff konkretisiert hat, nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozessbevollmächtigter durch eigene medizinische Recherchen zusätzliche Informationen über mögliche Infektionsursachen erlangt hat.
BGH 26.01.2016 – VI ZR 146/14
BGB § 823 Abs 1:
1. Dem Arzt ist kein Diagnoseirrtum, sondern ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen, wenn die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin hat, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat.
2. Eine Beweislastumkehr nimmt einer Partei, der sie zum Nachteil gereicht, nicht die Möglichkeit, den Beweis des Gegenteils zu führen.
BGH 22.12.2015 – VI ZR 67/15
BGB § 823, GG Art 103 Abs.1:
Der Tatrichter ist verpflichtet, den ihm zur Entscheidung unterbreiteten Sachverhalt auszuschöpfen und sämtliche Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen. Dazu gehört, Widersprüche zwischen einem Gutachten der Schlichtungsstelle und Angaben des gerichtlichen Sachverständigen aufzuklären. Entsprechendes gilt für Privatgutachten, die von einer Partei beigebracht werden.
BGH 15.12.2015 – VI ZR 557/15
BGB § 823, ZPO § 529 Abs.1:
Einwendungen einer Partei gegen die erstinstanzliche Überzeugungsbildung können in der Berufungsinstanz nicht mit der Begründung als unbeachtlich angesehen werden, die Partei setze lediglich in unzulässiger Weise ihre abweichende Bewertung an die Stelle derjenigen des gerichtlichen Sachverständigen und des Landgerichts.
Das Absehen von einer ärztlichen Maßnahme ist nicht erst dann behandlungsfehlerhaft, wenn die Maßnahme „zwingend“ geboten war, sondern bereits dann, wenn ihr Unterbleiben dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard zuwiderlief.
BGH 17.11.2015 – VI ZR 476/14
BGB § 630c, 823; ZPO § 286:
Unterlässt es ein Arzt, den Patienten über die Dringlichkeit der – ihm ansonsten zutreffend empfohlenen – medizinisch gebotenen Maßnahmen zu informieren und ihn vor Gefahren zu warnen, die im Falle des Unterbleibens entstehen können, dann handelt es sich regelmäßig um einen Fehler der therapeutischen Aufklärung und nicht um einen Befunderhebungsfehler.
BGH 10.11.2015 – VI ZB 11/15
ZPO § 485,487:
Das geforderte minimale Maß an Substantiierung hinsichtlich der gemäß § 487 Nr. 2 ZPO zu bezeichnenden Beweistatsachen ist jedenfalls dann nicht erreicht, wenn der Antragsteller in lediglich formelhafter und pauschaler Weise Tatsachenbehauptungen aufstellt, ohne diese zu dem zugrunde liegenden Sachverhalt in Beziehung zu setzen.
BGH 15.09.2015 – VI ZR 431/14
BGB § 253:
Es ist von einer Verletzung des Grundsatzes auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG auszugehen, wenn das Berufungsgericht den Vortrag des Geschädigten zur Vornahme von fünf weiteren operativen Eingriffen unberücksichtigt lässt und nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht dem Geschädigten bei Berücksichtigung des Vortrags ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen hätte.
BGH 16.06.2015 – VI ZR 332/14
ZPO § 531 Abs.2:
1. Der Tatrichter ist verpflichtet von Amts wegen Widersprüchen nachzugehen und daher gehalten, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens den Sachverhalt aufzuklären.
2. Der Patient trägt bei der Rüge der unterlassenen Aufklärung über Behandlungsalternativen die Beweislast dafür, dass der Schaden auf das eigenmächtige Handeln des Amtes zurückzuführen ist.
3. Auch die Behandlerseite ist nicht gehalten, Einwendungen bereits in erster Instanz auf ein Privatgutachten oder sachverständigen Rat zu stützen.
4. Der Tatrichter muss bei der Ermittlung des Standards darauf hinwirken, dass der Sachverständige seine Erkenntnisse auf den zum Zeitpunkt der Behandlung veröffentlichen Wissensstand stützt
und die in Anspruch genommene Versorgungsstufe berücksichtigt.
BGH 11.11.2014 – VI ZR 76/13
BGB § 630h, ZPO § 286:
In Arzthaftungsprozessen hat der Tatrichter die Pflicht, Widersprüchen zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger von Amts wegen nachzugehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, auch wenn es sich um Privatgutachten handelt.Legt eine Partei ein medizinisches Gutachten vor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, so darf der Tatrichter den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.
Das Fehlen der Dokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme begründet die Vermutung, dass die Maßnahme unterblieben ist. Diese Vermutung entfällt weder deshalb, weil in der Praxis mitunter der Pflicht zur Dokumentation nicht nachgekommen wird, noch deshalb, weil die Dokumentation insgesamt lückenhaft ist.
BGH 28.10.2014 – VI ZR 125/13
BGB § 280 Abs.1, § 823 Abs.1:
Bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass sich der Zustand der Schwangeren bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die Schnittentbindung zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird, muss der Arzt die Schwangere über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären.(Rn.6)
Besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die Schnittentbindung im weiteren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsmethoden und die mit ihnen verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der Schnittentbindung unterrichten, wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist.
BGH 16.09.2014 – VI ZR 118/13
ZPO § 286:
1. Die Instanzgerichte sind zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gehalten, Beweisangeboten zum Beschwerdeverlauf nachzugehen, da diese für die sachverständige Beurteilung von Bedeutung sein kann.
2. Werden die tatsächlichen Grundlagen des Sachverständigengutachtens nicht offen gelegt und stützt das Gericht gleichwohl auf das Gutachten seine Entscheidung, dann liegt hier hierhin ein
Verstoß gegen § 286 ZPO und den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs.1 GG. Zu diesen tatsächlichen Grundlagen zählen insbesondere intern vom Sachverständigen
herangezogene Ergebnisse weiterer Gutachten sowie Untersuchungsergebnisse.
BGH 20.05.2014 – VI ZR 381/13
GG Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1 Aa, Ah, § 823 Abs. 2 Bf;
a) § 823 Abs. 1 BGB bezweckt nicht den Schutz eines sorgeberechtigen Elternteils vor den psychischen Belastungen, die damit verbunden sind, dass er von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und dem damit einhergehenden Risiko Kenntnis erlangt, dass die gemeinsamen Kinder auch Träger der Krankheit sein könnten.
b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein „Recht auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“, das den Einzelnen davor schützt, Kenntnis über ihn betreffende genetische Informationen mit Aussagekraft für seine persönliche Zukunft zu erlangen, ohne dies zu wollen.
BGH 15.04.2014 – VI ZR 382/12
BGB §§ 611, 823 Abs. 1 Aa
Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten.
BGH 28.01.2014 – VI ZR 143/13
BGB § 823 Aa
a) Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklä-rungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.
b) Das unterzeichnete Einwilligungsformular ist – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs.
BGH 21.01.2014 – VI ZR 78/13
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2 (A); BGB § 823 Abs. 1 (Aa); BGB § 278: a) Die ärztliche Heilbehandlung erfolgt regelmäßig nicht in Ausübung eines öffentlichen Amts; eine Amtshaftung kommt in Betracht, wenn der Arzt eine dem Hoheitsträger selbst obliegende Aufgabe erledigt und ihm insoweit ein öffentliches Amt anvertraut ist. Ein Arzt übt nicht deshalb ein öffentliches Amt aus, weil sein Patient im Staatsdienst beschäftigt ist.
b) Erkennt ein Arzt, dass das unklare klinische Beschwerdebild des Patienten umgehend weitere diagnostische Maßnahmen (hier: Hirndiagnostik) erfordert, verschiebt er die wegen unzureichender Ausstattung der Klinik erforderliche Verlegung in ein ausreichend ausgestattetes Krankenhaus aber auf den nächsten Tag, liegt ein Befunderhebungsfehler, nicht aber ein Diagnosefehler vor.
c) Ein Krankenhausträger haftet einem Patienten für Arztfehler eines Konsiliararztes als seines Erfüllungsgehilfen aus Vertrag (§ 278 BGB), wenn der Konsiliararzt hinzugezogen wird, weil es dem Krankenhaus an eigenem fachkundigen ärztlichen Personal mangelt, der Krankenhausträger mit den Leistungen des Konsiliararztes seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Patienten (hier: im Rahmen einer Schlaganfalleinheit) erfüllt und die Honorierung des Konsiliararztes durch den Krankenhausträger erfolgt.
BGH 05.11.2013 – VI ZR 527/12
BGB § 823 Abs. 1 Aa, I; ZPO § 286 G, § 287: Zum Umfang der Haftung im Falle eines Gesundheitsschadens aufgrund eines ärztlichen Befunderhebungsfehlers.
BGH 02.07.2013 – VI ZR 554/12
BGB § 823 Abs. 1 Aa: In Fällen eines Befunderhebungsfehlers sind dem Primärschaden alle allgemeinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Patienten unter Einschluss der sich daraus ergebenden Risiken, die sich aus der unterlassenen oder unzureichenden Befunderhebung ergeben können, zuzuordnen.
BGH 19.06.2012 – VI ZR 77/11
BGB § 823 Abs. 1 Aa: War ein grober Verstoß gegen den ärztlichen Standard grundsätzlich geeignet, mehrere Gesundheitsschäden bekannter oder (noch) unbekannter Art zu verursachen, kommt eine Ausnahme vom Grundsatz der Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler regelmäßig nicht deshalb in Betracht, weil der eingetretene Gesundheitsschaden als mögliche Folge des groben Behandlungsfehlers zum maßgebenden Zeitpunkt noch nicht bekannt war (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 16. Juni 1981 – VI ZR 38/80, VersR 1981, 954).
BGH 22.05.2012 – VI ZR 157/11
BGB § 823 Abs. 1 F, § 249 Ba: Zur Einstandspflicht des Arztes für die Folgen eines Zweiteingriffs durch einen nachbehandelnden Arzt, der erforderlich wird, weil dem vorbehandelnden Arzt beim Ersteingriff ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.