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Pferderecht Alttag

Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18.04.2017 9 ZB 15.2694

Tenor
I. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

IV. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe
I.

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Der Kläger wendet sich gegen eine tierschutzrechtliche Anordnung des Landratsamts U….

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Nach einer Kontrolle am 13. April 2015 ordnete das Landratsamt gegenüber dem Kläger mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 17. April 2015 an, dass dieser seine drei Pferde mit einem gegen Haarlinge wirksamen Ektoparasitenmittel nach tierärztlicher Anweisung zu behandeln oder behandeln zu lassen hat. Die vom Kläger hiergegen erhobene Klage, die nach erfolgreicher Behandlung und Bestätigung des Tierarztes des Klägers über eine Untersuchung vom 21. Oktober 2015 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids umgestellt wurde, wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Oktober 2015 abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Einschreiten gegen den Parasitenbefall aus tierschutzrechtlicher Sicht geboten und die Anordnung verhältnismäßig gewesen sei. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

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Es fehlt bereits an einem vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil der Kläger keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der gegebenenfalls erforderlichen Belege eingereicht hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, Abs. 4 ZPO). Der Setzung einer Frist zur Nachholung der formgerechten Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bedarf es nicht, weil der Zulassungsantrag – wie sich im Folgenden zeigt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend war auch der Antrag auf Beiordnung des Bevollmächtigten als Rechtsanwalt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO) abzulehnen.

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2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

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An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder wegen eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.

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a) Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

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Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Kläger ist der Ansicht, dass der Bescheid vom 17. April 2015 mangels Anhörung rechtswidrig sei. Die Feststellungen des Landratsamts zum Parasitenbefall der Pferde und den haarlosen Stellen seien in Abwesenheit des Klägers von außerhalb des Grundstücks erfolgt und ohne eingehende Untersuchung nicht möglich gewesen. Die zu behandelnden Stellen der Pferde seien zum Zweck der Behandlung geschoren gewesen und es habe keinen durch Juckreiz bedingten großflächigen Haarverlust gegeben. Seine Pferde seien beschwerdefrei gewesen, weil er sie bereits seit über einem Monat mit einem wirksamen Mittel behandelt habe; das vom Landratsamt vorgeschlagene Mittel sei nicht besser geeignet. Aus diesem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils.

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Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend von der Rechtmäßigkeit der im Bescheid vom 17. April 2015 enthaltenen Anordnung der Behandlung der Pferde des Klägers gegen Haarlingsbefall ausgegangen. Aus den Stellungnahmen der beamteten Tierärztin vom 15. April 2015 (Bl. 144 der Behördenakte) und vom 17. April 2015 (Bl. 155 der Behördenakte) ergibt sich, dass bei der Kontrolle am 13. April 2015 ein massiver Haarlingsbefall festgestellt wurde. Nach ihrer fachlichen Einschätzung war dieser Ektoparasitenbefall mit den in der tierärztlichen Praxis zur Verfügung stehenden Medikamenten gut wirksam zu bekämpfen und eine Behandlung schnellstmöglich einzuleiten, weil ein weiteres Zuwarten mit der Behandlung den Zeitraum, in dem die Pferde dem Juckreiz und somit Leiden ausgesetzt sind, unnötig verlängern würde. Diese fachliche Einschätzung der beamteten Tierärztin, der bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG eingehalten sind, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zukommt (stRspr., vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2017 – 9 ZB 15.187 – juris Rn. 7 m.w.N.) und die im Laufe des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens in Folge weiterer Kontrollen durch mehrere weitere Stellungnahmen der beamteten Tierärztin ergänzt und konkretisiert wurde, wird durch das Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Das bloße Bestreiten des Parasitenbefalls und das Behaupten einer wirksamen Behandlung, das in offenem Widerspruch zu den Feststellungen der beamteten Tierärztin steht, wie sie sich der umfangreichen Aktenlage und den Lichtbildern entnehmen lassen, reicht hierfür nicht aus (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2016 – 9 BV 15.1032 – juris Rn. 30). Auf den Lichtbildern (vgl. Bl. 10 ff. der Behördenheftung) zeigt sich auch, dass sich haarlose Stellen von geschorenen Stellen deutlich unterscheiden lassen und die Pferde unmittelbar am Zaun waren, so dass dort eine Untersuchung und Sicherstellung der Haarlinge möglich war. Aufgrund dieser Feststellungen kommt es auf die Frage der Wirksamkeit des vom Kläger vorgeblich schon seit einem Monat vorher eingesetzten Mittels nicht an.

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Soweit im Zulassungsvorbringen die fehlende Anhörung des Klägers vor Erlass des Bescheids vom 17. April 2015 gerügt wird, lässt sich diesem Bescheid ohne Weiteres entnehmen, dass auf Grund der Dringlichkeit der notwendigen Haarlingsbehandlung der Pferde von einer Anhörung abgesehen wurde. Dass nach der Kontrolle vom 13. April 2015 zunächst über zwei Tage hinweg versucht wurde, mit dem Kläger telefonisch Kontakt aufzunehmen (vgl. Bl. 144 der Behördenakte), steht der Annahme einer Dringlichkeit nicht entgegen. Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG ist eine Anhörung auch dann entbehrlich, wenn eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig erscheint, um unnötige Leiden der Pferde zu vermeiden (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 9 C 16.526 – juris Rn. 14). Dies war hier nach der fachlichen Einschätzung der beamteten Tierärztin der Fall. Hierzu sowie zu der Frage, ob die unterbliebene Anhörung nicht durch das behördliche Vorgehen während des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens, insbesondere im Hinblick auf das außergerichtliche Schreiben des Landratsamts vom 10. Juni 2015 (Bl. 214 der Behördenakte) entsprechend Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden ist, lässt sich dem Zulassungsvorbringen nichts entnehmen.

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b) Die Rechtssache ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb diese Frage eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2017 – 9 ZB 14.1914 – juris Rn. 13 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen bereits nicht gerecht, weil es insoweit an entsprechenden Formulierungen und Ausführungen vollständig fehlt. Abgesehen davon ist nach den obigen Ausführungen die Frage, ob „Gefahr in Verzug“ vorlag, nicht entscheidungserheblich und sind die Feststellungen, die zum Erlass des Bescheids vom 17. April 2015 geführt haben, ausweislich der Aktenlage aufgrund eines Hinweises vom 13. April 2015 (Bl. 127a der Behördenakte) und der behördlichen Kontrolle vom selben Tag (Bl. 131 der Behördenakte) ergangen. Der Anordnung lagen damit – entgegen der Ansicht des Klägers – keine zweijährigen Ermittlungen zugrunde.

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c) Die Berufung ist nicht wegen einer Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.

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Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Im Zulassungsantrag muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21/16 – juris Rn. 5). Dem wird das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht gerecht, weil bereits kein divergierender Rechtssatz dargelegt wird.

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Im Übrigen beruft sich der Kläger auf eine Divergenz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1983 (Az. 3 C 27.82 – BVerwGE 68, 267) hinsichtlich der Anforderungen an die Annahme einer „Gefahr in Verzug“. Das Verwaltungsgericht sei dem hierbei anzulegenden strengen Maßstab nicht gerecht geworden. Das Zulassungsvorbringen hält damit dem Verwaltungsgericht allerdings lediglich vor, die Voraussetzungen für die Annahme einer Gefahr in Verzug fehlerhaft verneint zu haben. Abgesehen davon, dass diese Frage – wie bereits ausgeführt – nicht entscheidungserheblich ist, kann darauf eine Divergenzrüge nicht gestützt werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris Rn. 19 m.w.N.).

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d) Es liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

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Die Rüge, das Verwaltungsgericht sei den Beweisanträgen des Klägers nicht nachgegangen, genügt bereits den Darlegungsanforderungen an eine Verfahrensrüge nicht (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 3.6.2014 – 2 B 105.12 – juris Rn. 26). Im Übrigen verletzt ein Gericht seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Denn die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO greift grundsätzlich nicht, wenn das Verwaltungsgericht den aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge oder einer Beweisaufnahme für aufgeklärt hält und von einer (weiteren) Beweiserhebung absieht. Hier hat der Kläger ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2015 (Bl. 52 der Verwaltungsgerichtsakte) keinen Beweisantrag gestellt. Der pauschale Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2015, „er möchte, dass die von ihm angebotenen Beweismittel zugelassen werden“, genügt hierfür nicht. Abgesehen davon war im Hinblick auf die weiteren Ausführungen des Klägers, dies beziehe sich „auch auf die Vorwürfe, er habe bereits in den 90er Jahren gegen tierschutzrechtliche Maßnahmen verstoßen“, mangels Entscheidungserheblichkeit eine Beweiserhebung nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nicht geboten (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – juris Rn. 2).

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Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich dem Gericht die Beweiserhebung, offensichtlich hätte aufdrängen müssen (vgl. OVG LSA, B.v. 4.11.2016 – 3 L 162/16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dies ist hier aber nicht der Fall und lässt sich auch nicht aus der o.g. Formulierung des Klägers herleiten. Denn der vom Kläger im Schriftsatz vom 25. Oktober 2015 (Bl. 48 der Verwaltungsgerichtsakte) nicht namentlich benannte Hufschmied ist bereits nicht geeignet, die vorrangige fachliche Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärztin in Frage zu stellen. Darüber hinaus war auch das in diesem Zusammenhang bezeichnete Symptom der Hufrehe nicht entscheidungserheblich. Aus der vom Kläger vorgelegten Bestätigung des Tierarztes Dr. K… über eine Untersuchung der Pferde vom 21. Oktober 2015 (Bl. 51 der Verwaltungsgerichtsakte) lassen sich keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Sachbehandlung des Landratsamtes oder gegenteilige fachliche Einschätzung des Tierarztes entnehmen. Die Bestätigung wurde vielmehr vom Landratsamt als Nachweis der erfolgreichen Behandlung akzeptiert und auch seitens des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf eine damit eingetretene Erledigung der Anordnung nicht in Frage gestellt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.

Randnummer22
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).