Begegnung mit einem LKW
Wie wird die Haftung aufgeteilt bei Beteiligung einer 13jährigen Jugendlichen, einem Pony und einem LKW an einem Unfall, wenn beide, Fahrer und Reiterin jeweils ein leichtes Mitverschulden an dem Unfall trifft? Welche Aspekte spielen dabei eine Rolle? Die Geschädigte war in diesem tragischen Fall die Mutter der Ponyreiterin, der das Pony gehörte. Denn das Pony scheute vor dem vorbeifahrenden LKW und
verletzte sich dabei so schwer, dass es in der Folge euthanasiert werden musste. Die Ponyeigentümerin klagte gegen Fahrer, Halter und Versicherung des LKW. Der Fall wurde im April diesen Jahres in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt.
Die Ponyreiterin ritt mit der Ponystute an einem Vormittag auf der rechten Seite einer einspurigen Fahrbahn, als ihr der LKW entgegen kam. Dieser verlangsamte seine Geschwindigkeit und passierte Pferd und Reiterin, wobei er selbst an den rechten Fahrbahnrand rüber zog. Als der Sattelzug mit Auflieger etwa zur Hälfte an Pferd und Reiterin vorbei gefahren war, scheute das Pony, stieg und berührte mutmaßlich auch den LKW (diese Tatsache ließ sich nicht mehr sicher aufklären). Da das Pony eingeschläfert werden musste verlangte die Eigentümerin (Mutter der Reiterin) nun Schadensersatz für das Pony in Höhe von 10.000 Euro und Behandlungskosten. Das Landgericht Verden bewertete den Verkehrswert des Ponys nach einer sachverständigen Beurteilung mit 8000,00 Euro und sprach der Klägerin die Hälfte davon zu. Die Haftungsquote wurde damit zu jeweils 50 % zwischen Pony und LKW aufgeteilt. Die Geschädigte legte die Berufung ein, aber das Oberlandesgericht bestätigte das Ergebnis des erstinstanzlichen Gerichts. Interessant sind allerdings die verschiedenen Aspekte, die dabei in die „Waagschale geworfen“ wurden und mit welchem Gewicht diese jeweils bei der Abwägung berücksichtigt wurden. Zunächst wurde der Geschädigten selbst von der Beklagtenseite vorgeworfen, ihre erst 13jährige Tochter überhaupt allein mit dem jungen (6-jährigen) Pony an der Straße entlang reiten zu lassen. Diese hätte zudem absteigen und das Pferd an der Trense festhalten müssen. Diese beiden Argumente wurden jedoch durch das Landgericht zurückgewiesen. Weder Mutter noch Tochter sei ein Verschuldensbeitrag an dem Unfall anzulasten. Allerdings sei die eigene Tiergefahr des Ponys, die sich vorliegend durch das Scheuen vor dem LKW realisiert habe, gegenüber der Betriebsgefahr des LKW und der Fahrerhaftung mit 50 % zu bewerten so dass es zu einer gleichmäßigen Haftungsverteilung komme.
In der nächsten Instanz wurde eine andere Bewertung der verursachenden Beiträge und des Verschuldens vorgenommen, die allerdings zu dem gleichen Haftungsergebnis führte: das Berufungsgericht sah zunächst auch ein Mitverschulden des LKW-Fahrers als gegeben an, da er den seitlichen Abstand zu dem Pony nicht eingehalten hatte. Es sei notwendig und dem Fahrer vorliegend auch möglich gewesen einen seitlichen Abstand von 1,50 bis 2 Meter zu der Jugendlichen mit dem Pony einzuhalten. Er hätte den neben der Fahrbahn befindlichen Randstreifen angesichts der Situation ausnahmsweise ausnutzen dürfen, bzw. müssen um den angemessenen Abstand zu erreichen. Andernfalls hätte er alternativ
anhalten müssen, um Pony und Reiterin passieren zu lassen.
Ein Mitverschulden der Klägerin sah auch das Oberlandesgericht nicht als gegeben an, da sich weder das Alter der Reiterin noch das des Ponys irgendwie kausal für das Unfallgeschehen gezeigt hatten. Allerdings sah das Gericht einen Mitverschuldensanteil der 13jährigen Reiterin selbst darin, nicht sorgfältig genug dafür gesorgt zu haben, das Zusammentreffen mit dem LKW zu vermeiden. Diese hatte ihr Pony lediglich angehalten und mit dem Kopf zur Fahrbahn gestellt, damit es den LKW sehen konnte. Das Gericht war der Ansicht, dass diese Vorgehensweise nicht ausreichend genug war, um das Erschrecken und Scheuen des Ponys zu vermeiden. Die Reiterin hätte diese Gefahr reduzieren können, indem sie abgestiegen wäre und geführt hätte oder ein Stück zurückgeritten wäre, um den LKW an einer breiteren Stelle passieren zu lassen. Aufgrund beiderseitigen Mitverschuldens kam das Gericht somit am Ende zur Bestätigung der Haftungsquote 50 % zu 50 % (OLG Celle, 10.04.2018, 14 U 147/17).