Pferderecht Alttag

Beim Verladen gibt es Tücken

Sowohl in praktischer als auch in juristischer Hinsicht ist der Verladevorgang eines
Pferdes auf den Anhänger eine heikle Angelegenheit. Kommt Mensch, Tier oder
Anhänger dabei zu Schaden, ist die Frage nach der Haftung sehr komplex: dabei
kommt es auf mehrere Umstände an, die für die Haftung und auch für Ausschlüsse
derselben eine Rolle spielen.
Zunächst zählt das Be – und Entladen eines Anhängers, der fest mit dem
Zugfahrzeug verbunden ist, zum Betrieb des Kraftfahrzeugs, so dass grundsätzlich
für Schäden, die im Zusammenhang mit diesem Betrieb eintreten, die Kfz-
Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeugs eintritt (§ 7 StVG). Ist der Anhänger
geliehen oder gemietet und sind somit die Versicherer von Zugfahrzeug und Hänger
verschieden, dann haften diese in der Regel jeweils zu 50 %.
Nun kann diese Kfz-Halterhaftpflicht aber bereits gegenüber demjenigen
Geschädigten ausgeschlossen sein, der „bei Betrieb des Fahrzeugs tätig wird“ (§ 8
Nr. 2 StVG), dies ist klassischer Weise der Fahrer des Fahrzeugs, kann aber auch
der Beifahrer oder eben ein Verladehelfer sein. Hierfür kommt es auf die Art und
Weise der Beziehung des Helfers zum Gespann an. In einem Fall, in dem die das
Pferd verladende verletzte Reiterin auch das Zugfahrzeug hätte fahren sollen, war
die Haftung der Kfz – Halterhaftpflichtversicherung dieser gegenüber
ausgeschlossen, weil sie eben im Sinne der Vorschrift „bei Betrieb des Fahrzeugs“
tätig gewesen war, als sie beim Verladen des Pferdes getreten wurde (Landgericht
Münster, 31.07.2019, 4 O 534/16). In einem anderen Fall sah das Gericht bei der
Hilfe einer Reiterkollegin beim Verladen eines Pferdes auf dem Turnierplatz diesen
Zusammenhang nicht als gegeben an und die Haftung auch deswegen nicht
ausgeschlossen (OLG Frankfurt, 31.10.2008, 24 U 51/08). Auch der
Bundesgerichtshof fordert für diesen Zusammenhang „bei Betrieb des Fahrzeugs“
eine gewisse Dauerhaftigkeit der Beziehung des Geschädigten zu diesem Betrieb
oder eine besondere Nähe und Unmittelbarkeit der Hilfeleistung, mit der sich der
Hilfeleistende mehr als die sonstige Allgemeinheit den Triebkräften des Kfz aussetzt
(BGH, 05.10.2010, 286/09).
Kommt nun noch das Pferd als hauptsächlicher Verursacher des Unfalls ins Spiel,
kann dem Tierhalter – bzw. mittelbar der dahinterstehenden
Tierhaftpflichtversicherung – ein überwiegender Teil oder gar die gesamte Haftung
zuzuordnen sein (§ 17 Abs. 4 StVG).
Die Haftung des Tierhalters wiederum kann dadurch eingeschränkt sein oder
vollständig zurücktreten, dass den Geschädigten selbst ein erhebliches
Mitverschulden, etwa durch Unachtsamkeit oder grob fahrlässiges Vorgehen, an dem
Unfall trifft (§§ 9 StVG § 254 BGB und § 840 Abs. 3 BGB). Wann genau und in
welchem Umfang dieses Mitverschulden vorliegt, unterliegt in jedem einzelnen Fall
der konkreten Sachverhaltsdarstellung durch die Beteiligten und Zeugen, der
Beurteilung dieses Sachverhalts durch Sachverständige und am Ende der
Gesamtbewertung durch Gerichte. Im Prinzip sollte kein erfahrener Pferdemensch
sich hinter einem Pferd in Hufschlagweite aufhalten, so dass er getroffen werden
kann (Landgericht Münster, s.o.) andererseits lässt sich dies auch nicht immer
vermeiden beim Verladen und zum Vorwurf machen (OLG Frankfurt, s.o.).
Die Haftung von beteiligten Personen, Fahrzeug- oder Tierhaltern ist wiederum dann
vollständig ausgeschlossen, wenn die Schädigung im Rahmen eines
Beschäftigungsverhältnisses geschieht, dann liegt nämlich ein Arbeitsunfall vor, für
den die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) eintritt. Daneben gilt
nun ausgerechnet bei Pferdehaltern noch eine Besonderheit: Auch der normale
private Reittierhalter gilt nach dem Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) als
„Unternehmer“. Treten nun Schäden bei Helfern ein, die „wie ein Arbeitnehmer“ für
den Tierhalter tätig werden, dann führt dies unter Umständen zur Eintrittspflicht der
Landesunfallkasse. Bei einer spontanen, freiwilligen, unentgeltlichen Hilfeleistung
beim Verladen wird hiervon in der Regel allerdings nicht auszugehen sein. So wurde
auch die Schädigung einer Verladehelferin auf einem Reitturnier von den
Sozialgerichten nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Die Reiterin führte das Pferd auf
den Anhänger, die Helferin stand seitlich dahinter. Das Pferd riss sich los, drehte sich
weg und keilte aus. Die Helferin wurde von dem Tritt im Bauchraum getroffen und
erlitt dabei schwerste Verletzungen, aufgrund der sie dauerhaft arbeitsunfähig wurde
und nun Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht. Sie konnte für ihren gesamten Schaden
sowohl die Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeugs als auch die Tierhalterin in
Anspruch nehmen (BGH, Urteil vom 09.11.2010, VI ZR 300/08).