Pferderecht Alttag

Das Anfängerpferd

Gibt es das überhaupt? Das Pferd, welches jeden Anfänger ruhig und geduldig
aufsteigen lässt, brav und zuverlässig – ja geradezu unerschütterlich nicht nur an
sämtlichen Ablenkungen durch die Umwelt vorbeischnurrt, sondern auch sämtliche
Lektionen und Bahnfiguren sowie das Wechseln der Gangarten trotz unsicherer
Hilfengebung absolviert? Antwort aus praktischer Erfahrung: Ja das gibt es! Ein
Pferd kann charakterlich so ruhig und ausgeglichen sein und durch gute solide
Grundausbildung auch dazu geeignet sein, einem Anfänger als Lehrpferd zu dienen.
Wobei diese Charaktereigenschaft natürlich auch durch einen ruhigen und
gelassenen Umgang mit dem Pferd gepflegt sowie der Ausbildungsstand durch
regelmäßigen Reitunterricht erhalten werden muss. Schließlich ist das
Zusammenspiel von Reiter und Pferd dynamisch und unterliegt der wechselseitigen
Beeinflussung.
Schwierig ist es deswegen, ein solches Pferd zum Kauf zu finden, da noch stärker
als bei anderen Pferdekäufen das Zusammenpassen von Pferd und Reiter eine Rolle
spielt, damit das Paar dauerhaft harmoniert. Gerade aufgrund dieser äußerst
subjektiven Komponenten ist es – im Übrigen nicht nur bei Anfängerpferden –
schwer, Rittigkeitsmängel kaufvertraglich erfolgreich zu reklamieren.
Entscheidend dafür, ob Ausbildungsstand des Pferdes, Charaktereigenschaften oder
Geeignetheit für bestimmte Zwecke als Mangel im Sinne des Gewährleistungsrecht
gelten oder nicht ist zunächst, was die Parteien vertraglich vereinbart und
vorausgesetzt und welche Zusicherungen der Verkäufer im Hinblick auf das
sportliche Können des Pferdes getätigt hat.
Wurde ein Pferd ausdrücklich mit einem bestimmten Ausbildungsstand oder zu
einem bestimmten Zweck verkauft, so muss unter Umständen der Verkäufer auch die
Gewähr dafür übernehmen, dass dieser Zustand zumindest zum Zeitpunkt der
Übergabe auch bestand.
Die tatsächliche Schwierigkeit bei Kaufstreitigkeiten über eine bestimmte Eigenschaft
oder die Nichteignung des Pferdes zum vereinbarten Verwendungszweck liegen auf
Käuferseite jedoch im Bereich der Nachweisbarkeit. Der Verkäufer wird regelmäßig
anführen, dass es doch beim Ausprobieren des Pferdes keine Probleme gegeben
habe und ggf. Zeugen dafür benennen, dass das Pferd bis zum Zeitpunkt der
Übergabe keine Schwierigkeiten bereitet habe. Oftmals wird es dann dem Reiter
angekreidet, dass er eben nicht fachgerecht mit dem Pferd umgehe und dieses durch
den Stallwechsel ggf. gestresst sei.
Kommt es sodann zu keiner Einigung zwischen den Parteien und der Fall vor
Gericht, vergehen dann zumeist Monate, bis das Pferd einem Sachverständigen für
Pferde zur Begutachtung vorgeführt wird. Dieser Umstand wiederum ermöglicht
kaum noch eine objektive Bewertung, in welchem Zustand sich das Pferd zum
Zeitpunkt des Kaufes dargestellt hat, zumal in der Zwischenzeit das Pferd ja auch
wieder Erfahrungen ggf. mit verschiedenen Reitern machen musste oder auch gar
nicht mehr geritten wurde.
Dennoch ist die Beweisführung auch in Rittigkeitsfragen nicht unmöglich: So gelang
es nunmehr durch ein Urteil des OLG Oldenburg vom 1.Februar diesen Jahres einer
Käuferin die Rückabwicklung eines Pferdekaufes gerichtlich durchzusetzen, da sich
das Pferd erwiesenermaßen nicht als Anfängerpferd eignete, zu welchem Zwecke es
erworben worden war. Sowohl der Reitlehrer der Käuferin, als auch andere erfahrene
Reiter vom Stall der Käuferin bestätigten vor Gericht, dass das streitgegenständliche
Pferd vom Tage der Anlieferung an nervös auf Menschen reagierte, sich ungern
longieren ließ und nicht beim Aufsteigen stillstand und festgehalten werden musste,
so dass es für die Klägerin, die Reitanfängerin war, selbst unter Mithilfe und
Anleitung schlichtweg ungeeignet war. Diese Ungeeignetheit wurde gerichtlich
zusätzlich durch eine sachverständige Begutachtung überprüft, die dies im Ergebnis
bestätigte.
Der Sachverständige berücksichtigte dabei, dass er natürlich im Gegensatz zur
Klägerin und den Zeugen nicht unvoreingenommen sondern aufgrund der
Vorgeschichte naturgemäß vorsichtig mit dem Pferd umgegangen sei. Dennoch
konnte er bestätigen, dass das Pferd grundsätzlich scheu und äußerst sensibel auf
den Umgang mit Menschen reagierte, man beim Longieren bestimmte
Vorsichtsmaßnahmen treffen musste und auch dass das Aufsteigen zunächst nur mit
festhalten möglich war und das Pferd auch danach kein einziges Mal ruhig stand.
Da unstreitig zwischen den Parteien jedoch vereinbart war, dass es sich um ein
umgängliches, lektionssicheres und leichtrittiges Pferd handeln sollte, welches sich
für einen Reiter mit geringen Erfahrungen eignen sollte, stand nunmehr zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass dem nicht so war. Der Kauf war
rückabzuwickeln (OLG Oldenburg, 1 U 51/16).