Pferderecht Alttag

Der Tanz mit dem Wolf – Artenschutz kontra Schadensprognose

Immer wieder tauchen in den letzten Jahren in allen Bundesländern vermehrt Wölfe auf und es kommt zu Rissen – nicht nur von Nutztieren, sondern auch von Pferden. Vor den Gerichten wird um Abschussgenehmigungen gestritten. Entschädigungszahlungen gibt es auch für Pferdehalter. Im Februar 2024 wurde in drei Fällen jeweils eine Abschussgenehmigung für Wölfin Gloria zu Fall gebracht (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 09.02.2024, 21 B 74/24, 75/24 und 76/24), die der Kreis Wesel erteilt hatte. In Niedersachsen hielt die Abschussgenehmigung für einen Wolf, der Pferde und Rinder gerissen hatte, der gerichtlichen Überprüfung hingegen stand (Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 24.11.2020, 4 ME 199/20) und wurde sogar mehrfach verlängert.

Nachdem dem männlichen Leitwolf GW 717 des so genannten Rodewalder Rudels eine Reihe von Schaf-, Rinder-und Pferderissen nachgewiesen werden konnten, wurde eine Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete Tötung dieses Wolfes erteilt. Die Befristung des Bescheides wurde mehrfach verlängert, da der Wolf trotz erheblichen Arbeits- und Kostenaufwands nicht erlegt werden konnte. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahmegenehmigung sind im Bundesnaturschutzgesetz geregelt. § 44 BNatschG verbietet es, „wild lebenden Tieren der besonders geschützten Art nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.“ In § 45 BNatschG werden dann Ausnahmen von dieser Regel formuliert. Danach können „die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden und das Bundesamt für Naturschutz von den Verboten des § 44 im Einzelfall Ausnahmen zulassen,

1. zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei- oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,

2. zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,

3. für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,

4.im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder

5. aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.

Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert…“ .

Im Mai 2020 kam es in einem Landkreis zu einem Rinderriss und im Juni 2020 in einem anderen Landkreis zum Riss von zwei Pferden. Ein weiteres Pferd verletzte sich bei einem Fluchtversuch. Daraufhin erteilte die zuständige Behörde eine sofort vollziehbare weitere Ausnahmegenehmigung zum Abschuss des Wolfes GW 717 bis

Dezember 2020. Die Ausnahmegenehmigung wurde von einem Artenschützer  gerichtlich angegriffen, da er der Ansicht war, die Voraussetzungen zum Abschuss seien nicht gegeben. Die Risse hätten nicht zweifelsfrei dem Wolf GB 717 zugeordnet werden können, sondern mehreren verschiedenen Wölfen des Rudels. Dieses Argument drang jedoch nicht durch, da sich das Oberverwaltungsgericht Lüneburg auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes berief, das erste, welches sich mit dem Abschuss des Wolfes in Finnland beschäftigte und wonach eine zweifelsfrei eindeutige Identifizierung eines bestimmten Wolfes nicht notwendig sei, da der Wolf im Allgemeinen in einem Rudel lebe und dies insofern dies keine umsetzbare Vorgabe wäre (EuGH, Urt. v. 14.6.2007 – C-342/05 -). Ein weiteres Argument des Abschussgegners war, dass nicht genügend Schutzeinrichtungen wie Stromzäune und Schutzhunde zum Einsatz gekommen waren, um die Angriffe abzuwehren und dass dies das zunächst mildere Mittel wäre. Dieses Argument konnte bei Gericht aber auch nicht punkten, da zunächst ein unzumutbarer Kostenaufwand für sämtliche Rinder- und Pferdehalter entstehen würde, aber auch ungeachtet dieses Kostenaufwandes die Maßnahme auch nicht geeignet sei, um Wolfsangriffe abzuwehren, da die Parzellen, auf denen Rinder und Pferde gehalten werden, schlichtweg viel zu groß seien und teilweise durch Wassergräben getrennt. Wölfin Gloria hingegen, für die der Landkreis Wesel im Dezember 2023 eine bis Februar 2424 befristete Ausnahmegenehmigung zum Abschuss erteilt hatte, wurde vom Oberverwaltungsgericht NRW in Münster gerettet. Die Ausnahmegenehmigungen des Landkreises waren in den betreffenden drei Fällen defizitär, was die Abwägung von Schadensprognose und den Vorrang von Artenschutz betraf.

Entschädigungsleistungen und Subventionen für Schutzmaßnahmen gibt es fast in allen Bundesländern auch für Pferdehalter. Weitergehende Informationen hierzu sind sowohl auf der Seite der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und der DBBW, der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf.

Der DBBW hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Naturschutz Empfehlung zum Schutzvon Weidetieren und Gehegewild vor dem Wolf  ausgearbeitet. Denn der Wolf ist in Deutschland streng geschützt und darf nicht bejagt werden. Bei „Problemwölfen“, die beispielsweise Weidetiere trotz Schutzmaßnahmen reißen, macht man in letzter Konsequenz eine Ausnahme.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat sich beim Thema Wolf mit weiteren Interessenvertretern, dem Deutschen Bauernverband und unterschiedlichen Nutztier-Zuchtverbänden zusammengetan. Gemeinsam setzen sich die Verbände bei den zuständigen Ministerien und Behörden für die Belange der Tierhalter ein und fordern zum Beispiel die Bejagung des Wolfes nach skandinavischem Modell.

Exkurs Gesetz:

Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG)
§ 45a Umgang mit dem Wolf

(1) Das Füttern und Anlocken mit Futter von wildlebenden Exemplaren der Art Wolf (Canis lupus) ist verboten. Ausgenommen sind Maßnahmen der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. § 45 Absatz 5 findet keine Anwendung.

(2) § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 gilt mit der Maßgabe, dass, wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf. Ernste wirtschaftliche Schäden im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 können auch drohen, wenn ein Wolf nicht landwirtschaftlich gehaltene Weidetiere reißt, soweit diese durch zumutbare Herdenschutzmaßnahmen geschützt waren. Die in Satz 1 geregelte Möglichkeit des Abschusses weiterer Wölfe gilt auch für Entnahmen im Interesse der Gesundheit des Menschen nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4. Die Anforderungen des § 45 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind zu beachten.

(3) Vorkommen von Hybriden zwischen Wolf und Hund (Wolfshybriden) in der freien Natur sind durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde zu entnehmen; die Verbote des § 44 Absatz 1 Nummer 1 gelten insoweit nicht.

(4) Bei der Bestimmung von geeigneten Personen, die eine Entnahme von Wölfen nach Erteilung einer Ausnahme gemäß § 45 Absatz 7, auch in Verbindung mit Absatz 2, sowie nach Absatz 3 durchführen, berücksichtigt die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde nach Möglichkeit die Jagdausübungsberechtigten, soweit diese ihr Einverständnis hierzu erteilen. Erfolgt die Entnahme nicht durch die Jagdausübungsberechtigten, sind die Maßnahmen zur Durchführung der Entnahme durch die Jagdausübungsberechtigten zu dulden. Die Jagdausübungsberechtigten sind in geeigneter Weise vor Beginn über Maßnahmen zur Entnahme zu benachrichtigen; ihnen ist nach Möglichkeit Gelegenheit zur Unterstützung bei der Durchführung der Entnahme zu geben. Bei Gefahr im Verzug bedarf es der vorherigen Benachrichtigung nach Satz 3 nicht.