Alttag

Einwirken auf ein Pferd als Straftat?

Gegenstand einer Nachbarschaftsstreitigkeit waren unter anderem immer wieder Versuche eines Ehepaares, die Pferde der benachbarten Familie beim Passieren ihres Grundstückes zu erschrecken – was die Pferdebesitzerin zur Erstattung von Strafanzeigen in mehreren Fällen veranlasste. In einem Fall wurden die Nachbarn vom örtlichen Amtsgericht wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt. Das Urteil hielt jedoch den Rechtsmitteln nicht stand.

Zwischen dem Grundstück eines Ehepaares und einer Familie mit Pferden verlief eine öffentliche Gemeindestraße, auf der die Pferdebesitzer oftmals lang ritten. Da das Ehepaar bereits dafür bekannt war, immer wieder die Pferde der Nachbarin zu erschrecken, wenn sie an seinem Grundstück vorbeiritt, schaltete die Reiterin schon ca. eine Minute vor Erreichen des Nachbargrundstücks die Kamera ihres Mobiltelefons ein. An diesem Tage waren die Nachbarn gerade mit Schneeschnippen beschäftigt, als die Pferdebesitzerin vorbeiritt. Einer der Beiden warf mit der Schneeschaufel mit etwas Schnee nach dem passierenden Pferd, wodurch dieses sich erschreckte, allerdings nicht in dem Maße, dass die Reiterin dies nicht unter Kontrolle bekam. Es kam weder zu einem Sturz noch zu einer Verletzung der Reiterin. Diese geriet allerdings daraufhin mit den Nachbarn in ein Streitgespräch und provozierte diese in dem sie schrie: „Macht nur weiter! Komm, noch `ne Schippe!“ Nun wurde vom Anwesen des Nachbarn noch mal eine Schaufel Schnee von der Terrasse in Richtung der Reiterin und des Pferdes geworfen, woraufhin diese darauf hinwies, dass dies ein Nachspiel haben werde und in ihr gegenüberliegendes Grundstück ritt. Eine weitere Schreckreaktion des Pferdes durch das Verhalten des Nachbarn war nicht erfolgt. Vor dem Amtsgericht wurden die beiden Nachbarn wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter vorsätzlicher Körperverletzung jeweils zu Geldstrafen verurteilt. Das Landgericht Bayreuth hob das erstinstanzliche Urteil jedoch auf die Berufung der Angeklagten hin wieder auf und sprach die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei. Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr setze den Eintritt einer konkreten Gefahr voraus, welche bei einer Einwirkung auf ein Pferd noch nicht gegeben sei, wenn dieses zwar kurzzeitig in Aufregung gerate, der Reiter es aber unter Kontrolle bringen könne. Das Berufungsgericht konnte auch nicht feststellen, dass die Nachbarn einen Sturz der Reiterin beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hatten sowie eine daraus resultierende Verletzung. Eine konkrete Gefahr sei nur dann anzunehmen, wenn die Tathandlung über eine gewisse abstrakte Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation führe, in der die Sicherheit einer Person oder Sache so stark beeinträchtigt werde, dass es nur noch vom Zufall abhänge, ob sich die Gefahr realisiere oder nicht. Dies sei nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen. Ein solcher Beinahe-Unfall sei durch das vorliegende Geschehen nicht eingetreten. Das von der Nachbarin gerittene Pferd sei zwar durch den ersten Schneewurf etwas in Aufregung geraten, was die Reiterin jedoch in wenigen Sekunden unter Kontrolle brachte, zumal es ihr auch offensichtlich immer noch gelang, mit einer Hand das Ganze mit der Handy Kamera aufzunehmen. Zu einer konkreten Gefährdung für Pferd, Reiterin oder sonstige Verkehrsteilnehmer, die ohnehin nicht zugegen waren, sei es demnach nicht gekommen. Der zweite Schneewurf sei gar selbst durch die Reiterin provoziert worden, in dem diese mit den entsprechenden Worten dazu sogar aufforderte. Auf diese zweite Schaufel Schnee reagierte das Pferd überhaupt nicht mehr, sodass durch das Handeln der des Nachbarehepaars allenfalls von einer abstrakten Gefahr gesprochen werden könne, die sich zwar theoretisch zu einer Verletzung entwickeln hätte können, was jedoch für eine strafrechtliche Verurteilung nicht ausreiche. Gegen die Freisprüche wendete sich wiederum die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Rechtsmittel der Revision, jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht habe die Lage in dem vorliegenden Fall zutreffend eingeschätzt und sei zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, dass man dem Ehepaar weder die konkrete Gefährdung der Nachbarin oder gar deren Verletzung anlasten könne, noch, dass diese gewollt gewesen wäre (BayObLG, 16.12.2022, 202 StRR 110/22). Die von dem einen Nachbarn auf dem Handyvideo noch deutlich zu vernehmende Beleidigung der Reiterin wurde nicht berücksichtigt, da diese keinen Strafantrag deswegen gestellt hatte. Das Aufnehmen von Videos oder Ton mit beteiligten Personen, die dem nicht vorher zugestimmt haben, erfüllt übrigens ebenfalls einen Straftatbestand. Solche Aufnahmen dürfen auch vor Gericht nicht als Beweismittel verwendet werden – es sei denn sie dienen der Aufklärung einer schwerwiegenden Straftat.