Pferderecht Alttag

Eltern haften gegenüber ihren eigenen Kindern

In zwei getrennten Verfahren musste der Bundesgerichtshof Anfang des
Jahres über die Haftungsaufteilung in einem tragischen Vorfall entscheiden,
bei dem ein dreijähriges Kind auf einem Reitturnier von einem Pferdehuf am
Kopf getroffen und dabei schwer verletzt wurde – in Anspruch genommen
wurden die Tierhalterin und deren Versicherung, die jedoch wiederum Regress
vom Turnierveranstalter und den Eltern selbst forderten (BGH, Urteile vom
19.01.2021, VI ZR 194/18 und 210/18).
Die in dem einen Verfahren von der Tierhalterin und deren
Tierhalterhaftpflichtversicherung verklagten Eltern besuchten mit ihrem dreijährigen
Kind ein Reitturnier, wo sie zwischen Springplatz und Reithalle verschiedene
Verwandte und Bekannte trafen und sich an einen Biertisch setzten. Das Kind der
Beklagten entfernte sich unbemerkt mit einem anderen vierjährigen Kind und begab
sich zum Hängerparkplatz, wo aufgrund der hohen Temperaturen die meisten
Pferdeanhänger vorne und hinten offen, die Pferde nur durch die Stange gesichert,
unbeaufsichtigt standen. Auch die klagende Pferdehalterin hatte ihr Fahrzeug
weisungsgemäß auf dem vom Veranstalter vorgesehenen Parkplatz geparkt und
nachdem die Pferde verschiedene Prüfungen gegangen waren, diese wieder
aufgeladen. Die Rampe blieb wegen der Luftzufuhr geöffnet. Danach verließen die
Pferdehalterin und ihre Begleitung den Anhänger. Die Kinder fütterten die Pferde
zunächst, dann stieg das dreijährige Kind in den Pferdeanhänger und wurde von
einem Huf des Pferdes am Kopf getroffen.
Die Haftung der Pferdehalterin für die Verletzungsfolgen des Kindes besteht
unzweifelhaft aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung (§ 833 BGB),
weshalb die eigens dafür abgeschlossene Tierhalterhaftpflichtversicherung
naturgemäß auch Zahlungen geleistet hat. Nun wollte die Versicherung jedoch nicht
auf dem gesamten Schaden alleine sitzen bleiben, da sie der Ansicht war, sowohl
den Grundstückseigentümer als auch die Eltern des Kindes treffe ein Verschulden,
weshalb es zu den zwei jeweiligen Klageverfahren gegen Eltern und
Grundstückseigentümern kam, die in den jeweiligen Instanzen von den Gerichten
höchst unterschiedlich beurteilt wurden – von Klageabweisung bis hin zu
verschiedenen Haftungsaufteilungen im Verhältnis zwischen den Beteiligten war
alles dabei. Das Endergebnis des Bundesgerichtshofes im Falle der Haftung des
Grundstückseigentümers bei Veranstaltung eines Reitturniers fiel eindeutig zu
dessen Gunsten aus. Diesen traf keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht,
da er keinen Aufsichtsdienst zur Kontrolle des Anhängerparkplatzes abgestellt hatte.
Er durfte darauf vertrauen, dass Unfälle wie der vorgefallene dadurch verhindert
werden, dass Eltern ihrer gesetzlichen Aufsichtspflicht nachkommen und verhindern,
dass Kleinkinder sich unbeaufsichtigt zwischen den abgestellten Pferdetransportern
und Anhängern bewegen. Diesbezüglich musste er keinerlei eigene Vorkehrungen
treffen. Das Kleinkind hätte – insbesondere unter Berücksichtigung der Art der
Veranstaltung- so beaufsichtigt werden müssen, dass es nicht aus dem Blickfeld
gerät und bei Veranlassung dazu sofort an die Hand genommen werden kann. Die
bloße Möglichkeit des Versagens der Eltern oder anderen Aufsichtspersonen lege
nicht dem Grundstückseigentümer die Pflicht auf, die Lücken, die durch diese
Versäumnisse entstehen zu schließen. Insofern fiel das Verfahren gegen die Eltern
dementsprechend so aus, dass diese aufgrund ihrer eigenen (sowohl
familienrechtlich begründeten aber auch verschuldeten) Aufsichtspflichtverletzung
gegenüber dem Kind voll haften, was wiederum im Verhältnis zur Tierhalterin deren
vollständige Entlastung bedeutete (mit Ausnahme der sozialversicherungsrechtlichen
Ansprüche). Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Kinder richte sich immer nach
deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sie Grenze der erforderlichen und
zumutbaren Maßnahmen danach richte, was verständige Eltern nach vernünftigen
Anforderungen tun müssen, um Schädigungen zu verhindern – so der Leitsatz des
Urteils, welches die Feststellung traf, das im Verhältnis zwischen Eltern und
Tierhalterin allein die Eltern verantwortlich sind – diese übrigens ebenfalls als
Gesamtschuldner, also beide gemeinsam, da sich ein Elternteil, wenn keine
Absprachen getroffen wurden, nicht ohne weiteres darauf verlassen dürfe, dass der
andere schon das Nötige tun wird.