Pferderecht Alttag

Erhöhte Betriebsgefahr des Gespanns

Transporter und Pferdeanhänger wird im Straßenverkehr eine erhöhte
Betriebsgefahr zugeschrieben, den Fahrer eines Gespannes trifft eine erhöhte
Sorgfaltspflicht. Die Haftung in einem Fall, in dem ein Transporter mit
Pferdeanhänger links in eine Hofeinfahrt einbiegen wollte und mit einem von hinten
überholenden Fahrzeug kollidierte, wurde am Ende mit einer Haftung 70 (Überholer)
zu 30 (Gespann) entschieden. Der Fall weist einige verkehrsrechtliche
Besonderheiten auf.
Der Autofahrer überholte eine langsam fahrende Kolonne auf einer Strecke, auf der
normalerweise 100 km/h vorgeschrieben, baustellenbedingt jedoch die
Geschwindigkeit auf 40 km/h beschränkt war, mit erhöhter Geschwindigkeit, als das
an der Spitze der Kolonne fahrende Gespann, bestehend aus einem Transporter und
einem Pferdeanhänger, nach links in die Einfahrt eines Reiterhofes einbiegen wollte.
Die Fahrzeuge kollidierten im Heckbereich des Gespanns und der Anhängerdeichsel
so dass der Anhänger mit dem Pferd drin stürzte. Der Autofahrer erlitt bei dem Unfall
diverse Verletzungen und wurde bewusstlos ins Krankenhaus gebracht.
Später verlangte er Schmerzensgeld und Schadensersatz vor Gericht, welches somit
über die Haftungsquote zwischen den beiden Unfallbeteiligten entscheiden musste.
Dazu wurden die beiden Fahrer befragt und ein verkehrsanalytisches
Sachverständigengutachten eingeholt. Der Kläger behauptete, der Fahrer des
Gespanns sei plötzlich und unangekündigt abgebogen und hätte sein hellgelbes
Fahrzeug in der Rückschau sehen müssen. Der Gespannfahrer hingegen
behauptete, er habe sich mit seinem Zugfahrzeug bereits vollständig auf dem
Hofgelände befunden, als der gelbe Rennwagen mit voller Wucht auf den Anhänger
prallte.
Das Landgericht wies die Klage in erster Instanz vollständig ab, da der Kläger die
zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um mindestens 60 km/h überschritten
habe, während auf Beklagtenseite nur die einfache Betriebsgefahr zu
berücksichtigen sei, die in vorliegendem Falle hinter dem groben Verstoß des
Klägers gegen die Verkehrsregel zurücktrete. Der Kläger legte gegen das Urteil
Berufung ein und bekam teilweise recht.
Zunächst stellte das Oberlandesgericht fest, dass auf Beklagtenseite aufgrund der
Länge, der schweren Überschaubarkeit und Schwerfälligkeit des Gespanns eine
erhöhte Betriebsgefahr bestehe, die in vorliegendem Falle auch Auswirkungen auf
das Unfallgeschehen hatte. Denn schließlich hätte das Fahrzeug ohne den Anhänger
den Abbiegevorgang schon abgeschlossen zu dem Zeitpunkt an dem das
überholende Fahrzeug kollidierte. Die Länge und die Schwerfälligkeit beim
Abbiegevorgang haben sich demnach unfallursächlich ausgewirkt.
Zudem gibt es einen sogenannten Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger, dass
dieser seiner Rückschaupflicht nicht nachgekommen sei, wenn er ein überholendes
Fahrzeug übersieht. In diesem Fall sah das Oberlandesgericht nach erneuter
Befragung des Unfallsachverständigen als erwiesen an, dass der Gespannfahrer
seine doppelte Rückschaupflicht verletzt habe, denn sonst hätte er den Überholer,
der sich bei Einleitung des Abbiegevorgangs schon vollständig auf der linken Spur
befunden habe, sehen müssen. Deswegen wurde auch auf Beklagtenseite ein
Verkehrsverstoß bejaht.
Das zweitinstanzliche Gericht wertete die massive Geschwindigkeitsüberschreitung
des Klägers jedoch als gravierenderen Verstoß gegen die Verkehrsregeln als das
Übersehen des Beklagten so dass es die Haftungsanteile jeweils mit 70 % und 30 %
bewertete. Dabei betonte das Gericht noch einmal, dass an den Fahrer eines
Gespannes erhöhte Sorgfaltspflichten zu stellen sind und er dafür zur Sorgen habe,
dass beim Abbiegen keine anderen Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen. Im
Übrigen stufte das Gericht die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers auch
deswegen nicht als schwerwiegender ein, da auf dieser Landstraße grundsätzlich
100 km/h gefahren werden dürfe. Auch das Überholen der Kolonne sei nicht
grundsätzlich verboten. Deswegen sei der Verstoß nicht so erheblich zu bewerten,
als wenn regelrecht an dieser Stelle 40 km/h gefahren hätte werden müssen. Aber
auch den Überholer einer Fahrzeugkolonne treffe eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da
dieser Vorgang gefahrenträchtig ist. Somit kam das Gericht zu dem Ergebnis der 70
zu 30 %igen Haftungsquote (OLG Hamm, 16.11.2018, 9 U 138/17).