Pferderecht Alttag

Haftung eines Reitlehrers im Springunterricht

Nicht jede Abweichung von den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung
(z.B. beim Aufbau eines Trainingsparcours) stellt eine Pflichtverletzung des
Reitlehrers dar, die zu einer Haftung führt.
Ein verletzter Reitschüler, der im Springtraining mit seiner Stute in einem In-Out
Sprung stürzte, verklagte den Reitlehrer auf Zahlung von Schmerzensgeld und
Schadensersatz für Verdienstausfall aufgrund des Reitunfalls. Der erfahrene
Reitlehrer, der seit mehr als 20 Jahren im Prüfungsausschuss für Berufsreiter tätig
ist, gab eine Springstunde, an der der Kläger – ein langjähriger Hobbydressurreiter –
teilnahm. Aufgebaut war ein Cavaletti in 30 cm Höhe und nachfolgend in einem
Abstand von 2,40 m ein höheres Gatter als Steilsprung. Zunächst absolvierten die
Springschüler die Übung im Trab, wobei die Stute des Klägers das Cavaletti einmal
umwarf, danach zweimal fehlerfrei im Galopp. Nachdem das Gatter durch Auflegen
einer Stange erhöht worden war und der Kläger erneut sprang, fädelte die Stute mit
dem linken Vorderbein in die aufgelegte Stange und stürzte mit dem Kläger. Dieser
zog sich eine Trümmerfraktur sowie ein Bauch- und Thoraxtrauma zu.
Dem Springtrainer wurde mit der Klage vorgeworfen, der in den Richtlinien der
Deutschen Reiterlichen Vereinigung geforderte Mindestabstand zwischen Cavaletti
und Gatter für die Gangart Galopp von 3,00 bis 3,40 m sei nicht eingehalten worden.
Damit habe der Reitlehrer gegen anerkannte Regeln für Trainingsanlagen verstoßen.
Der Verstoß habe ein Gefahrenrisiko geschaffen, welches sich in dem Sturz
niedergeschlagen habe. Außerdem habe er die Fähigkeiten des Reitschülers und
seines Pferdes falsch beurteilt, zumal die Stute bereits beim ersten Durchlaufen der
Übung einen Fehler gemacht habe. Mit der Erhöhung des Gatters seien Reiter und
Pferd erkennbar überfordert gewesen. Der dritte Vorwurf bestand noch darin, den
Kläger nicht vom Auflegen der Stange informiert und auf die Gefahrerhöhung
hingewiesen zu haben.
Vor Gericht wurden zur Beurteilung dieser Fragen zwei Sachverständige bestellt, die
zu dem Ergebnis kamen, dass es nicht pflichtwidrig war, das Hindernis in einem
Abstand von 2,40m zu dem Cavaletti aufzubauen und auch nicht zu beanstandeten,
den Kläger mit seiner Stute in dem Ausbildungsstand diese Übung absolvieren zu
lassen. Weder Pferd noch Reiter seien damit überfordert gewesen. Der Fehler des
Pferdes, welcher schließlich zum Sturz geführt habe, sei auch nicht auf den
gewählten Abstand zwischen den Sprüngen zurück zu führen gewesen. Der erste
Fehler der Stute im Trab habe gezeigt, dass das Pferd das Hindernis nicht ernst
genommen und nicht hoch genug gesprungen sei. Nachdem es dann dreimal
fehlerfrei ging, konnte auch eine Stange aufgelegt werden. Die Übung sei sowohl für
den Kläger als auch die Stute möglich gewesen. Sie diente zur Gymnastizierung. Der
von der Stute gemachte Fehler sei bei keiner Sprunghöhe und keinem Abstand
ausgeschlossen gewesen. Selbst dann, wenn die reiterliche Unterstützung durch den
Kläger gefehlt habe, sein bei solch niedrigen Hindernissen davon auszugehen, dass
die Pferde sich selbst behelfen – so die Sachverständigen. Die Klage wurde in zwei
Instanzen abgewiesen (KG Berlin 02.03.2017; 11 U 5/16). In einem früheren Fall wurde es als Sorgfaltspflichtverletzung der Reitlehrerin
angesehen, bei einem ungelenken Aufstiegversuch eines Reitschülers das Pferd
nicht festgehalten zu haben. Sie hatte nur den Bügel gegengehalten. Das Pferd
stürmte los, der Reitschüler verletzte sich (OLG Düsseldorf, 11.06.2002, 4 U 207/01).
Eine Sorgfaltspflichtverletzung wurde auch bei einem Reitlehrer gesehen, der einen
Reitschüler weiter auf dem Zirkel traben ließ anstatt ihn dazu anzuhalten, zum Schritt
durch zu parieren, während ein anderer Pferdehalter mit seiner Stute an der Hand
und einem Fohlen bei Fuß die Halle durchquerte. Die Gefahr, dass das Pferd des
Reitschülers irgendeine nicht beherrschbare Reaktion auf die anderen Pferde zeigte,
hätte dadurch wesentlich reduziert werden können, indem der Reitlehrer den Schüler
zunächst einmal hätte zum Schritt durchparieren lassen, bis die beiden Pferde die
Halle wieder verlassen hatten. Da allerdings Zeugen aussagten, das Pferd habe erst
gescheut, als die beiden anderen Pferde wieder draußen waren und das Tor
geschlossen war, fehlte es an dem notwendigen kausalen Zusammenhang zwischen
der Pflichtverletzung des Reitlehrers und dem Scheuen des Pferdes. Die Haftung
des Reitlehrers wurde hier deswegen im Ergebnis zurückgewiesen (OLG Frankfurt,
24.05.2013, 4 U 162/12).