Haftung für Hundepfiff
Wo sich Reiter und Pferde aufhalten, ist auch oft der Hund nicht weit. Bei Stürzen oder auch Verletzungen von Pferden sind leider auch die kleinen Vierbeiner häufig die Auslöser. Die Tierhalterhaftung ist ein Thema – gerade auch in Bezug auf die Interaktion von Hunden und Pferden – bei dem in der Rechtsprechung nicht gerade ein roter Faden zu erkennen ist.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte 2017 einen Fall zu entscheiden, bei dem zwei Reiter von ihren durchgehenden Pferden stürzten, nachdem eine Spaziergängerin nach ihrem Hund gepfiffen hatte. Die beiden Reiter befanden sich auf einem Ausritt, der Hund lief den beiden Pferden hinterher. Dieses Verhalten wurde weder seitens der Hundehalterin noch seitens der Reiter gewünscht, weshalb
die Hundebesitzerin mit ihrer Hundepfeife einen Pfiff abgab, um den Hund zur Umkehr zu bewegen, was er allerdings nach dem zweiten oder dritten Pfiff tat. Die Pferde wiederum reagierten bereits auf den ersten Pfiff aus der Hundepfeife – nämlich in wilder Panik. Sie gingen ihren Reitern durch, diese stürzten beide und verletzten sich. Die Hundehaftpflichtversicherung zahlte an einen der Reiter 1000, 00 Euro. Dieser klagte auf weiteren Schadensersatz gegen die Hundehalterin. In erster Instanz sah das Landgericht eine Haftungsquote von 30 % zu Lasten der Hundehalterin, da sie nach dem ersten Pfiff hätte erkennen müssen, welche Reaktion sie damit bei den Pferden auslöste und nicht weitere Male hätte Pfeifen dürfen. Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf und wies die Klage des Reiters vollständig ab. Die Pfiffe seien eine angemessene Reaktion auf das unerwünschte Verhalten des Hundes gewesen. Ob die Beklagte merken musste, dass die Pferde bereits auf den ersten Pfiff panisch reagierten stehe nicht fest. Der Beklagten persönlich könne somit kein Vorwurf gemacht werden. Auch hafte sie nicht verschuldensunabhängig für ihren Hund, da der Hund selbst nicht der Grund für die Reaktion der Pferde war, sondern die Pfiffe – diese aber wiederum in der konkreten Situation „sozialadäquat“ (OLG Karlsruhe, 03.08.2017, 7 U 200/16).
Viel weiter noch ging ein früheres Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken, dem ebenfalls die Klage eines verletzten Reiters zugrunde lag. Hier waren auf Beklagtenseite der Stallbesitzer als Hundehalter und dessen Tochter, die das Hunderudel aus dem Zwinger ließ, als der Kläger gerade über den Hof ritt. Das Pferd scheute und bockte vor den aus dem Zwinger quirlenden Hunden, der Reiter stürzte und verletzte sich. Das Ergebnis des Oberlandesgerichts lautete, dass weder die typische Tiergefahr, die naturgemäß von den Hunden ausging, noch fahrlässiges Verhalten der Tochter ausschlaggebend für den Unfall des Klägers gewesen sei, sondern überwiegend die Tiergefahr, die von seinem eigenen Pferd ausging. Das Pferd des Klägers sei darüber hinaus besonders schreckhaft und nervös gewesen, so dass die Gefährlichkeit, die von seinem eigenen Tier ausging, in diesem Falle die durch die Hunde und das Verhalten der Tochter ausgelöste Gefahr dahinter völlig zurückstehen musste (OLG Saarbrücken, 8 U 283/04).
Anders bewertete das OLG Rostock einen Fall, bei dem ein frei laufender Dalmatiner ein Pferd auf der Weide aufscheuchte, welches sich sodann bei seinem Sprung über den Zaun verletzte und infolgedessen eingeschläfert werden musste. Der Pferdebesitzer verlangte vom Hundehalter über 220.000,000 Euro Schadensersatz. Das Gericht sah hier beide Tiergefahren zu jeweils 50 % verwirklicht. Der Jagdtrieb des Hundes sei ebenso tiertypisch wie der Fluchtinstinkt des Pferdes. Beides habe sich gleichwertig in dem Unfall niedergeschlagen, so dass der Hundehalter 50 % der Haftung übernehmen musste. Zugesprochen bekam der Pferdeigentümer dann aber im Ergebnis lediglich 15.000,00 Euro – die Hälfte des vom gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelten Verkehrswerts des verstorbenen Pferdes (OLG Rostock, 5 U 57/10). Komplett haftete der Hundebesitzer eines schlafenden Exemplars dieser Spezies, über das jemand gestolpert war. Die Kundin verließ das Ladenlokal und stürzte über den schlafenden Schäferhund, der sich dort unbemerkt zwischen Kasse und Eingang zur Ruhe gelegt hatte. Das Gericht entschied, dass sich in dem Unfall zu 100 % die von dem Hund ausgehende Gefahr verwirklicht hatte, sich unbekümmert und eigenmächtig im Verkehrsraum zu bewegen und zu verhalten. Der Verletzen wurde kein Mitverschulden an dem eigenen Sturz gegeben, da sie den Blick, sich von der Kasse wendend auf den Ausgang gerichtet hatte und mit dem regungslos am Boden liegenden Tier, welches sich lautlos und völlig unauffällig dorthin begeben hatte, in keiner Weise zu rechnen hatte (OLG Hamm, 10 U 96/12).