Ganz schön verstrickt….
Beim banalen Anbinden eines Pferdes passieren täglich Unfälle mit der Folge von Verletzungen bei Mensch und Tier und insofern auch Streitigkeiten um die jeweilige Schuld und Haftung. Somit stellt sich in den Streitfällen vor Gericht auch oftmals die Frage, was beim Anbinden falsch gemacht wurde und wie es denn nun richtig geht. Die Rechtsprechung zum Thema Anbinden zeigt allerdings nur wieder einmal mehr, dass es auf diese Frage keine pauschale Antwort gibt, sondern nur in jedem einzelnen konkreten Fall bewertet werden kann, ob das Vorgehen der Beteiligten jeweils der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprach oder nicht.
In einem Fall, der im letzten Jahr vor dem Landgericht Münster verhandelt wurde, besuchte eine Familie ein Gestüt, um ein Pony zum Erwerb für den Sohn zu besichtigen. Auf der Stallgasse war eine Stute beidseitig angebunden. Der pferdeunkundige Vater meinte, das Pferd stehe im Wege, band es los und sodann einige Meter weiter wiederum einseitig an, mit einem 1,50 m langen Strick, so dass es noch Halme am Boden essen konnte. Die Stute geriet wohl mit dem Genick unter den Strick und hängte sich dann in Panik auf. Sie brach tot auf der Stallgasse zusammen. Der Vater musste dem Eigentümer den Schaden ersetzen. Der Sachverständige bekundete in dem Verfahren, dass die richtige Anbindelänge beim Strick 60cm ist, wobei eine Toleranz von 20 cm akzeptabel sei (Landgericht Münster, Urteil vom 02.08.2016).
Um einen abgerissenen Mittelfinger ging es indes vor dem Landgericht Paderborn. Die Geschädigte hatte den Mittelfinger in der Schlaufe eines Panikknotens, als das fremde Pferd plötzlich den Kopf hochriss und ihr dadurch den oberen Mittelfinger dauerhaft abriss. Die Verletzte begehrte Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Tierhalter. Dieser (bzw. die dahinter stehende Tierhaftpflichtversicherung) wandte ein, der Geschädigten sei ein Mitverschulden zuzurechnen, da der Mittelfinger nichts in der Panikschlaufe zu suchen habe. Sie habe sich daher bei der Anfertigung des Knotens nicht korrekt verhalten. Der Panikknoten zeichnet sich dadurch aus, dass das Pferd fest angebunden und trotzdem im Bedarfsfall durch ein Ziehen am unteren Ende des Strickes sofort wieder geöffnet werden kann. Das korrekte Binden des Panikknotens wurde dann von einem Sachverständigen erläutert, wobei in dieser Anleitung kein Hinweis darauf gefunden wurde, dass man nicht durch die Schlaufe greifen dürfe. Der Anspruch war deswegen nicht wegen Mitverschuldens der Geschädigten zu kürzen.
In einem weiteren Fall wurde ein Pferd zum Waschen nach dem Weidegang an einem dafür an sich vorgesehenen Anbindepfahl angebunden, welchen das Pferd in einem Schreckmoment schlichtweg aus dem Boden zog und damit davon galoppierte. Dabei schlug auf der Flucht der Pfahl gegen die Gliedmaßen des Pferdes es zog sich infolgedessen so schwere Verletzungen hinzu, dass es nach einer Notoperation eingeschläfert werden musste. Der Pferdeeigentümer konnte in diesem Fall vom Pensionspferdehalter den Ersatz der Tierarztkosten und den Wert des Pferdes beanspruchen (Landgericht Münster, 13.09.2004, 11 O 50/02).
Ein Hengst wurde durch einen auf der Stallgasse angebundenen Wallach getreten, als er an diesem vorbei geführt wurde. Streck- und Beugesehne wurden dabei durchschlagen, der Hengst musste eingeschläfert werden. Der Durchgang betrug insgesamt nur 1,50 m Breite. Pferde können bis zu 2,50 m weit ausschlagen. Der Abstand zwischen den beiden Pferden war damit in jedem Falle zu gering. Wird ein Pferd an einem anderen Pferd auf der Stallgasse vorbeigeführt und ist keine Person anwesend, die das angebundene Pferd zur Seite schieben kann und neben ihm stehen bleibt, so ist der Vorbeiführende dazu angehalten, das angebundene Pferd laut anzusprechen und ggf. mit erhobener Hand zur Seite zu schieben (OLG Hamm, 5.6.2000, 13 U 202/99). In dem Urteil wurde jedoch auch die mitwirkende Tiergefahr des Hengstes berücksichtigt, der vor dem Wallach gestiegen war und so erst den „Angriff“ provoziert hatte, bzw. es möglich machte, dass der sich wehrende Wallach mit voller Wucht mit der Hinterhand gegen die Vorderhand des Hengstes trat.