Haftung fürs Heu


Juli 2017.

Der Landwirt, der im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes geerntetes Heu zu Silage verarbeitet, ist Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) und haftet damit verschuldensunabhängig für Schäden, die durch sein Produkt verursacht werden (OLG Hamm, 02.11.2016, 21 U 14/16).

In einem Stall erkrankten gleich mehrere Pferde gleichzeitig in nur wenigen Tagen. Die Tiere litten unter Schluckbeschwerden und verhielten sich apathisch, was typische Symptome einer Botulismuserkrankung sind. Allen Tieren war gemein, dass sie mit der von dem Stallbetreiber selbst hergestellten Silage gefüttert worden waren. Bei Silage handelt es sich um ein durch Milchsäuregarung konserviertes aus Futterpflanzen gewonnenes Nutztierfutter. Die behandelnde Tierärztin äußerte einen Botulismusverdacht. Die Tierklinik diagnostizierte eine Botulismus-Erkrankung. Einige Pferde überlebten die Krankheit, einige mussten euthanasiert werden. Verschiedene Pferdeeigentümer strengten Schadensersatzverfahren gegen den Stallbesitzer an, wegen Verfütterung giftiger Silage. Die Fütterung mit Heu und Silage war Bestandteil des Pferdepensionsvertrages des Stallbesitzers mit den Einstallern.

Ungeachtet dessen blieb die vertragliche Haftung des Stallbetreibers in dem oben genannten Verfahren jedoch außen vor, da der Stallbetreiber gleichzeitig selbst Hersteller der verfütterten Silage war und somit auch ohne Verschulden, d.h. Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt für den Fehler seines Produktes einstehen musste.

Nach § 1 Produkthaftungsgesetz ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn dieser durch den Fehler des Produktes entstanden ist. Für den Fehler, den Schaden sowie den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast. Das bedeutete in den hier angestrebten Verfahren zunächst, dass die Giftigkeit der verfütterten Silage von den Einstellern bewiesen werden musste – ebenso wie die Erkrankung der Pferde durch die Giftigkeit der Silage, was jedoch durch Einholung eines tiermedizinischen Sachverständigengutachtens gelang.

Der Sachverständige hatte auf Grundlage der Silagefütterung, der Symptomatiken und des Krankheitsverlaufs zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass das in diesem Verfahren streitgegenständliche Pferd am Botulismus erkrankt war. Begründet hat er dies damit, dass das Botulismustoxin üblicherweise über das Futter aufgenommen werde. Die Inkubationszeit sei umso kürzer, je mehr das Tier von dem Toxin aufgenommen habe. Als Symptome benannte er die verkürzte Futter- und Wasseraufnahme, gefolgt von einer gesenkten Kopf-Hals-Stellung und einer Weitung der Pupillen. Hinzu kämen Zittern und Muskelschwäche sowie eine reduzierte Darmmotorik, jedoch ohne Gleichgewichtsstörungen oder Koliken. Gefahren bestünden auch durch Lungenentzündungen. Erleichternd kam hinzu, dass das Toxin zwar nicht bei diesem Pferd, jedoch bei einem anderen Pferd aus dem Bestand gefunden worden, was dieselben Symptome gezeigt habe.

Alle diese Pferde hätten das Botulismustoxin über die gleiche Futterquelle, die von dem Beklagten produzierte Silage aufgenommen. Die Sporen des Bakteriums seien sehr widerstandsfähig und könnten unter sauerstofffreien Bedingungen in einer feuchten und eiweißhaltigen Umgebung Jahre überdauern. Diese Umstände würden durch eine Kontamination mit Tierkadavern oder Düngung geschaffen. Der Sachverständige schloss aus, dass das Botulismusgift über anderweitige Quellen hätte aufgenommen werden können. Unter Berücksichtigung der klinischen und labordiagnostischen Befunde von diesem Pferd und der anderen Pferde und aufgrund der fehlenden pathologisch-histologischen Veränderungen bei der Sektion eines weiteren Pferdes des Pferdes waren anderweitige Krankheitsbilder auszuschließen.

Durch die Erstattung des Sachverständigengutachtens war den Klägern dieser wichtige Beweis des Fehlers sowie des ursächlichen Zusammenhangs mit der Erkrankung der Pferde somit gelungen.

Dass der Landwirt für die Fehlerhaftigkeit des von ihm hergestellten Produktes haften muss, entschieden die Gerichte dann in rechtlicher Hinsicht recht problemlos: Der Stallbesitzer hatte durch die Verwendung der selbst hergestellten Silage in seinem Betrieb ein Produkt in Verkehr gebracht, das einen Fehler aufwies, da es mit dem Botulismusgift verseucht war. Dadurch wurde die Gesundheit der Pferde beeinträchtigt, also eine Sache im Sinne des ProdHaftG beschädigt, die zugleich nicht das fehlerhafte Produkt selbst war (§ 1 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. ProdHaftG). Es handelte sich bei der Silage um einen beweglichen körperlichen Gegenstand, mithin eine Sache (§ 90 BGB) und daher um ein Produkt (§ 2 ProdHaftG; Landwirtschaftliche Produkte sind ausdrücklich, obgleich industriell gefertigt, nicht vom Anwendungsbereich des ProdHaftG ausgenommen worden. Der Landwirt ist Hersteller im Sinne des § 4 Satz 1 ProdHaftG, da er die Futterpflanzen geerntet und durch einen Gärungsprozess und luftdichten Abschluss zu Silage verarbeitet, mithin aus Materialien ein Endprodukt hergestellt hat Das Produkt hatte einen Fehler, da es nicht die Sicherheit bot, mit der ein objektiver Nutzer zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens billigerweise rechnen durfte. Der Halter eines Pferdes darf erwarten, dass sein Tier in einer Pferdepension mit Silage gefüttert wird, die kein todbringendes Gift in sich trägt (LG Hagen, 27.11.2015, 8 O 166/11 und 27.10.2016, 10 O 253/11; ebenso LG Bielefeld, 27.3.2003, 6 O 202/02).