Natursprung mit unerwünschten Folgen

Januar 2017
Risiko Deckakt: Wer zahlt, wenn die Pferde sich beim decken gegenseitig verletzen?

Das Auskeilen der Stute beim Paarungsakt ist ein natürliches Verhalten, welches auch durch Sicherungsvorkehrungen nicht restlos verhindert werden kann. Das Risiko der Verletzung des Hengstes trägt zumeist allein der Hengsthalter. Oftmals kommt es aber auch darauf an, wer vertraglich das Schadensrisiko übernommen hat.

Wird der Hengst beim Deckakt durch die Stute verletzt, da die Halter einvernehmlich auf Vorsichtsmaßnahmen wie das Fixieren der Stute verzichtet haben, haftet der Stutenhalter nicht für den Schaden. Der Hengsthalter handelt dann „auf eigene Gefahr“. In einem Fall sollte der Deckakt auf der Weide stattfinden, nachdem Hengst und Stute sich beschnuppert hatten. Dabei verzichteten die Parteien auf Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. die Fesselung der Stute oder die Paarung im Probierstand. Während des Deckaktes trat die Stute dann aber plötzlich aus und traf den Hengst so heftig, dass dieser infolge eines nicht mehr behandelbaren Trümmerbruches eingeschläfert werden musste. Die Hengsthalterin begehrte nun Schadensersatz von der Stutenhalterin aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung. Die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung lagen nach Ansicht des Gerichts auch vor, da sich unzweifelhaft die typische unberechenbar Tiergefahr in dem Unfall realisiert hatte. Dennoch wurde die Klage der Hengsthalterin abgewiesen. Das Gericht ließ das eigene Mitverschulden der Hengsthalterin an dem Vorgang so schwer wiegen, dass es die allgemeine Tiergefahr der Stute, für deren Halterin, bzw. deren Versicherung hätte haften müssen, vollständig dahinter zurücktreten ließ (OLG Koblenz, 16.05.2013, 3 U 1486/12).
Auch die Klausel im Deckvertrag vermochte der Geschädigten hier nicht weiter zu helfen. In dieser Klausel, wie sie in vielen Allgemeinen Bedingungen bei Deckverträgen üblich sind, verpflichtete sich der Stuteneigentümer zum „Abschluss einer Haftpflichtversicherung für den Fall, dass die Stute den Hengst verletzt.“ Diese Haftpflichtversicherung bestand vorliegend auch, allerdings war sie in diesem konkreten Fall nicht zum Eintritt verpflichtet. Dies wäre sie nur dann gewesen, wenn das Gericht von einer Haftung der Stutenhalterin ausgegangen wäre, die nicht vollständig hinter dem eigenen Verschulden der Hengsthalterin zurückgetreten wäre.

Auch wenn sämtliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, kommt es nicht unbedingt zu einer Haftung des Stutenhalters, wenn die Stute den Hengst verletzt, insbesondere dann nicht, wenn der Hengsthalter im Deckvertrag das Risiko für den Deckakte vollständig selbst übernommen hat. Eine durch Bremse und Fesselung gesicherte Stute schaffte es trotzdem, sich bei einem Panikausbruch zu befreien und den Hengst so heftig in die Magengegend zu treten, dass dieser nach einer Operation eingeschläfert werden musste. Das Gericht vertrat hier die Ansicht, der Hengsthalter habe durch den Vertrag das volle Risiko für die Durchführung des Deckaktes selbst übernommen. Der Stutenhalter habe hingegen darauf keinerlei Einfluss mehr gehabt. Wenn die vom Hengsthalter verwendete Spannvorrichtung zur Verhinderung der Schädigung des Hengstes versage, dann könne eben dieses verbleibende Restrisiko, welches der Paarungsakt bei Tieren nun mal naturgemäß beinhalte, interessengemäß nicht dem Stutenhalter aufgebürdet werden. Der in diesem Fall vom Gericht befragte Sachverständige bestätigte, dass es keine absolut sichere, jedes Risiko ausschließende Fixierungsmethode gebe. Jede Methode sei mit Vor- und Nachteilen verbunden. Ganz ausschließen könne man die Verletzung des Hengstes somit nie. Da der Hengsthalter im eigenen materiellen Interesse den Hengst dem Deckakt zuführe, müsse dieser die Verletzungsgefahr letztlich in Kauf nehmen (OLG Saarbrücken, 18.12.1996, 5 U 568/96).
Die gleichen Haftungsgrundsätze gelten spiegelbildlich genauso im Falle der Verletzung der Stute durch den Hengst. Der Stutenhalter führt die Stute schließlich dem Hengst im eigenen Interesse zu. Verzichtet er selbst dabei auf allgemein übliche Sicherheitsvorkehrungen, dann nimmt er das Risiko der Verletzung seiner eigenen Stute in Kauf, weshalb sein eigenes Mitverschulden die Haftung des Hengsthalters in einem solchen Falle beseitigen dürfte. Hat der Stutenhalter allerdings auf die Sicherheitsvorkehrungen keinen Einfluss, da diese vertraglich komplett in den Pflichtenkreis des Hengsthalters fallen, dann hätte der Stutenhalter Ansprüche gegen den Hengsthalter auf Schadensersatz, wenn dieser die Sicherheitsvorkehrungen nicht einhält und die Stute dadurch eine Verletzung erleidet. Dies muss der Stutenhalter dem Hengsthalter dann jedoch auch nachweisen.

Eine Stutenhalterin untersagte beim Natursprungverfahren den Einsatz sämtlicher Hilfsmittel mit Ausnahme der Sedierung der Stute. Die Stute wurde dem Hengst zugeführt und gedeckt. Verletzungen wurden zunächst nicht festgestellt. Einige Tage später wurde bei einer Untersuchung dann eine Scheidenverletzung festgestellt. Nach Verschlechterung des Zustands des Pferdes und Verbringung in die Tierklinik wurde ein kindskopfgroßes Scheidenhämatom diagnostiziert und behandelt. Nach einigen Tagen ambulant durchgeführter Scheidenspülungen verschlechterte sich der Zustand der Stute weiter und schließlich wurden in einer Tierklinik wiederum Keime im Bauchraum gefunden, die Stute musste operiert werden, das ganze hatte einen Schaden der Stutenhalterin im fünfstelligen Bereich verursacht. Sie verklagte den Hengsthalter und den die Stute dort betreuenden Tierarzt. Die Klage wurde jedoch in zwei Instanzen abgewiesen, zum Einen, da keine Pflichtverletzungen der beiden Beklagten festgestellt, bzw. von der Klägerin nachgewiesen werden konnten. Auch eine Haftung des Hengsthalters aus der Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) sah das Gericht nicht als gegeben an, da die Stutenhalterin im Bedeckungsvertrag das Schadensrisiko übernommen hatte (OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2015, I -17 U 12/15).