Unfälle in der Pferdebox


April 2017.

Obgleich wir unsere Pferde in ihrer Pferdebox gerne sicher untergebracht wissen wollen, geschehen auch hier immer wieder tragische und folgenreiche Unfälle, die schwere Verletzungen, ja oft sogar die Euthanasierung des Pferdes zur Folge haben können. Als Ursachen für diese schweren Unfälle können eigentlich nur drei Dinge in Betracht kommen, nämlich einmal die eigene unberechenbare Tiergefahr des Pferdes selbst oder die des Nachbarpferdes oder nicht zuletzt bauliche Mängel an der Pferdebox. Die eigene Unberechenbarkeit des Pferdes sollte in den seltensten Fällen die Ursache eines „Boxenunglücks“ sein, da die Box ja gerade so beschaffen sein soll, dass das Pferd sich gerade nicht darin verletzten kann. Ist die Box gemietet oder Gegenstand eines umfassenden Pensionspferdehaltungsvertrages, haftet der Stallbetreiber für bauliche Mängel an der Box, die zu einem Schaden geführt haben (OLG Köln, Urteil vom 5.2.2013 – 5 U 138/12).

In dem vorgenannten Urteil des OLG Köln war ein Pferd beim Steigen in der Box mit einem Vorderbein in einem zu breiten Zwischenraum zwischen Tor und Türangel hängen geblieben. Das Bein brach und das Pferd musste eingeschläfert werden. Leider kein Einzelfall – anhand der zahlreichen Rechtsfälle mit ähnlichen zugrunde liegenden Sachverhalten wird leider klar, dass bereits geringfügige Abweichungen von den vorgesehenen Maßnahmen und Richtlinien beim Bau der Pferdebox dramatische Folgen haben können. Es gibt hierzu zwar keine gesetzlichen Vorschriften oder Grundlagen. Dennoch sind Empfehlungen und Richtwerte immer noch in den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten von 2009 vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Referat Tierschutz , Internet: www.bmelv.de niedergelegt. Ist vor Gericht ein Schadensfall zu beurteilen und innerhalb dessen, ob dem Stallbetreiber eine Fahrlässigkeit bei der baulichen Beschaffenheit seiner Boxen vorzuwerfen ist, dann holt das Gericht in der Regel hierzu ein Sachverständigengutachten von einem Sachverständigen für Pferdehaltung ein. Der Sachverständige orientiert sich bei seiner Bewertung an diesen Leitlinien und nimmt eine genaue Besichtigung und Untersuchung der Örtlichkeiten vor.
Zumeist handelt es sich bei dem Sachverständigen um einen Tierarzt, was den Vorteil hat, dass er gleichzeitig auch den eingetretenen Schaden an dem Pferd sowie die Ursächlichkeit des baulichen Mangels an der Box für die eingetretene Verletzung und damit den Schaden sowie den kausalen Zusammenhang beurteilen kann. Für all diese Voraussetzungen trägt in der Regel der Geschädigte die Beweislast. Für ein Mitverschulden des Einstallers oder ein ebenso zu bewertendes eigenes gefährdendes Verhalten des verletzten Pferdes ist wiederum der Stallbesitzer beweisbelastet. Letzteres kommt jedoch nicht in Betracht, wenn vertragliche Schutzpflichten verletzt wurden – wie die ordnungsgemäße bauliche Beschaffenheit der Box – die gerade dazu dienten, Gefahren für das Pferd aufgrund pferdetypischer Gefahr zu vermeiden, so auch das Landgericht Mönchengladbach in einem aktuellen Hinweisbeschluss vom 20.01.2017, 1 O 458/12. In diesem Falle war das verunfallte Pferd ebenfalls mit dem Vorderhuf in einem zu großen Zwischenraum zwischen zwei Trennstangen hängen geblieben, geriet in Panik und konnte zuletzt nur noch eingeschläfert werden.

In einem weiteren Fall blieb ein Pferd mit dem Hinterhuf zwischen zwei Gitterstäben hängen, die offenbar unzureichend mit der Holzeinfassung auf der Trennwand verschweißt waren. Hier haftete ausnahmsweise der Pensionspferdehalter aber nicht für den Schaden des Einstallers, da der Mangel bei der Verarbeitung der Boxen für ihn nicht erkennbar gewesen war (OLG Oldenburg, Urteil vom 04.01. 2011, 12 U 91/10). Ihn traf deswegen kein Verschulden am Eintritt des Schadens. Gegenstand des im letzten Heft zitierten aktuellen Urteils des Landgerichts Münster vom 18.01.2017, 1 S 64/16, war ebenfalls ein Boxenunfall, hier allerdings verursacht durch das Nachbarpferd, welches das andere Pferd mit dem Huf an den Kopf getreten hatte. An der mangelhaften Boxengestaltung – über eine Trennstange hinweg hatten die benachbarten Pferde die Möglichkeit der offenen Kommunikation – lag dies jedoch, wie der Sachverständige vor Ort feststellte, nicht. Es handele sich bei der Konstruktion der Boxen um eine fachgerechte Form der Pferdehaltung bei der der soziale Kontakt unter Artgenossen gerade erwünscht sei. Sicherlich gehe damit auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko einher, was dadurch von den Pferdebesitzern in Kauf genommen werde, dass sie ihren Pferden diese Form der artgerechten Haltung zukommen lassen. Dass jedoch das eine Pferd das andere durch Steigen oder Ausschlagen mit dem Huf am Kopf verletze, sei dennoch kein gewöhnliches, hinzunehmendes tierisches Verhalten, auch nicht bei dieser Boxenhaltung, sondern die typische Realisierung der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und damit ein Fall der Tierhalterhaftung. In diesem Falle musste insofern der Halter des Nachbarpferdes für den Schaden aufkommen.