Mindestabstand muss eingehalten werden
Wer beim Passieren oder Überholen eines Pferdes nicht den erforderlichen Mindestabstand von mindestens 1,5 bis 2 Metern einhält, den trifft ein erhebliches Mitverschulden bei einer Kollision im letzten Jahr hatte sich das Landgericht München I mit dem Sturz einer Radfahrerin zu beschäftigen, die beim Überholen eines Reiters gegen einen Randstein stieß und infolgedessen hinfiel. Der Gehweg im Englischen Garten war weder für Pferde noch für Fahrradfahrer freigegeben. Die Fahrradfahrerin wollte von hinten zum Überholen ansetzen und klingelte, als sie sich dem Reiter näherte. Sodann war zwischen den Parteien streitig, ob das Pferd nach links zog und es infolgedessen zu dem folgeschweren Ausweichmanöver kam und ob der Reiter nach dem Klingeln nicht hätte nach rechts ziehen müssen. Die gestürzte Radfahrerin verklagte den Reiter jedenfalls als Tierhalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in fünfstelliger Höhe. Unstreitig hatte die Fahrradfahrerin während des Überholvorgangs lediglich einen Abstand von 30-40cm zu dem Pferd. Das Gericht wies deswegen die Klage der Radfahrerin ab, weil sie beim Überholen nicht den erforderlichen Mindestabstand von 1,5-2 Metern zu dem Reiter eingehalten hatte. Diesen traf jedenfalls keine Verpflichtung, nach rechts zu ziehen. Bei dem Weg handelte es sich ebenso wenig um einen Reitweg wie um einen Fahrradweg, so dass keiner der beiden Beteiligten ein Vorrecht gehabt hätte. Zudem war die verbotswidrige Nutzung des Weges nicht unfallursächlich, sondern vielmehr das eigene Mitverschulden der Radfahrerin, die bei ihrem Überholmanöver nicht genügend Abstand gehalten hatte. Zu Pferden ist nach Auffassung des Gerichts bei einem Überholvorgang regelmäßig ein Mindestabstand von 1,5 bis 2 m einzuhalten, um etwa auf plötzliche Reaktionen des Tieres oder Schlenker des Fahrradfahrers reagieren zu können. Ein Abstand von 30 – 40 cm genügt jedenfalls nicht (Landgericht München I, Urteil vom 19.10.2020; 19 O 6004/20). In einem vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall wurde hingegen ein Pony das Opfer eines Überholvorgangs durch einen LKW. Die 13jährige Tochter der Pferdehalterin hielt mit dem Pony am rechten Fahrbahnrand an, um einen LKW vorbei fahren zu lassen. Dabei blieb sie auf dem Pferd sitzen und richtete den Kopf des Ponys so aus, dass es den herannahenden LKW sehen konnte. Dieser fuhr dann dicht an der Reiterin vorbei, wobei das Pony scheute, stieg und sich dabei so schwer verletzte, dass es euthanasiert werden musste. Die Eigentümerin des Ponys verklagte Versicherer, Halter und Fahrer des LKW auf Schadensersatz. Auch hier spielte bei der Verurteilung der mangelnde Abstand zwischen Pony und LKW eine ausschlaggebende Rolle. Das Gericht entschied hier auf eine Haftungsquote 50 % zu 50%. Die Beklagten wurden zur Zahlung der Hälfte des Schadens verurteilt, weil der LKW bei seinem Überholvorgang nicht den erforderlichen Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern zu der Reiterin eingehalten hatte, obgleich dies möglich gewesen wäre. Dem Fahrer wäre es zumutbar gewesen, auch noch auf den Randstreifen auszuweichen. Die anderen 50 % wurden der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens, also der eigenen Tiergefahr des Ponys zugeteilt. Auch wurde berücksichtigt, dass die Reiterin durch Absteigen und Festhalten des Ponys ggf. etwas zur Entschärfung der Situation hätte beitragen können (Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 10.04.2018,14 U 147/17).
In einer dritten Entscheidung ging es um einen unangeleinten Hund, der in einem Abstand von 2 Metern an einer Reitergruppe vorbeilief. Ein Pferd scheute, brach aus und lief in einen Zaun, woraufhin der Reiter den Halt verlor und stürzte. Er verklagte die Hundehalterin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Klage wurde abgewiesen, da hier die Realisierung der Tiergefahr des eigenen Pferdes bei der Verursachung des Schadens als so ausschlaggebend beurteilt wurde, dass die Gefahr des vorbeilaufenden Hundes dahinter vollständig zurücktrat. Zum einen könne nicht sicher festgestellt werden, dass der Unfall überhaupt durch den Hund verursacht wurde. Dieser begleitete die Reitergruppe, was dem Geschädigten durchaus bewusst war und was er billigend in Kauf genommen hatte. Zudem lief der Hund nicht willkürlich an der Gruppe vorbei, sondern gehorchte offenbar dem Pfiff und somit Befehl seiner Besitzerin, in dem er unauffällig und in einem Abstand von ca. 2 Metern an den anderen Pferden vorbeilief. Die Ursache des Vorfalls wurde somit nicht in dem unberechenbaren tierischen Verhalten des Hundes gesehen, da dessen Verhalten ja von seiner Besitzerin gelenkt wurde, sondern wurde ganz überwiegend in der unberechenbaren Reaktion des Pferdes. (Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 7.2.2018, 11 U 153/17).