Pferd kontra Kampfflugzeug und Hubschrauber
Wie ist die Haftungsverteilung bei der Verletzung von Pferden, die sich auf der Weide vor überfliegenden oder nahe landenden Flugobjekten erschrecken? In einem aktuellen Fall musste ein Hengst nach dem Überflug eines Kampflugzeugs mit Überschallgeschwindigkeit nach langwieriger Verletzungsphase eingeschläfert werden. Da die Pferde sich durch ihre eigene Unberechenbarkeit in Panik selbst verletzen, ist in den meisten Fällen eine Haftungsquotelung vorzunehmen.
Ein tieffliegender Tornado verursachte Panik auf einer Pferdeweide, infolge derer ein Hengst aufgrund einer unkontrollierten Bewegung stürzte und sich dabei wiederum ein Beckentrauma zuzog. Es entstanden Tierarztkosten und ein hoher Wertverlust des Hengstes (30.000,00 Euro), den die Pferdehalterin von der Flughaftpflichtversicherung einforderte. Das Gericht musste darüber entscheiden, zu welchem Anteil die in dem Unfall realisierte Tiergefahr des Pferdes selbst zur Anrechnung gebracht werden sollte. Dabei war auf Seiten des Pferdes das Eigengewicht des Hengstes und das natürliche Fluchtverhalten zu berücksichtigen, auf Seiten des Flugzeugs die übermäßige Lärmverursachung.
Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der geschädigte Tierhalter sich die Gefahr, die von seinem eigenen Tier ausgeht entsprechend anrechnen lassen, wenn diese mitursächlich für den eingetretenen Schaden geworden ist (BGH, Urteil vom 31. Mai 2016 – VI ZR 465/15). An der Verwirklichung der Tiergefahr fehlt es, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist (BGH, Urteil vom 25. März 2014 – VI ZR 372/13) oder wenn das Tier lediglich der Leitung und dem Willen eines Menschen folgt. Für die Gewichtung der Verursachungsbeiträge des Tieres selbst einerseits und des Flugzeughalters andererseits, kommt es sodann darauf an, in welchem Verhältnis konkret sich das durch die Situation im Einzelfall geschaffene Gefahrenpotential in der Schädigung realisiert hat.
In dem vorliegenden Fall bestätigte das Oberlandesgericht Celle die erstinstanzlich bereits vorgenommene Abwägung und befand die Tiergefahr mit 20 % auf den Schaden angerechnet als angemessen berücksichtigt (OLG Celle, Urteil vom 17.10.2022, 114 U 22), wobei diese Haftungsverteilung außergerichtlich auch bereits so von der Lufthaftpflichtversicherung anerkannt worden war. Die Geschädigte bekam die unfallbedingt entstandenen Tierarztkosten sowie den sachverständig mit 30.000,00 Euro geschätzten Minderwert des Hengstes, welcher sowohl sport- als auch reituntauglich geworden war und fortgesetzt lahmte, zu 80 % ersetzt. Dass sie das Pferd dennoch weiterhielt und pflegte, war dann allerdings ihr eigenes Vergnügen, hierfür erhielt die Halterin dann im Folgenden keinen weiteren Schadensersatz mehr, denn sie hätte das Pferd unfallbedingt einschläfern lassen können. Dass Sie das Pferd als Pflege-/Gnadenbrotpferd aus Verbundenheit weiter halten wollte, obgleich keinerlei Heilungschancen bestanden, war schadensrechtlich nicht der Gegenseite anzulasten.
Weniger Erfolg vor Gericht hatte die Halterin eines Andalusiers, der nach dem Erleiden einer Fraktur der rechten Hinterhand direkt eingeschläfert werden musste. Zuvor waren Hubschrauber sowohl der amerikanischen Streitkräfte als auch der Bundeswehr über die Pferdeweide geflogen. Zunächst war schon schwierig nachzuweisen, welcher der Hubschrauber die Panik der Pferde ausgelöst hatte und ob somit nun die Amerikaner oder die Bundeswehr zuständig für den Fall waren. Schließlich wurde durch eine Zeugenaussage dann ein Hubschrauber der Bundeswehr eindeutig für den betreffenden Zeitpunkt identifiziert. Ebenfalls durch Zeugenaussagen konnte durch das Gericht der unmittelbare zeitliche und örtliche Zusammenhang zwischen dem tieffliegenden Hubschrauber, dessen erheblicher Lärmentwicklung und dem Auffinden des tödlich verletzten Pferdes nachvollzogen werden. Was ebenfalls durch das Gericht klargestellt wurde, ist, dass der Luftfahrzeughalter (in diesem Falle die Bundeswehr) gemäß § 33 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) genau wie der Fahrzeughalter im Straßenverkehr verschuldensunabhängig haftet, also für die abstrakte Gefahr, die durch den Betrieb des Flugobjekts geschaffen wird. Somit kam es nicht darauf an, ob der Hubschrauber zu tief geflogen war. Von dem von der Geschädigten verlangten Wertersatz in Höhe von 20.000,00 Euro für die Stute, die einst für 12.000,00 Euro erworben und gut ausgebildet war, erkannte das Gericht allerdings lediglich 1000,00 Euro an, der der Sachverständige diesen Restwert aufgrund des Alters (18 Jahre) und bereits verschleißbedingten Einschränkungen zum Unfallzeitpunkt bei dem Pferd zugrunde legte. Die Haftungsbeteiligung wurde mit 1/3 Tiergefahr und 2/3 Hubschrauber angesetzt, so dass der Pferdehalterin schließlich zwei Drittel der Kosten für die Einschläferung und des Restwerts des Pferdes zugesprochen wurden (LG München II, Endurteil v. 13.09.2019 – 11 O 5671/15).