Pferderecht Alttag

Pferd statt Wildschwein erwischt

Kaum zu glauben, aber es passiert tatsächlich öfter als gedacht…bei den
Recherchen zu dem Wunschthema der Redaktion für diese Ausgabe haben
sich deutschlandweit zahlreiche Fälle aus den letzten Jahren gezeigt, in denen
Pferde auf der Koppel von Jägern erschossen wurden, da sie mit Wild
verwechselt wurden. Diese Irrtümer können empfindliche Strafen und
Konsequenzen für den jeweiligen Schützen zur Folge haben.
Die aktuellste Nachricht stammt aus diesem Sommer. In der Nacht zum 30. Juli 2021
erschoss ein Jäger in Usingen (Hessen) von seinem Hochsitz aus ein 12jähriges
Quarterhorse, welches auf seiner Weide stand. Der Jäger selbst entdeckte seinen
Irrtum und informierte die Besitzer des Hofes. Polizei, untere Jagdbehörde und
Staatsanwaltschaft wurden ebenfalls eingeschaltet. Wie es zu der Verwechselung
gekommen war, blieb unklar. Jedenfalls sei der Jäger nüchtern gewesen. Er habe
das Pferd mit einem Wildschwein verwechselt.
Im letzten Jahr ereignete sich ein gleichgelagerter Vorfall in der Nacht vom 25. auf
den 26. September in Rohrbach (Rheinland-Pfalz). Auch hier saß der Jäger auf
Wildschweine an, schoss und verletzte dabei eine braune Stute tödlich, welche er
seinen eigenen Angaben nach mit einem Keiler verwechselt hatte. Es wurde von der
Pferdebesitzerin Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet. Im Dezember 2020
wurde in Ebersbach (Baden-Württemberg) ein Islandpony durch einen 34jährigen
Jäger schwer verletzt, der aus 80 Metern Entfernung geschossen hatte, nachdem er
eine Wildschweinrotte durch seine Wärmebildkamera gesichtet hatte. Das Pony hatte
mit mehreren anderen Ponys zusammen auf der Weide gestanden. Der Jäger
informierte umgehend, nachdem er seinen Irrtum bemerkt hatte selbst die Polizei,
woraufhin ein Verfahren wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und
Missachtung der Sorgfaltspflichten aus dem Jagdschutzgesetz eingeleitet wurde. Im
September 2019 traf es ein viereinhalb Monate altes Islandfohlen im
nordrheinwestfälischen Blankenheim aus einer Entfernung von 70 Metern. Der
Schütze zahlte der Besitzerin eine Entschädigung, diese verzichtete auf eine
Anzeige.
Weitere gleichgelagerte Fälle ereigneten sich 2017 in Walsrode (Niedersachsen) und
in Katzwinkel (Rheinland-Pfalz). In zuletzt genanntem Fall wurden sogar gleich zwei
Pferde, Großpferde mit Stockmaß 158 und 165 cm, durch den 57jährigen Jäger
erschossen. In diesem Fall ist auch eine strafrechtliche Verurteilung bekannt: 100
Tagessätze a 100 Euro, insgesamt also 10.000,00 Euro Strafe befand das
Amtsgericht Daun in diesem Falle für angemessen. In der Regel bedeutet eine
solche strafrechtliche Verurteilung (ab 60 Tagessätzen) auch die jagdrechtliche
Unzuverlässigkeit mit der Folge des Verlustes von Jagdschein und
Waffenbesitzerlaubnis. Eine Entschädigung an die Pferdebesitzerin wurde auch in
diesem Falle gezahlt.
Das Erschießen der Pferde ist als Sachbeschädigung einzuordnen – diese ist
allerdings, wird sie fahrlässig und nicht vorsätzlich begangen, nicht strafbar und wird
auch nur auf Antrag des Geschädigten verfolgt. Sie begründet jedoch zivilrechtlich
einen Schadensersatzanspruch des geschädigten Pferdeeigentümers gegen den
sorgfaltswidrig handelnden Jäger. Für diese Fälle dürfte eine
Jagdhaftpflichtversicherung aufkommen. Strafrechtlich relevant ist in den
Verwechselungsfällen neben der Sachbeschädigung außerdem noch ein Verstoß
gegen das Tierschutzgesetz, wegen der ungerechtfertigten Tötung eines Tieres.
Auch diese ist – fahrlässig begangen – nicht strafbar. Es wird dann bei beiden
Delikten für eine Verurteilung jeweils darauf ankommen, ob der Irrtum für den Täter
vermeidbar war oder nicht – hier liegt dann im Einzelfall der Hase im Pfeffer. Im Falle
des AG Daun befand die Richterin den Irrtum des Jägers offenbar für vermeidbar, da
er bei schlechter Sicht (so die Verteidigung des Schützen) nicht hätte schießen
dürfen. Bei einer strafrechtlichen Verurteilung über 60 Tagessätzen droht dann in der
Konsequenz verwaltungsrechtlich die Entziehung des Jagdscheins wegen
missbräuchlicher oder leichtfertiger Verwendung von Waffen und Munition. So
wehrte sich ein Jäger, der ebenfalls ein auf der Weide grasendes Pferd mit einem
Wildschwein verwechselt und dieses tödlich verletzt hatte, vergeblich gegen die
Entziehung des Jagdscheins und den Widerruf der Waffenbesitzerlaubnis, die durch
die Kreisverwaltung sofort vorläufig vollzogen wurde, bis zum Abschluss des
Hauptverfahrens. Das Gericht beurteilte das Verhalten des Jägers als grob
fahrlässig, da er eine Taschenlampe auf dem Gewehr gehabt und es sich bei dem
Pferd um einen hellbraun-weißen Schecken gehandelt habe – auch die Weide sei
unschwer als solche zu erkennen gewesen (Verwaltungsgericht Koblenz, Beschluss
vom 21.09.2012, Az. 6 L 828/12).