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Pferd und Radfahrer – Haftung ohne Kollision? Eine wackelige Angelegenheit

Begegnungen zwischen Reitern und Radfahrern im Straßenverkehr können unschön enden. Ein Gericht entschied nun, dass es auf eine tatsächliche Berührung zwischen den beiden für eine Haftung des Tierhalters nicht ankomme und die Tiergefahr des Pferdes sich auch dann realisiere, wenn der Fahrradfahrer lediglich zu einer Ausweichbewegung gezwungen werde.

Ende letzten Jahres verurteilte das Landgericht Koblenz eine Pferdehalterin, 6000,00 Euro Schmerzensgeld an eine Radfahrerin zu zahlen, die sich beim Sturz von Ihrem Fahrrad einen Trümmerbruch der rechten Schulter zugezogen hatte. Das Pferd habe sie beim Vorbeifahren mit seinem Hinterteil vom Rad geschubst, behauptete die Radfahrerin – während die Reiterin der Ansicht war, ihr Pferd habe die Radlerin gar nicht berührt, diese habe unglücklich gebremst und sei dadurch zum Sturz gekommen.

Das Gericht entschied, dass es gar nicht darauf ankomme, ob das Pferd die Radfahrerin berührt habe. Wenn diese dadurch gestürzt sei, dass sie dem Pferd habe ausweichen müssen, dann reiche dies für die volle Haftung der Tierhalterin aus (LG Koblenz, Urteil vom 14.10.2022, 9 O 140/21).

Anders fiel die Haftungsverteilung in einem Urteil des Landgerichts Frankenthal aus, bei dem es ebenfalls um einen Zusammenstoß eines Trikefahrradfahrers mit einem Pferd beim Überholvorgang ging. Bei seinem Sturz in das seitlich angrenzende Feld zog sich der Radfahrer erhebliche Prellungen und Abschürfungen zu sowie eine dauerhafte Funktionsstörung der rechten Hand zu. Auch hier waren Reiter und Radfahrer beim Überholvorgang kollidiert. Allerdings wurde in diesem Falle der Fahrradfahrer tatsächlich unstreitig von dem nach ihm ausschlagenden Pferd getroffen und dadurch in das angrenzende Feld versetzt. Die Tiergefahr hatte sich hier in dem Schaden also eindeutig realisiert. Dennoch wurde dem Radfahrer 50 % Mitverschulden an dem Unfall zugeteilt, da er keinen ausreichenden Sicherheitsabstand zu den Reitern beim Überholen eingehalten habe.

Als die Reiterinnen – die sich in Ermangelung anderer Möglichkeiten auf einem Fahrradweg befanden –  den Radfahrer mit dem Trike und daran auch noch flatternden Fähnchen auf sich zukommen sahen, wendeten sie ihre Pferde und signalisierten dem Radfahrer durch Handzeichen, dass sie in die einige Meter entfernte Wiese ausweichen wollten, um dort sein Vorbeifahren abzuwarten. Der Radfahrer hatte jedoch laut das Radio eingeschaltet, verstand das Signal der Reiterinnen nicht und fuhr unmittelbar von hinten an diesen vorbei, wobei er dann vom Pferdehuf getroffen und in das Feld versetzt wurde. Die Realisierung der Tiergefahr spielte bei der Bewertung des Sachverhalts durch das Gericht hier eine untergeordnete Rolle, da auf beiden Seiten ein hälftiges Mitverschulden vorgelegen habe. Zum einen stellte es einen Sorgfaltspflichtverstoß der Reiterinnen dar, sich auf dem Fahrradweg befunden zu haben, auf dem grundsätzlich Fahrradfahrer Vorrang haben und der durch keine anderen Verkehrsteilnehmer genutzt werden darf. Zum anderen sah das Gericht einen erheblichen Verstoß des Radfahrers gegen die Einhaltung der Abstandspflicht von anderen Verkehrsteilnehmern, die auch auf dem Fahrradweg gilt.

Der Trikefahrer hätte die Kollision mit dem Pferd vorliegend vermeiden können, indem er sich mit den Reiterinnen auf deren Ausweichen in die Wiese verständigt hätte. Auch einem nicht pferdeerfahrenen Menschen müsse zudem klar sein, dass bei der Unterschreitung eines Sicherheitsabstands von 1,50 Meter von einem Pferd die Gefahr bestehe, beim Auskeilen von dessen Huf getroffen zu werden, zumal man sich hier ohne Not mit Musik und einem flatternden Fähnchen von hinten genähert habe, was erkennbar auch die Schreckreaktion des Pferdes gefördert habe. Für seine Verletzungen bekam dieser Radfahrer 3000,00 Euro Schmerzensgeld zugesprochen und hälftig Ersatz für seine materiellen Kosten und die Fahrradreparatur (LG Frankenthal, Urteil vom 05.06.2020, 4 O 10/19).