Wer haftet für was?
November 2013. Regelmäßig kommt es nach Pferdeverkäufen zu Rechtsstreitigkeiten. Wer kann bei Schadenersatzansprüchen wen in Anspruch nehmen?
Der Käufer den Tierarzt oder den Verkäufer? Aktuelle Urteile hier:
Durch die hohe Bedeutung der tierärztlichen Beurteilungen für das Pferdekaufgeschäft sehen sich Tierärzte einem zunehmenden Haftungsrisiko ausgesetzt. Aktuelle Urteile aus den letzten Jahren zeigen, dass gerade im Rahmen von Pferdekaufrechtsstreitigkeiten auch Tierärzte immer öfter in Anspruch genommen werden – ob erfolgreich oder nicht, dies ist einzelfallabhängig.
Wie bereits in R&P 8/2013 in der Folge „Ankaufsuntersuchung keine Pflicht“ erörtert, ist zunächst einmal wichtig, dass alle drei Parteien, nämlich Käufer, Verkäufer und der Tierarzt Klarheit darüber haben, wer den Tierarzt mit der Kaufuntersuchung beauftragt. Wer hinterher im Verhältnis Käufer-Verkäufer die Kosten der Untersuchung trägt, ist dabei völlig unerheblich. Für die Haftung des Tierarztes kommt es darauf an, wer sein Auftraggeber und damit sein Vertragspartner geworden ist.
Hat der Käufer den Tierarzt mit der Durchführung einer Ankaufsuntersuchung beauftragt, wird auch nur der Käufer dessen Vertragspartner. Stellt sich heraus, dass der Tierarzt bei der Ankaufsuntersuchung einen kaufrechtlichen Mangel des Pferdes schuldhaft übersehen hat, so kann nun der Käufer grundsätzlich sowohl den Verkäufer aus der kaufrechtlichen Gewährleistung als auch den Tierarzt auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, beide haften dem Käufer gegenüber gleichermaßen als Gesamtschuldner.
Sofern der Anspruch des Käufers nicht bereits aus anderen gesetzlichen oder vertraglichen Gründen wie beispielsweise Verjährung oder Gewährleistungsausschluss ausscheidet, kann er sich aussuchen, welchen der beiden Vertragspartner er in Anspruch nimmt.
Möglich ist auch ein Vergleichschluss mit dem Verkäufer und eine Inanspruchnahme des Tierarztes darüber hinaus (BGH, 22. Dezember 2011, VII ZR 7/11; VII ZR 136/11; BGH 26. Januar 2012, VII ZR 164/11; BGH 22. März 2012, VII 129/11).
Fall 1: In dem ersten Fall hatte die Käuferin ein Dressurpferd zum Preis von 60 000 € erworben. Einige Zeit nach dem Kauf lahmte das Pferd und es stellte sich eine dauerhafte Unbrauchbarkeit als Dressurpferd heraus. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Gesundheitszustand des Pferdes im Zeitpunkt der Übergabe nahm der Verkäufer das Pferd zurück und zahlte (zusätzlich zum Kaufpreis) zur Abgeltung der Schadensersatzforderungen der Klägerin eine bestimmte Summe.
Für die gesamten Unterhalts- und Behandlungskosten des Pferdes nahm die Käuferin aber darüber hinaus den Tierarzt gerichtlich in Anspruch. Dieser hatte bei der Ankaufsuntersuchung pathologische Befunde im Bereich der Dornfortsätze, des rechten Knies und des Gleichbeins vorne rechts übersehen. Die Ansprüche gegen den Tierarzt seien durch den Vergleich mit dem Verkäufer nicht erloschen, so der BGH.
Fall 2: In einem weiteren Fall ging es um einen jungen Hengst, der im Rahmen der Ankaufsuntersuchung als „ohne Befund“ beurteilt worden war. Im Rahmen der Körungsuntersuchung einige Monate nach dem Erwerb fielen jedoch einige Chips im Kniegelenk auf, die zum Zeitpunkt des Erwerbs auch schon da gewesen waren.
Der Käufer konnte hier ebenfalls den Tierarzt in Haftung nehmen, ebenso wie die Käuferinnen zweier weiterer Fälle, bei denen Befunde bei der Ankaufsuntersuchung übersehen worden waren, die im Nachhinein festgestellt wurden und die Käufer jeweils zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigten. Sie mussten ihre Rechte aber nicht vorrangig gegenüber dem Verkäufer durchsetzen, sondern konnten gleichermaßen den Tierarzt in Anspruch nehmen.
Hat hingegen der Verkäufer die Kaufuntersuchung in Auftrag gegeben, ist fraglich, ob der Käufer Ansprüche gegenüber dem Tierarzt geltend machen kann. Bislang haben die Gerichte überwiegend entschieden, dass der Tierarzt dem Käufer gegenüber dann nicht haftet, da dieser nicht mit in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen ist (so beispielsweise OLG Hamm 29. Mai 2013, 12 U 178/12).
Sicherheitshalber haben einige Tierärzte in ihren AGB sogar explizit die Haftung gegenüber Dritten bei Kaufuntersuchungen ausgeschlossen. Eine solche Klausel ist schon als zulässig befunden worden (OLG Karlsruhe, 14. August 2013, 7 U 63/13).
Fall 3: Anders wurde jetzt aktuell ein Fall entschieden, wonach gerade die Haftung gegenüber dem Käufer eines Pferdes bei der Kaufuntersuchung nicht ausgeschlossen werden dürfe (OLG Hamm 5. September 2013, 21 U 143/12).
Schadensersatzansprüche des Verkäufers gegen den Tierarzt im Falle der Inanspruchnahme durch den Käufer wegen eines Mangels scheiterten bislang ebenfalls, wenn der Käufer die Ankaufsuntersuchung beauftragt hatte und somit alleiniger Vertragspartner des Tierarztes geworden war, da der Verkäufer wiederum nicht in den Schutzbereich dieses Vertragsverhältnisses einbezogen wird (LG Itzehoe, 18. November 2008, 3 O 314/08). Auch diese Ansicht dürfte vor dem aktuellen Urteil des OLG Hamm zu hinterfragen sein. Ob der Kaufuntersuchungsvertrag mit dem Tierarzt jeweils Schutzwirkung zugunsten desjenigen Kaufvertragspartners entfaltet, der den Tierarzt nicht beauftragt hat, wird also gegebenenfalls noch durch den Bundesgerichtshof entschieden werden müssen.