Verschwiegene Rennbahnkarriere als Rücktrittsgrund?
In der vorletzten Ausgabe wurde über die Farbveränderung zum Schimmel als kaufrechtlichem Mangel berichtet (Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 10.03.2023, 1 O 249/21). Nun musste sich das Oberlandesgericht Oldenburg mit der beim Verkauf eines Pferdes nicht erwähnten Karriere als Rennpferd auseinandersetzen. Ein Rücktrittsgrund? (OLG Oldenburg, 16.08.2023, 4 U 72/22).
Im schriftlichen Kaufvertrag, den die Parteien über das Pferd schlossen, wurde festgehalten, dass das Pferd nur freizeitmäßig geritten worden sei und keine Dressur- oder Springausbildung habe. Die Käuferin erwarb das Pferd zum Preis von 4.300,00 Euro. Einige Tage nach der Übergabe des Pferdes und den dazugehörigen Papieren recherchierte sie im Internet und stieß dabei auf den Umstand, dass das Pferd an zahlreichen Pferderennen teilgenommen hatte und fühlte sich betrogen. Sie verlangte die Rückabwicklung, da sie der Meinung war, sie habe ein unverbrauchtes Freizeitpferd erwerben wollen und der Umstand, dass es sich tatsächlich um ein ausrangiertes Rennpferd handele, beinhalte die erhöhte Gefahr, dass dieses Pferd frühzeitig an Verschleißerkrankungen und degenerativen Veränderungen leiden werde und sie es deswegen früher „in Rente“ schicken müsse. Die Verkäuferin habe zudem die Rennkarriere des Pferdes bewusst verschwiegen oder zumindest „ins Blaue hinein“ behauptet, das Pferd sei nur freizeitmäßig geritten worden. Diese wiederum verteidigte sich damit, sie habe lediglich den Ausbildungsstand des Pferdes wiedergeben wollen und dass es eben keine Dressur- oder Springausbildung genossen habe. In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen, da die Käuferin mit einem Blick in die Papiere des Pferdes selbst habe feststellen können, dass das Pferd an Rennen teilgenommen haben – insofern treffe sie fahrlässige Unkenntnis.
Dagegen wandte die Käuferin in der zweiten Instanz ein, dass das Pferd von der vereinbarten Beschaffenheit „Freizeitpferd“ abweiche, weil es durch den früheren Einsatz als Rennpferd der erhöhten Gefahr verfrühter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt sei – dies habe das Gericht bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen. Tatsächlich erhob sodann das Oberlandes Gericht Beweis über diese Behauptung und holte ein tiermedizinisches Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige konnte keinerlei pathologische Auffälligkeiten bei dem Pferd feststellen, welche in den Zusammenhang mit der vorherigen Nutzung als Rennpferd zu bringen waren. Er äußerte vielmehr, dass degenerative Gelenkerkrankungen bei Pferden grundsätzlich mit der Zeit auftreten können und mit Alter, Haltung, Bewegungsmanagement und Veranlagung einhergehen können. Der Eintritt solcher Veränderungen sei bei einem 11-jährigen Vollblüter, welcher als Rennpferd genutzt worden sei, nicht früher oder später zu erwarten, als bei jedem anderen beliebigen Freizeitpferd. Aufgrund dieser Expertise blieb die Käuferin den Beweis eines verschwiegenen kaufrechtlichen Mangels schuldig. Das Gericht entschied somit, dass sich das Pferd für die gewöhnliche Verwendung eignete und die Verkäuferin für darüberhinausgehende Besonderheiten und Eigenschaften des Pferdes ausweislich des geschlossenen Kaufvertrages keine Gewährleistung übernehmen müsse. Ein haftungsauslösender Mangel liege nur dann vor, wenn die Käuferin nachgewiesen hätte, dass zum Zeitpunkt der Übergabe durch die frühere Teilnahme an Rennen bei dem Pferd mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen wäre, dass es an darauf zurückzuführenden körperlichen Beeinträchtigungen erleiden würde, die eine Nutzung als Freizeitpferd einschränken würden. Da diese Wahrscheinlichkeit laut Sachverständigengutachten bei dem 11jährigen streitgegenständlichen Pferd jedoch nicht höher oder geringer war, als bei jedem anderen Pferd, waren die Voraussetzung für einen Mangel nicht gegeben.
Der Verkäufer eines Pferdes habe nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich, d.h. sofern keine anders lautende Beschaffenheitsvereinbarung bestehe, nur dafür einzustehen, dass das Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe nicht krank sei und nicht die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranken wird und dadurch für die gewöhnliche oder vertraglich vereinbarte Nutzung nicht mehr geeignet sei. Demgemäß gelten Abweichungen von der physiologischen Norm bei einem klinisch unauffälligen Pferd nicht als Mangel, wenn sie der reiterlichen Nutzung nicht entgegenstehen (BGH, 27.05.2020, VIII ZR 315/18).