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Pferderecht Alttag

BGH, Urteil vom 18.03.2015, VIII ZR 176/14

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 23. Mai 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1.Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 3. Mai 2011 für 15.000 € einen Fuchswallach der Rasse Quarter Horse. Mit Anwaltsschreiben vom 2. August 2012 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag unter Berufung darauf, dass das Pferd an einer unheilbaren „Kissing Spines“-Erkrankung leide, die bereits bei Übergabe vorhanden gewesen sei.

2.Die Klägerin begehrt Rückzahlung des Kaufpreises, Erstattung von bezifferten Aufwendungen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihr alle weiteren mängelbedingten Aufwendungen zu erstatten. Ferner verlangt sie die Feststellung des Annahmeverzuges sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.

3.Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4.Die Revision hat Erfolg.

5.Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

6.Die Klägerin begehre Rückgewähr des Kaufpreises, Aufwendungsersatz sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Es fehle allerdings an einer erfolglosen Aufforderung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB.

7.Es könne dahingestellt bleiben, ob das Pferd bereits bei Übergabe am 3. Mai 2011 an einem „Kissing Spines“-Syndrom gelitten habe. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt ein Nacherfüllungsverlangen an die Beklagte gerichtet, welches den Vorgaben der § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB genüge. Zwar möge der Lebensgefährte der Klägerin, der von ihr als Zeuge benannte S. H. , am 19. Juni 2012 anlässlich eines Aufenthaltes auf dem Gestüt der Beklagten von deren Vater den Austausch des Pferdes verlangt haben. Eine Frist zur Nacherfüllung, welche erfolglos hätte verstreichen können, habe der Zeuge in diesem Zusammenhang selbst nach den Behauptungen der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7. April 2014 jedoch nicht gesetzt.

8.Grundsätzlich sei auch beim Tierkauf vor der Rücktrittserklärung eine Fristsetzung zur Nachbesserung oder zur Nachlieferung erforderlich. Ausnahmen seien nur unter besonderen Umständen zuzulassen. Weder habe die Klägerin insoweit jedoch vorgetragen, dass etwa aus Gründen des Tierschutzes eine unverzügliche Inanspruchnahme tierärztlicher Hilfe notwendig gewesen sei, noch lasse sich erkennen, dass die Lieferung eines anderen – gesunden – Pferdes wegen einer bereits entstandenen Bindung an das streitgegenständliche Tier nicht in Betracht gekommen wäre. Aus den Ausführungen der Klägerin ergebe sich, dass ihre Kaufentscheidung schwerpunktmäßig auf objektiven Gesichtspunkten – der Eignung für die Turnierrichtung „Pleasure“, einer Disziplin des Westernreitens – beruht habe. Gerade in einem solchen Fall, in welchem in erster Linie objektive Qualitätsanforderungen ausschlaggebend gewesen seien, komme eine Ersatzlieferung ernsthaft in Betracht. Dass der Beklagten eine Nacherfüllung durch Lieferung eines Ersatzpferdes nicht möglich gewesen wäre, werde substantiiert von der Klägerin nicht behauptet.

9. Die Klägerin trage zwar vor, der Vater der Beklagten habe seit Bekanntwerden des „Kissing Spines“-Verdachts sämtliche Anschuldigungen und Pflichten von sich gewiesen und auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt, weil dieses ohnehin „nichts bringe“; hierdurch sei das Vertrauen der Klägerin in das Unternehmen der Beklagten gebrochen worden. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten lasse sich aus dieser unpräzisen Darstellung jedoch nicht herleiten. Dies gelte auch für die umgangssprachliche Formulierung des Vaters der Beklagten in dem behaupteten Gespräch mit dem Lebensgefährten der Klägerin am 19. Juni 2012, wonach man sich vor Gericht wiedersehe. Derartige Äußerungen ließen nicht darauf schließen, dass die Beklagte eine Nachlieferung auch dann abgelehnt hätte, wenn sie hierzu von der Klägerin ernsthaft unter Gewährung einer angemessenen Frist aufgefordert worden wäre. Insbesondere habe die behauptete Antwort des Vaters der Beklagten am 19. Juni 2012 in ihrem unverbindlichen Stil dem von Herrn H. unmittelbar zuvor angeschlagenen derben Ton entsprochen. Unter diesen Umständen sei eine wirksame Aufforderung zur Nacherfüllung innerhalb der Zweijahresfrist ab dem 3. Mai 2011, während der ein Anspruch der Klägerin auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB bestanden habe, nicht erfolgt.

10.Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung, die Klägerin habe der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung im Sinne der § 323 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB gesetzt, kann die Klage nicht abgewiesen werden.

11. Für eine Fristsetzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins bedarf es nicht. Weder lässt sich dem Begriff der Fristsetzung entnehmen, dass die maßgebliche Zeitspanne nach dem Kalender bestimmt sein muss oder in konkreten Zeiteinheiten anzugeben ist, noch erfordert es der Zweck der Fristsetzung gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1 oder nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger für die Nacherfüllung einen bestimmten Zeitraum oder einen genauen (End-)Termin angibt. Dem Schuldner soll mit der Fristsetzung vor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt (Senatsurteil vom

12. August 2009 – VIII ZR 254/08, NJW 2009, 3153 Rn. 10 f., zu § 281 BGB).
Daran gemessen hat das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, das durch den Zeugen H. unter Beweis gestellte, im Revisionsverfahren zugrunde zu legende Vorbringen der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 7. April 2014 nicht hinreichend erfasst, der Zeuge habe dem Vater der Beklagten am 19. Juni 2012 nicht nur gesagt, das Tier sei ihm zu gefährlich und er fürchte um die Gesundheit seiner Lebensgefährtin, sondern habe auch wörtlich oder wortähnlich erklärt: „Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor.“

13.Diese Äußerung trägt den Anforderungen an eine Fristsetzung gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1, § 323 Abs. 1 BGB Rechnung. Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen besorgen, dass es eine ordnungsgemäße Nacherfüllungsaufforderung von der Nennung eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-)Termins abhängig machen will. Dessen bedarf es jedoch nicht. Bereits in dem Verlangen, das Pferd „auszutauschen“, verbunden mit der die Ernsthaftigkeit der Erklärung verdeutlichenden Warnung, andernfalls rechtliche Schritte zu ergreifen, liegt bei verständiger Würdigung unmissverständlich die Aufforderung, umgehend Abhilfe durch Übergabe eines gesunden Pferdes zu schaffen.

14. Das Berufungsurteil stellt sich auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Vergeblich beruft sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin Unternehmerin sei und für diesen Fall unter den weiteren Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages ein Ausschluss der Sachmängelhaftung vereinbart worden sei. Das Berufungsgericht hat bereits keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin Unternehmerin ist.

15.Zudem sind auch im Fall der Unternehmereigenschaft der Klägerin gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 des Kaufvertrages unter anderem Ansprüche vom Ausschluss der Sachmängelhaftung ausgenommen, bei denen „die haftungsbegründenden Umstände … durch eine fahrlässige Pflichtverletzung von J. [Beklagte] … verursacht“ wurden. Insoweit kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB) unter dem Gesichtspunkt der Verschaffung eines von Sachmängeln freien Tieres (§ 434 Abs. 1, § 90a BGB) nicht ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz statt der Leistung unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 2. April 2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 23 f. mwN). Eine solche Verpflichtung der Beklagten haben die Parteien gemäß § 5 Abs. 5 des Kaufvertrages ausdrücklich vereinbart. Danach sind die Parteien „sich einig, dass eine Nachbesserung durch Lieferung eines vergleichbaren Pferdes erfolgen kann“, so dass diese Art der Nacherfüllung durch § 3 Abs. 3 des Kaufvertrages nicht ausgeschlossen ist.

16.Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer
Dr. Bünger Kosziol