Pferderecht Alttag

Promille auf dem Kutschbock


Oktober 2014.
Promillegrenzen bei zwei Pferdestärken

Für alle Verkehrsteilnehmer gilt seit Mai 2014 der neue Bußgeldkatalog. Doch welche Regeln davon gelten eigentlich auch auf dem Kutschbock? Ist der Status mit dem des Auto-/Fahrradfahrers vergleichbar? Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsverstöße sind von Gespannen wohl kaum zu befürchten. Was aber gilt bei Trunkenheit auf dem Bock und welche Konsequenzen ergeben sich für den Führerschein?

Obgleich für das Führen einer Kutsche noch nicht einmal eine Fahrerlaubnis erforderlich ist, kann der Führerschein für das Auto oder auch das Motorrad bei schweren Verstößen gegen die Regeln im Straßenverkehr, die man auf dem Kutschbock begeht, entzogen werden. Auch die Anordnung einer Medizinischpsychologischen Untersuchung (MPU) ist möglich. So wird in § 3 Abs.1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FEV) sogar explizit das Führen von Tieren erwähnt: „Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen.“
Zudem verlangt § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FEV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, „wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (…)“

Die Eigenschaft der Pferdekutsche als Fahrzeug gemäß § 24 StVO (Straßenverkehrsordnung) und im Sinne des Strafgesetzbuches ist von der Rechtsprechung anerkannt. Auch die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Festlegung von Grenzwerten im Straßenverkehr entwickelten Grundsätze sollen auf die Pferdekutsche anzuwenden sein – entschied jedenfalls das OLG Oldenburg am 24.02.2014 (1 Ss 204/13) im Falle des Führers eines Zweispänners, der in eine Polizeikontrolle geriet. Die Beamten ordneten bei dem Fahrer eine Blutprobe an, die eine Blutalkoholkonzentration von 1,98 Promille ergab. Nach dem der wegen Trunkenheit im Straßenverkehr Angeklagte in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, hob das Landgericht dieses Urteil auf und sprach den Angeklagten frei, weil es der Ansicht war, der von der Rechtsprechung entwickelte Grenzwert für die alkoholbedingte absolute Fahruntüchtigkeit für Führer von Kraftfahrzeugen in Höhe von 1,1 Promille sei nicht auf den Führer eines Pferdegespannes übertragbar. Eine Kutsche sei wesentlich langsamer als ein Kraftfahrzeug und im Vergleich zum Radfahrer käme dem Gleichgewichtssinn auf dem Kutschbock eine geringere Bedeutung zu. Es habe bei dem Fahrer keine alkoholbedingten Fahrfehler oder Ausfallerscheinungen gegeben.

Die Staatsanwaltschaft ging gegen den Freispruch in Revision und das OLG Oldenburg hob die Entscheidung wieder auf, da es unter Hinzuziehung eines Sachverständigen – Pferdezüchter und Turnierrichter für Gespannfahrer- zu der Überzeugung gelangte, dass ein Pferdegespann ein durchaus mit dem PKW vergleichbares Gefahrenpotential für den Straßenverkehr darstelle, welches sich nicht zuletzt auch in Ausweichmanövern Dritter manifestiere. Schließlich bestehe auch beim Schlangenlinien fahrenden Radfahrer weniger das unmittelbare Risiko andere Verkehrsteilnehmer zu verletzten, als die Gefahr, dass wesentlich schnellere Verkehrsteilnehmer zu unkontrollierten Lenkbewegungen veranlasst werden und damit wiederum den Gegenverkehr und andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Fahrfehler des Kutschers, wie z.B. Verlust des Gleichgewichts, zu lockere Leinenführung oder Fehleinschätzungen von Verkehrssituationen seien gefährlich, da das Tier zu keiner angemessenen Eigenreaktion in der Lage sei, sondern sich auf die Führung durch den Fahrer verlasse. Das Pferd sei ein Fluchttier und könne so den Fahrer jederzeit zu unverhofften Reaktionen veranlassen, zu denen dieser dann auch in der Lage sein müsse. Dem Gespannfahrer käme demnach eine wesentlich schwierigere Aufgabe zu als dem Radfahrer, da er jederzeit dazu fähig sein müsse, auf das die Kutsche ziehende Pferd einzuwirken. Dabei sei dann auch noch die unberechenbare Tiergefahr mit einzukalkulieren, die weder beim Auto (außer bei technischen Defekten) noch beim Fahrrad gegeben sei. Das sichere Führen der Kutsche setze somit die volle Konzentrationsfähigkeit des Fahrers voraus. Der entscheidende Senat beurteilte diese Anforderungen an den Fahrer als wesentlich höher als die an den Radfahrer und als nicht geringer als die an den PKW-Fahrer. Die grundsätzlich gefahrsenkende Geschwindigkeit der Kutsche werde durch die Unberechenbarkeit des zu lenkenden Pferdes wieder aufgehoben. Dem Kutscher falle schon in nüchternem Zustand eine weit schwerere Aufgabe zu als dem Kraftfahrzeugführer. Daher gelte auch beim Führer der Pferdekutsche der Grenzwert von 1,1 Promille für die absolute Fahruntüchtigkeit, 1,6 Promille gelten für den Radfahrer – für die Strafbarkeit. Eine Geldbuße steht für den PKW-Fahrer bereits ab 0,5 Promille an.