Reitunfälle mit Schulpferden
Reitunfälle mit Schulpferden
Was ist bei einem Reitunfall mit einem Schulpferd zu beachten? Wer haftet?
Die Antworten auf diese Fragen fallen situationsbedingt sehr unterschiedlich aus. Dabei kommt es darauf an, ob die beteiligten Personen, also der Reitlehrer, die Reitschüler, der Betreiber der Reitschule sich jeweils angemessen und ordnungsgemäß verhalten haben oder ob Fehler bei der Handhabung des Pferdes zu einer (Mit-)haftung führen. Die Pflichten des Betreibers einer Reitschule gehen dabei nicht so weit, dass jedweder Gefahr eines Sturzes vorgebeugt werden muss.
Oftmals bleiben geschädigte Reitschüler auf Ihrem Schaden sitzen, da sie entweder nicht beweisen können, dass sich die typische Tiergefahr in dem Unfall realisiert hat oder weil weder Reitlehrer noch Reitschulinhaber sich nicht sorgfaltsgemäß verhalten haben. Denn anders als der private Tierhalter, welcher verschuldensunabhängig für jeden Schaden eintreten muss, den sein Pferd an Personen oder Sachen verursacht, hat der so genannte „Nutztierhalter“, also jemand, der Pferde zu gewerblichen Zwecken hält, die Möglichkeit, sich von der Haftung zu entlasten, wenn er nachweisen kann, dass er die erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder dass der Schaden auch dann eingetreten wäre, wenn diese Sorgfalt eingehalten worden wäre. Beispiele: Eine Frau fiel in der Reitstunde vom Pferd, da dieses überraschenderweise losgaloppiert sei und angefangen habe zu buckeln. Dummerweise hatte dieses von der Geschädigten geschilderte Geschehen keiner der anderen Reiter in der Halle beobachtet, auch die Reitlehrerin hatte nichts gesehen, da sie gerade auf einen anderen Schüler konzentriert war. Da die Reitschülerin somit den von ihr geschilderten Unfallhergang nicht nachweisen konnte, blieb sie auf ihrem Schaden sitzen (OLG Karlsruhe, 12.06.2002, 7 U 172/01).
In einem anderen Fall konnte sich der beklagte Reitschulbetreiber entlasten, da der Reitlehrerin kein Vorwurf eines Verschuldens gemacht werden konnte. Der Grund für den Sturz der Reitschülerin war hier wieder ein Losgaloppieren und Buckeln des Pferdes gewesen, genau wie im ersten Fall. Bei diesem hier allerdings unstreitigen Ungehorsam des Schulpferdes war nun streitig, was der Auslöser dafür gewesen war. Der Reitlehrerin war vorgeworfen worden, dass sie den Unterricht fortgeführt hatte, obgleich ein weiteres Privatpferd mit Reiter die Halle betreten hatte und gleichzeitig noch ein Pferd auf einem Zirkel longiert wurde. Die Reitlehrerin hatte jedoch der Reitschülerin die Anweisung gegeben, vor dem Longierzirkel jeweils abzuwenden, damit sie nicht in den Kreis des Longierpferdes gerate. Das Gericht konnte somit nicht feststellen, dass der Unfall auf eine Sorgfaltspflichtverletzung der Reitlehrerin zurückzuführen war (OLG Frankfurt, 06.07.2004, 3 U 59/03).
Auch einer anderen Reitlehrerin konnte kein Schuldvorwurf gemacht werden, der ein Kleinkind bei einer Koordinationsübung vom Pony rutschte und sich dabei schwer verletzte. Das Pony wurde von einer Hilfsperson geführt, das Kind sollte kurz den Haltegriff loslassen und in die Hände klatschen. Dabei verlor es das Gleichgewicht und rutschte langsam von dem Pony runter. Es wurde behauptet, die Aushilfsperson sei nicht qualifiziert gewesen, da sie das herunterrutschen des Kindes nicht vermeiden konnte, außerdem habe das Pony bei der Übung nicht gestanden. Dies hielt der tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung durch das Oberlandesgericht aber nicht stand. Die 20jährige Reitlehrerin war mit den überprüften Erfahrungen und Kenntnissen ausreichend qualifiziert genug gewesen und dass das Pony noch nicht gestanden hatte, als die Übung durchgeführt wurde, wurde als nicht relevant erachtet (OLG Hamm, 11.01.2013, 12 U 130/12).
In einem weiteren Fall kam es sehr wohl zur Haftung des Reitschulbetreibers, da er seine Reitlehrerin nicht genügend beaufsichtigt und kontrolliert hatte. Ein Pferd ging beim Aufstiegversuch eines ungelenken Reitschülers durch, da die Reitlehrerin es versäumte, zusätzlich zum Gegenhalten des Steigbügels noch den Zügel festzuhalten, um das Pferd am Wegstürmen zu hindern. Dieses Fehlverhalten wurde hier aber nicht der Reitlehrerin selbst als Verschulden angelastet, sondern dem Reitschulinhaber, für den die Reitlehrerin als Angestellte arbeitete. Er hätte diese konkret anweisen müssen, bei den Anfängern beim Aufsteigen Bügel und Zügel festzuhalten und hätte dies selbst auch beaufsichtigen müssen (OLG Düsseldorf, 11.06.2002, 4 U 207/01).
Eine Sorgfaltspflichtverletzung wurde auch bei einem Reitlehrer gesehen, der einen Reitschüler weiter auf dem Zirkel traben ließ anstatt ihn dazu anzuhalten, zum Schritt durchzuparieren, während ein anderer Pferdehalter mit seiner Stute an der Hand und einem Fohlen bei Fuß die Halle durchquerte. Das Gericht ließ es dahin stehen, ob es bereits als fahrlässig angesehen werden konnte, dass der Stutenhalter überhaupt während des Reitunterrichts mit dem freilaufenden Fohlen die Halle durchqueren durfte. Dies allein habe den Unfall aber nicht verursacht. Die dadurch jedoch geschaffene erhöhte Gefahr, dass das Pferd des Reitschülers irgendeine nicht beherrschbare Reaktion auf die anderen Pferde zeigte, hätte dadurch wesentlich reduziert werden können, indem der Reitlehrer den Schüler zunächst einmal hätte zum Schritt durchparieren lassen, bis die beiden Pferde die Halle wieder verlassen hatten. Da allerdings Zeugen aussagten, das Pferd habe erst gescheut, als die beiden anderen Pferde wieder draußen waren und das Tor geschlossen war, fehlte es an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Reitlehrers und dem Scheuen des Pferdes. Die Haftung des Reitlehrers, der hier als Tierhalter in Anspruch genommen wurde, wurde deswegen im Ergebnis zurückgewiesen (OLG Frankfurt, 24.05.2013, 4 U 162/12).