Alttag

Sorgfaltspflicht beim Wanderausritt

Der Sturz einer 14-jährigen im Rahmen eines geführten Ausritts einer Reitschule warf viele rechtliche Fragen auf, mit der sich ein Gericht im März 2024 auseinandersetzen musste. Angefangen von der sorgfältigen Auswahl von Reitern und Pferden, der Strecke und über die Qualifikation der Reitlehrerin bis hin zur rechtlichen Ausgestaltung des Verhältnisses von Reitschüler und Reitschule sowie der Benutzung des Pferdes und nicht zuletzt die Situation im Einzelnen, die zum Unfall und die Umstände, welche zu der eingetretenen Verletzung führten, mussten untersucht und bewertet werden.

Auf der ersten Galoppstrecke eines mehrstündigen geführten Wanderausritts mit 8 Teilnehmern kam es an einer Abzweigung zum Sturz einer Reitschülerin, die sich dabei nicht unerheblich am Knie verletzte. Die Reiterin stieg jedoch wieder auf und der Ausritt wurde fortgesetzt. Es wurden dann später ärztlicherseits ein Knochenmarksödem, ein Kreuzbandriss und ein Außenmeniskushinterhornriss diagnostiziert. Vor Gericht forderte die verletzte Schülerin Schmerzensgeld und Schadensersatz von der Reitschule und der Reitlehrerin – das Gericht hatte alle Aspekte des Falles genau zu untersuchen, da sämtliche Umstände zwischen den Parteien streitig waren, sowohl, wie es genau zu dem Sturz gekommen war, warum der Ausritt dennoch fortgesetzt wurde, ob die Reitlehrerin ausreichend qualifiziert gewesen ist, die Inhaberin der Reitschule selbst Anweisungen gegeben habe und ob die Verletzung überhaupt auf den Sturz zurückzuführen sei. Zunächst einmal wurden alle Beteiligten nach ihrem reiterlichen Können und ihrer Erfahrung im Zusammenhang mit Wanderausritten durch das Gericht befragt. Nach dieser Befragung war das Gericht davon überzeugt, dass die Fähigkeiten der Teilnehmerinnen, insbesondere der Klägerin selbst, ausreichend waren. Sämtliche Reiterinnen verfügten über mehrjährige Ausreiterfahrung. Die Klägerin ritt seit 3-4 Jahren auf dem Hof und hatte eine Reitbeteiligung an dem Pferd, welches sie auch auf dem Ausritt ritt. Sie zahlte 60 Euro im Monat und half zweimal die Woche bei den Stallarbeiten. Im Gegenzug erhielt sie Vergünstigungen bei Reitunterricht und Ausritten. Das Pferd selbst ritt sie immer ordentlich und solide, dieses war auch als Schulpferd und für Anfänger geeignet. Sowohl die Klägerin als auch die beklagte Reitlehrerin kannten die Strecke. Die Reitlehrerin war ebenfalls seit einigen Jahren auf diesem Hof tätig und kannte die Reiterinnen und die Pferde. Die Qualifikation, bestehend aus Reitabzeichen VI und V, Basispass, Longierabzeichen LA5 und Reitpass, waren nach sachverständiger Beratung des Gerichts auch ausreichend, um diesen streitigen Wanderritt anzuführen. Sämtliche Grundvoraussetzungen, um einen sorgfältig geplanten Ausritt durchzuführen, lagen demnach für das Gericht unzweifelhaft vor, sowohl nach Eignung der Reiterinnen, der Pferde, der Reitlehrerin und der Strecke. Auch ein Verschulden der Reitschulinhaberin bei der Organisation war danach nicht ersichtlich. Sodann ergab die Befragung der Beteiligten, dass ein Überholverbot ausgesprochen worden war, d.h. zumindest, dass am „ersten Mann“, also in diesem Falle die Reitlehrerin am Kopf der Gruppe, nicht vorbeigeritten werden sollte. Eben dies hatte die gestürzte Reiterin aber getan, indem sie im Galopp an der Reitlehrerin vorbeigezogen war und somit deren Eingriffsmöglichkeiten beschränkte. Wie es dann zum eigentlichen Sturz kam, konnte vom Gericht gar nicht mehr aufgeklärt werden. Hinsichtlich der Fortsetzung des Ausritts stimmten die beteiligten Reiterinnen dann wiederum in ihren Aussagen überein, dass die Klägerin zwar geäußert habe, dass Knie tue ihr ein wenig weh, jedoch habe sie sowohl das Angebot, in Begleitung einer Reiterin zurück zu reiten, als auch, an Ort und Stelle abgeholt zu werden, abgelehnt. Daraufhin wurde gemeinsam weiter geritten und während zweier Pausen, in denen auch ab- und wieder aufgestiegen wurde, soll die Geschädigte keinerlei Beschwerden geäußert haben. Die Reitlehrerin hatte den körperlichen Zustand, bzw. die Reitfähigkeit der Reiterin darüber hinaus auch durch Steh- und Belastungsübungen im Sattel noch einmal überprüft. Die Kammer befand deswegen, dass keine Sorgfaltspflichtverletzung der Reitlehrerin darin bestand, den Ausritt fortzusetzen – auch dann nicht, wenn die Klägerin berichtet hatte, ein halbes Jahr vor dem Ritt einen Schulunfall gehabt zu haben, bei dem eine Bänderdehnung entstanden, konservativ behandelt und ausgeheilt gewesen war. Fast ein Jahr nach den sturzbedingten Knieverletzungen kam es, nach Aussage der Klägerin, aufgrund der dadurch entstandenen Instabilität des Knies zu einem weiteren Schulunfall. Das Gericht wies jedoch die Klage ab, da weder eine vertragliche Haftung der Reitschulinhaberin in Betracht kam noch eine solche als Tierhalterin und auch keine Haftung der Reitlehrerin, weder aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung noch einer solchen als Tieraufseherin (Landgericht Arnsberg, Urteil vom 08.03.2024, I-4 O 306/23).