Tierarzthaftung bei Ankaufuntersuchung
Vor ausnahmslos jedem Pferdekauf empfiehlt es sich, eine tierärztliche Untersuchung durchführen zu lassen – eine Pflicht ist dies jedoch nicht. Es ist die Pflicht des Verkäufers, ein mangelfreies Pferd zu übergeben, so dass für ihn die Kaufuntersuchung eine Absicherung darstellen kann. Der Verzicht des Käufers auf die tierärztliche Untersuchung führt nicht zum Verlust der Gewährleistungsrechte. Allerdings kann ihm unter Umständen fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden, wenn Anzeichen einer Beeinträchtigung oder Vorerkrankungen vorliegen und er diesbezüglich selbst keine Nachforschungen anstellt. Der Tierarzt schuldet indes die ordnungsgemäße, zutreffende Begutachtung und haftet für Fehler dabei dem jeweiligen Auftraggeber gegenüber auf Schadenersatz, möglicherweise sogar bis zur Übernahme des Pferdes. Doch haftet der Tierarzt auch dann, wenn er Befunde übersieht und nicht mitteilt, die keine Konsequenz für die Nutzung des Pferdes haben? (Beschluss des BGH, 27.09.2023, VII ZR 113/22).
Die Käuferin eines 4-jährigen Wallachs, den sie für 22.000 Euro erworben hatte, verklagte den Tierarzt, welchen sie mit der Ankaufuntersuchung beauftragt hatte auf Schadensersatz, da dieser Befunde übersehen habe, die sie vom Kauf des Pferdes abgehalten hätten. Die Käuferin bat eigens um die Anfertigung von Röntgenbildern der Halswirbelsäule und des Genicks, nicht etwa, weil dieses Pferd aufgrund seiner klinischen Gesundheit dazu Anlass gegeben hätte, sondern weil sie mit einem anderen Pferd zuvor aufgrund solcher Befunde Probleme gehabt hatte und solche dieses Mal von vorneherein ausschließen wollte. Der Tierarzt teilte ihr nach der Untersuchung mit, dass sich keine erheblichen Befunde gezeigt hätten. Diese kaufte daraufhin das Pferd. Dann zeigten sich einige Zeit nach dem Kauf des Pferdes beim Reiten Koordinationsprobleme, weshalb die Käuferin es für nicht uneingeschränkt als Sportpferd einsetzbar hielt und den Verkäufer auf Rückabwicklung und Schadensersatz in Anspruch nahm. Dieser verteidigte sich mit dem Hinweis darauf, dass das Pferd bei der tierärztlichen Ankaufuntersuchung keine Befunde aufgewiesen habe, die einer reiterlichen Nutzung entgegengestanden hätten. Die Parteien führten einen Rechtsstreit darüber, in dessen Rahmen das Gericht ein tiermedizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage des Vorliegens einer Gangbildstörung des Pferdes sowie deren Ursache einholte. Dabei kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass die beanstandeten Unregelmäßigkeiten im Bewegungsablauf des Pferdes eine Folge unzureichender reiterlicher Ausbildung seien. Indes sah der Sachverständige jedoch auch Befunde auf den im Rahmen der Ankaufuntersuchung durch den Tierarzt angefertigten Röntgenbildern. Daraufhin weitete die Käuferin ihre Klage auf den Tierarzt aus und stützte diese nunmehr darauf, dass dieser ihr gegenüber dazu verpflichtet gewesen sei, die vom Gutachter aufgezeigten Befunde mitzuteilen und sie in diesem Falle den Kaufvertrag gar nicht erst geschlossen hätte. Der Tierarzt wandte wiederum ein, dass diese röntgenologischen Befunde die Eignung des Pferdes als Dressurpferd überhaupt nicht beeinträchtigen würden und dass er nicht dafür verantwortlich werden gemacht werden könne, dass das Pferd nicht richtig ausgebildet worden sei. Die Klage der Käuferin wurde vor dem Landgericht abgewiesen. Die Berufung der Klägerin dagegen – nur noch den Tierarzt betreffend – hatte vor dem Oberlandesgericht Erfolg, da dieser bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes dazu verpflichtet sei, nicht nur die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern auch seinem Auftraggeber das Ergebnis, d.h. jegliche Auffälligkeiten des Tieres mitzuteilen. Diesen Anforderungen sei der Beklagte Tierarzt in Bezug auf die vom Gutachter in erster Instanz festgestellten Röntgenbefunde in mehrfacher Hinsicht nicht nachgekommen. Hingegen wandte sich wiederum der Tierarzt mit der Revision an den Bundesgerichtshof, weil nicht hinreichend festgestellt worden sei, dass sein Fehler, die Röntgenbefunde der Klägerin gegenüber nicht zu erwähnen, auch ursächlich für den geltend gemachten Schaden gewesen sei. Die Revision des Tierarztes hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht, damit dies weitere Feststellungen dazu treffe. Der Auftraggeber hat nämlich die volle Beweislast dafür, dass die Sorgfaltspflichtverletzung des Tierarztes auch zum Schaden geführt hat, was grundsätzlich nur dann der Fall sein kann, wenn das streitgegenständliche Pferd an einer Beeinträchtigung leidet, deren Ursache für den Tierarzt zum Zeitpunkt der Ankaufsuntersuchung auch zu erkennen war. Dies war vorliegend nach den gutachterlichen getroffenen Feststellungen ja offenbar nicht der Fall gewesen. Gleichwohl wird die Klägerin wiederum plausibel machen können, das Pferd nicht erworben zu haben bei Kenntnis der Röntgenbefunde, aufgrund ihrer schlechten Vorerfahrungen – darüber wird nun das Berufungsgericht erneut zu entscheiden haben.