Pferderecht Alttag

Unfallopfer Pferd


Februar 2015.
Unfallopfer Pferd

Falsch geführt oder zu dicht überholt? Die Gewichtung der Haftung 1 PS gegen 185 PS geht leider oftmals zu Lasten des Pferdes aus.

Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit ausgebrochenen Tieren haben oft erheblichen Sach- und Personenschaden zur Folge und waren bereits mehrfach Gegenstand dieser Rubrik. Regelmäßig wiegt bei Unfällen, die durch ausgebrochene Pferde verursacht werden, die Tiergefahr schwerer als die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges, da Pferde nun einmal nichts auf der Straße verloren haben und das Auto hier eindeutig das Vorrecht hat. Doch wie sieht es mit der Haftungsfrage aus, wenn das Pferd nicht unberechenbar herumläuft sondern unter menschlicher Führung steht? Wie wird ein Pferd verkehrssicher geführt? Und wer ersetzt Tierarztkosten oder den Verlust des Pferdes, dass durch ein Fahrzeug zu Schaden kommt? Wer in welcher Höhe haftet, muss natürlich immer im konkreten Einzelfall ermittelt werden. Die Rechtsprechung befasste sich 2014 in zwei Urteilen mit Fällen unsachgemäßer Führung von Pferden auf der Straße und zu schnell daran vorbeifahrenden Fahrzeugen. Auch Fahrzeugführer müssen bei der Wahrnehmung von Tieren im Straßenverkehr besondere Rücksicht und Vorsicht walten lassen.

Eine Pferdebesitzerin verlangte Schadensersatz für ihr verletztes Dressurpferd, welches nach einem Zusammenstoß mit einem Kleinomnibus eine Trümmerfraktur des Hufbeins erlitten und in der Folge eingeschläfert werden musste. Der Unfall passierte, als der Pensionspferdehalter, in dessen Stall das Pferd untergebracht war, das Pferd der Reiterin zusammen mit einem anderen Pferd von der Weide holte, wobei auf dem Weg zum Stall eine Landstraße passiert werden musste. In seiner Begleitung war noch eine weitere Pferdebesitzerin, die auch ein Pferd an der Hand führte. Der Stallbesitzer führte ein Pferd an der rechten und das später Verunfallte an der linken Hand jeweils mit Halfter und Führkette. Als ein entgegenkommender Kleinomnibus an der Gruppe vorbei fuhr, rutschte die linker Hand geführte Stute mit dem linken Hinterhuf unter den Omnibus, was zu der schließlich tödlich endenden Verletzung führte. Die Geschädigte verklagte nun sowohl den Stallbesitzer, als auch den Halter, den Fahrer und den Versicherer des Kleinomnibusses.

Das Gericht kam zu einer Verurteilung aller vier Beklagter gemeinsam zum Ersatz des Schadens zu 70 %. Zu 30 % musste sich die Pferdebesitzerin die von ihrem eigenen Pferd ausgehende Tiergefahr als Mithaftungsquote anrechnen lassen. Der Stallbesitzer konnte jedenfalls wegen Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht in Anspruch genommen werden, weil er die beiden Pferde nicht gleichzeitig auf der Straße hätte führen dürfen. Gemäß § 28 der Straßenverkehrsordnung müssen Tiere so im Straßenverkehr geführt werden, dass ausreichend auf sie eingewirkt werden kann. Eine ausreichende Kontrolle beim Führen am Stallhalfter könne aber immer nur über höchstens ein Pferd gleichzeitig ausgeübt werden. Den Fahrer des Omnibusses traf jedoch ebenfalls ein Verschulden, da er zu schnell an der Gruppe vorbei gefahren war und damit sowohl gegen das Gebot der angepassten Geschwindigkeit sowie der Rücksichtnahme ( §§ 3 und 1 der StVO) hatte (LG Koblenz, 03.02.2014, 5 O 419/11). Wer von den vier Verurteilten im Innenverhältnis zu welchem Anteil haften musste, war nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. In der Praxis wird dies in der Regel unter den jeweils einstandspflichtigen Versicherungen ausgehandelt. Die Richter orientierten sich bei der Haftungsverteilung an einem Fall des OLG Köln, in dem ein Pkw-Fahrer zwei Reiter mit 64 km/h und zu geringem Seitenabstand überholte und dann eine Vollbremsung unternommen hatte, woraufhin ein Pferd scheute und mit der Hinterhand in die Fahrbahn ausbrach. Hier wurde die an dem Unfall mitwirkende Tiergefahr nur mit 20 % bewertet (OLG Köln, 9 U 7 / 91). Mit 1/3 lag wiederum die Mithaftung des Tierhalters etwas höher, in einem Fall, in dem ein Fahrer außerorts mit 80 km/h eine Reiterin zu dicht überholt hatte (OLG Hamm, 27 U 156/93).

In einem anderen Fall ließ das Gericht hingegen die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zu 100 % hinter der Tiergefahr und dem Verschulden der Pferdeführerin zurück treten. Ein Pferd hatte heftig gescheut und seine Führerin zu Boden gerissen und schwer verletzt. Es konnte jedoch nicht mehr nachgewiesen werden, ob diese Reaktion des Pferdes tatsächlich auf die Geräuschkulisse eines herannahenden Fahrzeugs zurückzuführen war. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass der Betrieb eines Fahrzeugs ursächlich für das Scheuen eines Pferdes war, reiche nicht aus, um den Haftungszusammenhang zu begründen (OLG Celle, 26.03.2014, 14 U 128/13). Der Fahrer habe sich ordnungsgemäß verhalten. Zudem müsse sich der Pferdeführer in einer Situation, in der das Pferd seinem Fluchtinstinkt entsprechend vor einem herannahenden Fahrzeug in Panik gerate, so positionieren, dass er für den Fall des Scheuens des Pferdes aus dessen Gefahrenzone gelangen könne, was die Führerin in diesem Falle schuldhaft versäumt habe.
Umgekehrt mussten die Fahrer eines Hochzeitskorsos den Schaden eines Pferdebesitzers ersetzen, dessen Pferd auf der Weide durch die hupend vorbeifahrenden Autos mit angebundenen Blechbüchsen in Panik geriet und sich bei einem Sturz so schwer verletzte, dass es eingeschläfert werden musste (LG Köln, 21 O 267/95). Eine besondere Lärmempfindlichkeit des Pferdes war nicht schadensmitursächlich. Auch der Halter eines verbotswidrig in einem Fluchtweg abgestellten Fahrzeugs musste zu 100 % den Verlust eines Rennpferdes ersetzen, welches auf der Flucht in das Fahrzeug gerannt war und sich dabei tödlich verletzt hatte ( BGH, VI ZR 197/94).