Pferderecht Alttag

Wer beauftragt den Pferdezahnarzt und wer muss ihn bezahlen?

Einmal jährliche Kontrolle der Maulhöhle ist bei Turnierpferden Standard
Ein Urteil des Landgerichts Lübeck bringt frischen Wind in die Dogmatik des
Pferdepensionshaltungsrechts. Ein Stallbesitzer hatte die bei ihm eingestallten
Pferde des Klägers, ohne damit besonders oder allgemein beauftragt gewesen zu
sein, dem Tierarzt zur Maulhöhlenkontrolle vorgestellt und nach dringender Indikation
bei einem Pferd auch eine scharfe Kante beraspeln lassen. Der Pferdeeigentümer
hat die Rechnungen des Tierarztes zwar bezahlt, forderte aber nun in gleicher Höhe
Schadensersatz vom Stallbesitzer, da er überhaupt keinen Auftrag erteilt hatte, die
Pferde dem Tierarzt vorzustellen und der Stallbesitzer dies einfach ohne sein Wissen
vorgenommen habe. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten aus dem
Einstallungsverhältnis überschritten und folglich auch verletzt. Diese
Vertragsverletzung habe zum Schaden in Höhe der entstandenen Tierarztkosten
geführt.
Die Klage auf Rückzahlung der Tierarztkosten für die Maulhöhlenkontrolle und die
zahnärztliche Bearbeitung der Pferdegebisse gegen den Pensionswirt wurde jedoch
in zwei Instanzen abgewiesen. Das Landgericht hat sich dabei intensiv sowohl
dogmatisch als auch in praktischer Hinsicht mit dem Recht der
Pferdepensionshaltung auseinandergesetzt.
Grundsätzlich ist der Einstallungsvertrag ein Vertrag eigener Art, der überwiegend
mietvertragliche Elemente aufweisen kann, aber auch solche des
Dienstvertragsrechts oder des Verwahrungsvertrags, je nachdem ob die Miete oder
Pacht eines Stalles oder einer Weide bei vollständiger Eigenversorgung im
Vordergrund steht oder „Vollpension“ mit Ausbildung und Beritt. In den Fällen des
„klassischen“ Pensionsvertrages, bei dem das Pferd zwar von seinem Eigentümer
täglich zum Reiten aufgesucht, ansonsten aber vom Stallbesitzer rundum mit Futter
und Ausmisten etc… versorgt wird, ist die Rechtsprechung mittlerweile gefestigt
standardmäßig vom Verwahrungsvertrag ausgegangen. Weshalb ist die
Vertragsform überhaupt von Bedeutung? Je nachdem, ob ein konkretes Problem
nach dem Mietrecht, dem Dienstleistungsrecht oder den verwahrungsvertraglichen
Regeln zu bearbeiten ist, kann die Lösung recht unterschiedlich ausfallen, seien es
die Regelungen zu Kündigung, Herausgabe, Pflichtverletzung oder Schadensersatz
und auch der Beweislastverteilung für bestimmte Tatsachen.
Im vorliegenden Falle kam zur „Vollpension“ zweier Turnierpferde auch noch
Ausbildung und Beritt, so dass das Gericht überwiegend von Dienstvertragsrecht
ausging, mit der Folge der Anwendung von Geschäftsbesorgungsrecht. Wenn sich
der Pensionswirt bei der Ausführung seines Auftrags der Pferdebetreuung
vertragswidrig verhält, indem er unberechtigt von den erteilten Weisungen des
Auftraggebers abweicht, begeht er eine Pflichtverletzung und macht sich
schadensersatzpflichtig.
Zu klären war somit, ob in der Beauftragung des Pferdezahnarztes eine
unberechtigte Abweichung von den erteilten Weisungen vorlag. Dabei stellte das
Gericht darauf ab, was üblich und angemessen im Rahmen der allgemeinen
Pensionspferdehaltung in einem Turnierreitstall ist. Der zur Beantwortung dieser
Frage heranzitierte tiermedizinische Sachverständigengutachter führte aus, dass die
tierärztliche Untersuchung und Kontrolle der Maulhöhle gerade bei Turnierpferden
einmal im Jahr dringend geboten sei – dies sei nicht nur im Zusammenhang mit der
Nahrungsaufnahme der Tiere notwendig sondern auch als Standard bei
Turnierreitpferden anzusehen, die sich bei Haken auf den Zähnen ansonsten
verletzen können. Insofern sei im konkreten Fall sowohl die erfolgte Kontrolle bei
dem einen Pferd als auch die Entfernung einer scharfen Kante bei dem anderen
Pferd geboten als auch notwendig gewesen.
Der Stallbesitzer hatte folglich keine Interessen des Tierhalters verletzt, indem er den
Tierarzt mit der Zahnbehandlung beauftragt hatte. Zwar war er von den erteilten
Weisungen abgewichen. Die Abweichung sei jedoch geringfügig gewesen und
zudem nicht den Interessen des Auftraggebers zuwiderlaufend, so dass dieser sich
im Ergebnis nicht auf die Vertragsverletzung berufen könne. Die Tierarztrechnung
entsprach auch der Höhe nach den Regeln und ein betrügerisches Zusammenwirken
zwischen Stallbesitzer und Tierarzt – welches der Kläger behauptete – blieb rein
spekulativ (LG Lübeck, Urteil vom 02.02.2017, 14 S 231/15).