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Wer ist Schuld?

Bei Stürzen kommt es mitunter zu schwerwiegenden Verletzungen und dauerhaften Schäden. Deswegen werden nicht wenige dieser „Fälle“ auch von Gerichten entschieden, da die Haftungsfrage nicht immer eindeutig und einfach zu entscheiden ist. Dabei kommt es sowohl auf den Tierhalter als auch das Verhalten des Reiters und ggf. auch von Dritten an, nicht immer verbleibt die alleinige Haftung beim Pferdehalter bzw. der dahinterstehenden Tierhalterhaftpflichtversicherung. Um dies zu beurteilen sollten die Gerichte allerdings immer einen Sachverständigen für Pferdezucht,-haltung und -sport hinzuziehen und keine voreiligen eigenen Schlüsse ziehen. Und: Mitverschulden von Eltern müssen sich geschädigte Kinder anrechnen lassen.

Ein Mitverschulden von 80 % sollte sich eine Reiterin an ihrem Sturz anrechnen lassen, entschied das Landgericht Detmold, nachdem es die Halterin und die Reiterin angehört und eine Videoaufnahme von dem Ritt angesehen hatte. Bei dem Pferd handelte es sich um ein bis dahin nicht weiter auffällig gewordenes ausgebildetes Reitpferd, welches allerdings an diesem Tage bereits eine halbe Stunde vor dem Aufstieg die Schwester der Reiterin abgeworfen hatte. Das Gericht war deswegen der Ansicht, die Reiterin hätte nicht schon so kurze Zeit nach dem Unfall der Schwester das Pferd wieder besteigen dürfen. Hinzu komme noch, dass sie nach dem Verlust des Steigbügels nicht das Tempo zurückgenommen habe, um zunächst den Steigbügel wiederaufzunehmen. Gegen diese landgerichtliche Entscheidung gingen allerdings beide Parteien in Berufung – mit Erfolg. Denn, das Oberlandesgericht sah einen wesentlichen Verfahrensfehler darin, dass das Landgericht den Sachverhalt ohne sachverständige Begutachtung und ohne eigene Sachkunde beurteilt hatte. Die daraus gewonnene Bewertung des Eigenverschuldens sah das Oberlandesgericht mit großen Bedenken, ob das Urteil auf und verwies den Fall an das Landgericht zur weiteren Aufklärung zurück (OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2022, 4 O 243/19).

In einem anderen Fall, in dem das Landgericht Bielefeld auf eine 50% zu 50% Haftungsquote entschieden hatte, hatte das Oberlandesgericht Hamm an dem Urteil nichts auszusetzen (OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2022, 7 U 55/21). Hier war die erfahrene Reitschülerin, die an einer Reitstunde teilnehmen wollte, beim unbeaufsichtigten Aufsteigen auf ein Pferd verletzt worden, als dieses beim Aufsteigen durchging und losbockte. Die Besonderheiten in diesem Haftungsfall und der darüber getroffenen Entscheidung waren eigentlich, dass zum einen die beklagte Tierhalterin und Reitschulinhaberin als Nutztierhalterin nicht haften musste, wenn sie persönlich an dem Unfall kein Verschulden traf (Entlastungsbeweis), zum anderen war streitig, ob die Reitschülerin als Tierhüterin i. S. d. § 834 BGB anzusehen sei, was dazu führen würde, dass ein vollständiges Eigenverschulden an dem Unfall vermutet wird, hinsichtlich dessen sich der Tierhüter (also der Reiter) wiederum selbst entlasten müsse. Diesen rechtsdogmatischen Beweislastverteilungsschwierigkeiten zum Trotz hielt die doch relativ schlichte Entscheidung des Landgerichts auf beiderseitiges hälftiges Verschulden beider Parteien der Bewertung durch das OLG stand: die Reitlehrerin hätte die Schülerin ganz einfach nicht unbeaufsichtigt auf das noch unzuverlässige Pferd aufsteigen lassen dürfen – die Reitschülerin wiederum wusste, dass das Pferd erst zwei Tage zuvor gebuckelt hatte und hätte nicht alleine aufsteigen sollen.

Ein weiterer Tierhalter wurde auf 1/3 Haftung verurteilt, weil er einer Mutter gestattet hatte, sein Pinto von der Weide zu holen, dies ohne Sattel mit Halfter und Strick spazieren zu führen und ihren vierjährigen Sohn darauf zu setzen, der sich lediglich an der Mähne festhielt. Im Laufe des Spaziergangs fing die Mutter auch an, mit dem Pferd zu joggen und es am Strick neben sich her traben zu lassen. Dabei erschreckte sich das Pferd, scheute und es kam zum Abwurf des Kindes, welches dann auch noch – am Boden liegend – von einem Hinterhuf des Pferdes getroffen wurde. Hier wurde 2/3 Mitverschulden der Mutter des Kindes zugesprochen, wobei die Besonderheit beim Sorgfaltsmaßstab von Eltern ihren Kindern gegenüber ist, dass hier die so genannte Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten gilt, d.h. so zu handeln, wie es nach eigenen Maßstäben des Elternteils gerechtfertigt gewesen wäre. Dies kam der Mutter, die selbst eine erfahrene Reiterin war, vorliegend aber gerade nicht zu gute. Denn ihr hätte gerade aufgrund ihres Wissens und ihrer Kenntnisse bewusst sein müssen, das Pferde Fluchttiere sind und sich auch das zuverlässigste Pferd einmal erschrecken und eine unkontrollierte Bewegung machen kann, die der Vierjährige – schutzlos und ohne Sicherung durch Sattel, Steigbügel und Zügel, an denen die Mutter das Pferd ggf. hätte besser regulieren können – mit seinen körperlichen Fähigkeiten und nur durch das Festhalten an der Mähne nicht hat abfangen können (Landgericht Meiningen, Urteil vom 19.08.2022, 1 O 978/21).