Deckakt auf eigene Gefahr


Oktober 2013.
Wird der Hengst beim Deckakt durch die Stute verletzt, da die Halter einvernehmlich auf Vorsichtsmaßnahmen wie das Fixieren der Stute verzichtet haben, haftet der Stutenhalter nicht für den Schaden. Der Hengsthalter handelt dann „auf eigene Gefahr“ (OLG Koblenz, 16. Mai 2013, 3 U 1486/12).

Der Deckakt sollte auf der Weide stattfinden, nachdem Hengst und Stute sich beschnuppert hatten. Die Hengsthalterin führte den Hengst an Zaumzeug und Zügel, die Stutenhalterin ihr Pferd an Halfter und Strick. Nachdem die Stutenhalterin der Hengsthalterin mitgeteilt hatte, die Stute sei bislang immer friedlich gewesen, verzichteten die Parteien auf Sicherungsmaßnahmen, wie z. B. die Fesselung der Stute oder die Paarung im Probierstand. Während des Deckaktes trat die Stute dann aber plötzlich aus und traf den Hengst so heftig, dass dieser infolge eines nicht mehr behandelbaren Trümmerbruches eingeschläfert werden musste. Die Hengsthalterin begehrte nun Schadensersatz von der Stutenhalterin aus der verschuldensunabhängigen Tierhalterhaftung.

Die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung lagen nach Ansicht des Gerichts auch vor, da sich unzweifelhaft die typische unberechenbare Tiergefahr in dem Unfall realisiert hatte. Die Stute hatte dadurch den Schaden bei der Hengsthalterin verursacht. Dennoch wurde die Klage der Hengsthalterin abgewiesen. Das Gericht ließ das eigene Mitverschulden der Hengsthalterin an dem Vorgang so schwer wiegen, dass es die allgemeine Tiergefahr der Stute, für deren Halterin, bzw. deren Versicherung hätte haften müssen, vollständig dahinter zurücktreten ließ.

Die Hengsthalterin habe ihren Hengst gezielt der Stute zugeführt und ihn ohne das Ergreifen von Sicherheitsmaßnahmen bewusst dem erhöhten Risiko ausgesetzt, von der Stute verletzt zu werden. Das Austreten sei Bestandteil des normalen Paarungsverhaltens zwischen Pferden. Darauf, dass die Stute bei zuvor stattgehabten Deckakten immer friedlich gewesen sei, käme es nicht an – so das Gericht. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Stute nicht austrete, da es nun mal dem natürlichen Verhalten der Tiere während der Paarung entspreche. Auch sei dem Hengst nicht – wie beim Natursprung – die Möglichkeit zum Ausweichen gegeben worden. Da die Pferde an Strick und Zügel gehalten worden seien, hätten sie das natürliche Paarungsverhalten bei der Kontaktaufnahme auch nicht so wie beim freien Deckakt ausleben können. Der Klägerin als erfahrene Hengsthalterin musste das Risiko voll bewusst gewesen sein und sie sei dieses „sehenden Auges“ eingegangen.

Auch die Klausel im Deckvertrag vermochte der Geschädigten hier nicht weiterzuhelfen. In dieser Klausel, wie sie in vielen Allgemeinen Bedingungen bei Deckverträgen üblich sind, verpflichtete sich der Stuteneigentümer zum „Abschluss einer Haftpflichtversicherung für den Fall, dass die Stute den Hengst verletzt.“ Diese Haftpflichtversicherung bestand vorliegend auch, allerdings war sie in diesem konkreten Fall nicht zum Eintritt verpflichtet. Dies wäre sie nur dann gewesen, wenn das Gericht von einer Haftung der Stutenhalterin ausgegangen wäre, die nicht vollständig hinter dem eigenen Verschulden der Hengsthalterin zurückgetreten wäre.
Im Zweifel nützen jedoch sogar sämtliche ergriffenen Vorsichtsmaßnahmen nichts. So geht ein älteres Urteil des OLG Saarbrücken noch viel weiter: Hier unterhielt der Stutenhalter ebenfalls vertragsgemäß eine Haftpflichtversicherung. Laut Deckvertrag oblag die „Sicherung des Deckaktes“ aber vollständig dem Hengsthalter.

Der Stutenbesitzer hatte auf die Maßnahmen des Hengsthalters gar keinen Einfluss. Kommt es dann zum Versagen der Sicherungsvorkehrungen und infolgedessen zum Schadensfall, realisiere sich ein Restrisiko, welches der Hengsthalter in Kauf zu nehmen habe (OLG Saarbrücken, 18. Dezember 1996, 5 U 568/96). In diesem Fall schaffte es die durch Bremse und Fesselung gesicherte Stute irgendwie trotzdem, sich bei einem Panikausbruch zu befreien und den Hengst so heftig in die Magengegend zu treten, dass dieser nach einer Operation eingeschläfert werden musste.

Das Gericht vertrat hier die Ansicht, der Hengsthalter habe durch den Vertrag das volle Risiko für die Durchführung des Deckaktes selbst übernommen. Der Stutenhalter habe hingegen darauf keinerlei Einfluss mehr gehabt. Wenn die vom Hengsthalter verwendete Spannvorrichtung zur Verhinderung der Schädigung des Hengstes versage, dann könne eben dieses verbleibende Restrisiko, welches der Paarungsakt bei Tieren nun mal naturgemäß beinhalte, interessengemäß nicht dem Stutenhalter aufgebürdet werden.

Der in diesem Fall vom Gericht befragte Sachverständige bestätigte, dass es keine absolut sichere, jedes Risiko ausschließende Fixierungsmethode gebe. Jede Methode sei mit Vor- und Nachteilen verbunden. Ganz ausschließen könne man die Verletzung des Hengstes somit nie. Da der Hengsthalter im eigenen materiellen Interesse den Hengst dem Deckakt zuführe, müsse dieser die Verletzungsgefahr letztlich in Kauf nehmen.