Pferderecht Alttag

Vom Pferd getreten

Auch einem Hufschmied, der von einem zu beschlagenden Pferd getreten wird,
muss grundsätzlich vom Pferdehalter der Schaden ersetzt werden. Handelt der
Hufschmied allerdings in einer Weise, die zwar allgemein unter Reitern üblich
ist, nicht aber der erforderlichen allgemeinen Sorgfaltspflicht entspricht, trifft
ihn ein Mitverschulden an dem Unfall, um dessen Anteil die Haftung des
Tierhalters gekürzt wird (Oberlandesgericht Hamm, 04.01.2021, 7 U 9/20).
Auch Geschädigte, deren berufstypisches Risiko die Tiergefahr ist, handeln nicht auf
eigene Gefahr. Die Tierhalterhaftung gilt Ihnen gegenüber genauso wie anderen
Geschädigten gegenüber auch. Hufschmieden, Tierärzten, Reitlehrern, etc…
gegenüber ist die Haftung des Tierhalters nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil
sie im eigenen wirtschaftlichen Interesse handeln. Da dieses wirtschaftliche Interesse
erstens einen vernünftigen Grund hat und zweitens eine vertragliche Vereinbarung
mit dem Tierhalter beinhaltet, dürfen in den Fällen, in denen ein Berufsträger von
einem Tier geschädigt wird, nicht die Grundsätze der eigenverantwortlichen
Selbstgefährdung angewandt werden. Allerdings kann den Geschädigten natürlich –
wie in allen anderen Fällen auch – ein Mitverschulden am Eintreten des eigenen
Schadens treffen, um das dann die Ansprüche gekürzt werden. Der Tierhalter muss
das Mitverschulden des Geschädigten beweisen.
Im oben entschiedenen Fall ging es um einen Hufschmied der hinter einem Pferd
entlanggegangen war. Die Stallgasse war 3,30 m breit, das Pferd stand angebunden
parallel zur Boxenwand und der Schmied wollte das Pferd an der
gegenüberliegenden Seite passieren. Dies war in seinen Augen allgemein so üblich
und galt in Reiterkreisen als ungefährlich. Das Gericht sah allerdings als Maßstab
nicht die im Verkehr übliche Sorgfalt, sondern die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
an, insbesondere vor dem hier konkreten Hintergrund im Einzelfall: denn zunächst
wurde dem Schmied vor dem Beschlag das Pferd schon als ein „bisschen kribbelig“
beschrieben, was der Hufschmied auch bereits direkt nach Aufnahme seiner
Tätigkeit an dem Pferd bestätigend feststellen musste. Sodann hatte das Pferd auch
offenbar ganz schlechte Hufe, so dass aufgrund dessen Schmerzreaktionen oder
jedenfalls Gegenwehr nicht auszuschließen waren. Dennoch arbeiteten der
Hufschmied und sein Mitarbeiter ohne Beruhigungsmittel an dem Pferd. Ein
Vorderhuf wurde ohne Zwischenfälle fertig bearbeitet. Nach einer Standkorrektur trat
das Pferd dann zweimal nach hinten aus und traf den Mitarbeiter des klagenden
Hufschmieds an der Hüfte und am Arm. Dieser stand nach den Tritten auf und ging
zum Fahrzeug, um etwas zu trinken und sich zu erholen, während der Hufschmied
nach dem Hofinhaber oder dessen Mitarbeitern suchte. Das Pferd drehte sich in der
Zeit einmal. Als der Hufschmied dann nur einen kurzen Moment später nochmal an
dem Pferd vorbeiging, um nach seinem verletzten Mitarbeiter am Sprinter zu sehen,
klingelte sein Handy (er hatte zuvor versucht, den Notarzt anzurufen), er nahm das
Gespräch an und ging telefonierend an dem Pferd vorbei, wobei dieses erneut
austrat und den Hufschmied nun selbst am Knie traf.
Das Gericht sprach dem verletzten Hufschmied Schadensersatz und
Schmerzensgeld – zu zahlen durch den Tierhalter – grundsätzlich zu, allerdings
gekürzt um 50 % Mitverschulden. Der Geschädigte hätte die Nervosität und Gefährlichkeit des Pferdes aufgrund der gesamten Vorsituation besser einschätzen
können und hätte zwei Möglichkeiten habt, sorgfältiger zu handeln, nämlich indem er
erstens das Pferd am Kopf genommen und weggeführt hätte oder den Umweg
außenherum über die Straße zu seinem Mitarbeiter im Sprinter hätte nehmen
können, ohne an dem Pferd noch einmal vorbei gehen zu müssen.
Nicht immer gelingt es dem beklagten Tierhalter in einem solchen Fall ein
Mitverschulden in Form eines Fehlverhaltens des Berufsträgers nachzuweisen,
insbesondere dann, wenn er selbst nicht dabei war oder es keine Zeugen für den
Vorfall gibt – so in einem anderen Fall, in dem ein Hufschmied getreten und der
ebenfalls vor dem Oberlandesgericht Hamm entschieden worden war (14 U 19/14).
In einem anderen Fall bekam eine Bereiterin ebenfalls 50 % Mitschuld an ihrem
eigenen Sturz vom Berittpferd, da sie dessen an diesem Tag besondere Unwilligkeit
hätte besser einschätzen und den Beritt hätte abbrechen und absteigen können
(OLG Schleswig 17 U 103/14).