Pferderecht Alttag

OLG, Urteil vom 16.04.2015, I-5 U 99/14

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 04.07.2014 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Urteilstenor aus Gründen der Klarstellung wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus der im Zeitraum vom 21.12.2012 bis zum 25.03.2014 nicht erfolgten Herausgabe des Pferdepasses (Equidenpasses) des am 16.04.2009 geborenen braunen Wallachs mit der Lebensnummer F, entstanden sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger hat in erster Instanz u. a. die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm alle entstehenden Schäden zu ersetzen, die ihm aus der nicht erfolgenden Herausgabe des Pferdepasses des am 16.04.2009 geborenen braunen Wallachs mit der Lebens-Nr. F entstehen, insbesondere entgangenen Gewinn auf Grund des nicht möglichen Verkaufs des Pferdes ohne Pferdepass sowie diesbezügliche notwendige Unterbringung und Versorgungskosten.

Der Kläger ist Eigentümer des vorbezeichneten Wallachs mit dem Namen „Q“ oder „Q1“ gewesen.

In der Zeit vom 08.09. bis 06.12.2012 befand sich der Wallach auf Grund einer im Einzelnen streitigen Vereinbarung in der Obhut des Beklagten. In diesem Zeitraum – und zwar Anfang November 2012 – wurde das Pferd am linken Sprunggelenk durch den Tierarzt Dr. N operiert. Der Tierarzt stellte dem Kläger unter dem 06.12.2012 für die Operation 1.455,80 € in Rechnung, die der Kläger nicht, jedenfalls nicht in dieser Höhe, zu zahlen bereit war.

Am 06.12.2012 brachte der Beklagte den Wallach zum Kläger zurück. Unter dem 07.12.2012 stellte er dem Kläger einen Betrag in Höhe von 929,40 € in Rechnung, wovon er 400,00 € in Abzug brachte, da der Kläger zwei Pferde von ihm in Pensionsweide hatte (vgl. zu den Einzelheiten der Rechnung Bl. 11, 65, 275). Den für den Beritt des Wallachs berechneten Betrag in Höhe von 500,00 € hatte der Kläger dem Beklagten unstreitig bereits bei Rückgabe des Pferdes am 06.12.2012 in bar bezahlt.

Wegen der Rechnung des Tierarztes und der Rechnung des Beklagten vom 07.12.2012 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem Tierarzt einerseits sowie dem Kläger und dem Beklagten andererseits.

Am 19.03.2014 schlossen der Kläger und der Beklagte vor der Berufungskammer des Landgerichts Paderborn in dem durch eine negative Feststellungsklage des hiesigen Beklagten eingeleiteten Verfahren 5 S 119/13 (= 7 C 99/13 Amtsgericht Brakel) einen Vergleich. Danach zahlte der hiesige Kläger an den hiesigen Beklagten 450,00 €. Der Beklagte verpflichtete sich wiederum, an den Kläger den Equidenpass für das Pferd „Q1“ herauszugeben, des Weiteren eine CD, die der Tierarzt F1 erstellt hatte und die Röntgenaufnahmen des Pferdes „Q1“ enthielt. Mit diesem Vergleich sollten die Ansprüche des hiesigen Beklagten (seinerzeit Kläger) aus seiner Rechnung vom 07.12.2012 sowie die Ansprüche des hiesigen Klägers (seinerzeit Beklagter) wegen der Versorgung der beiden Jährlinge (Pensionspferde) des Beklagten im Jahr 2012 erledigt sein.

In Erfüllung dieses Vergleichs übergab der Beklagte am 25.03.2014 den Pferdepass und die Röntgen-CD an den Kläger.

Der Kläger hat behauptet, auf Grund der zunächst nicht herausgegebenen Dokumente/CD sei es ihm nicht möglich gewesen, das Pferd „Q1“ zu verkaufen, obwohl er dies gewollt habe und konkrete Kaufangebote vorgelegen hätten. Ein bereits im Übrigen verbindlicher Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen, weil er den Equidenpass von „Q1“ nicht habe übergeben können. Dadurch und durch die notwendige weitere Unterbringung und Versorgung des Pferdes sei ihm ein erheblicher Schaden entstanden. Auch sei nicht sicher, ob der Wallach in Zukunft zu dem gleichen Kaufpreis verkauft werden könne, wie ihn der abgesprungene Interessent geboten habe. Die genaue Höhe seines Schadens könne er – der Kläger – erst beziffern, wenn der Pferdepass herausgegeben worden sei und feststehe, ob und ggf. wenn zu welchem Kaufpreis das Pferd verkauft werden könne.

Der Beklagte hat argumentiert, dass ihm an dem Pferdepass ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Kläger zustehe. Insoweit hat er auf die fälligen 629,98 € verwiesen, die Gegenstand des Parallelprozesses der Parteien vor dem Amtsgericht Brakel bzw. Landgericht Paderborn gewesen seien. Wenn der Kläger meine, auf den Equidenpass dringend angewiesen zu sein, hätte er notfalls durch Hinterlegung des Betrages die Herausgabe erzwingen müssen. Da er anwaltlich vertreten gewesen sei, müsse er sich sein fehlerhaftes Management entgegenhalten, notfalls insuffizientes Anwaltsverhalten über § 278 BGB zurechnen lassen.

Jedenfalls sei dem Kläger durch die Vorenthaltung von Pferdepass und Röntgenaufnahmen kein Schaden entstanden. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger beabsichtigt habe, das Pferd zu verkaufen und sich bereits ein konkreter Käufer gefunden hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge wird auf die dort gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch das vom Beklagten angefochtene Urteil festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger alle entstehenden Schäden zu ersetzen, die diesem aus der nicht erfolgenden Herausgabe des Pferdepasses des am 16.04.2009 geborenen braunen Wallachs mit der Lebens-Nr. F, Abstammung von Peking/Welthit II entstehen, insbesondere entgangenen Gewinn auf Grund des nicht möglichen Verkaufs des Pferdes ohne Pferdepass sowie notwendige Unterbringungs- und Versorgungskosten auf Grund eines seinerzeit nicht möglichen Verkaufs.

Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Feststellungsantrag zulässig und im tenorierten Umfange begründet sei.

Der Beklagte habe seine Pflicht aus § 280 Abs. 1 BGB, den zu dem im Eigentum des Klägers stehenden Wallachs Q1 gehörenden Pferdepass mit dem Pferd zurückzugeben, schuldhaft verletzt. Ihm habe an dem Pferdepass kein Zurückbehaltungsrecht i. S. v. § 273 BGB zugestanden. Selbst wenn ihm Forderungen aus der Unterbringung des Pferdes zugestanden haben sollten, so begründeten diese kein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf den Herausgabeanspruch des Klägers. Dabei könne dahinstehen, ob der von dem Beklagten behauptete Anspruch auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhe wie der Herausgabeanspruch des Klägers. Entscheidend sei, dass jedenfalls die Zweckbestimmung des Pferdepasses als Legitimationspapier der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gem. § 242 BGB entgegenstehe. Der Pferdepass sei der „Personalausweis“ des Pferdes und gebe Auskunft über dessen persönliche Daten. Dies hat das Landgericht näher begründet.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Unstreitig habe der Kläger den Pferdepass am 25.03.2014 zurückerhalten. Mithin müsse er seinen ursprünglich temporär unbegrenzten Feststellungsantrag durch teilweise Rücknahme der Klage auf die Zeit vom 06.12.2012 bis zum 25.03.2014 beschränken. Das Landgericht hätte entweder einen entsprechenden richterlichen Hinweis erteilen oder aber die Klage insoweit abweisen müssen.

Überhaupt schwanke die Tenorierung im angefochtenen Urteil, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt, zwischen Spekulation und Verunfallung, wobei allerdings schon die klägerische Antragstellung entgleist sei.

Als Anspruchsgrundlage ziehe das Gericht § 280 Abs. 1 S. 1 BGB heran. Voraussetzung wäre, dass er – der Beklagte – seine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt habe. Das Gericht habe nicht einmal festgestellt, auf Grund welcher Rechtsvorschrift er verpflichtet gewesen sein sollte, den Equidenpass an den Kläger herauszugeben. Eigentumsrechtliche Ansprüche schieden aus. Der Equidenpass werde von einem nach dem Tierzuchtgesetz zuständigen Pferdezuchtverband ausgestellt und verbleibe ewig im Alleineigentum dieses ausstellenden Verbandes.

Weiter habe der fehlende Equidenpass für eine etwaigen Erwerb durch Dritte keine Rolle gespielt. Als Züchter habe der Kläger die Eigentumsurkunde betreffend „Q1“ jedem potentiellen Käufer präsentieren können. Ein potentieller Käufer hätte sich von der Mitteilung, der Equidenpass fehle, nur dann abschrecken lassen, wenn die Gefahr bestanden hätte, das Pferd stamme aus dunklen Kanälen.

Die vorstehenden – eher akademischen – Überlegungen könnten auf sich beruhen, weil das Gericht bei der Verneinung des Zurückbehaltungsrechtes Folgendes übersehen habe: Angesichts des festgezurrten Zahlungsanspruchs des Beklagten gegen den Kläger aus dem Vergleich der Parteien vor dem Landgericht Paderborn hätte ihm – dem Beklagten – ein Zurückbehaltungsrecht am Pferd des Klägers zugestanden. Kein Mensch wäre dann auf die Idee gekommen, isoliert die Herausgabe des Equidenpasses nach § 44 a Viehverkehrsverordnung zu verlangen. Das Gericht habe übersehen, dass das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten am Equidenpass gegenüber dem Zurückbehaltungsrecht am Pferd akzessorisch sei. Da diese Frage höchstrichterlich bisher nicht entschieden worden sei, werde beantragt, hilfsweise wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesgerichtshof zuzulassen.

Schließlich habe sich das Gericht mit dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB i. V. m. § 273 Abs. 3 BGB nicht auseinandergesetzt. Der Kläger hätte ohne Weiteres, da anwaltlich vertreten, den vom Beklagten im Wege des Zurückbehaltungsrechts verfolgten Gegenanspruch durch Hinterlegung sicherstellen können.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil teilweise, nämlich soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt, abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er habe von Anfang an beabsichtigt, das Pferd unmittelbar nach dem Anreiten im Stall des Beklagten zu veräußern. Es hätten sich verschiedene Käufer für das Pferd gefunden, die bereit gewesen seien, es zu erwerben. So habe ein konkretes Kaufangebot von einem Herrn K, vermittelt durch den Zeugen M, vorgelegen. Der vereinbarte Kaufpreis habe seinerzeit 7.300,00 € betragen, das Pferd habe spätestens zum 01.01.2013 an den Käufer übergeben werden sollen. Allein der Umstand, dass der Equidenpass nicht vorgelegen habe, habe dazu geführt, dass der Zeuge K von seinem verbindlichen Kaufangebot zurückgetreten sei.

Auch eine weitere Interessentin, die Zeugin E, habe von einem konkreten Kaufangebot Abstand genommen, als ihr mitgeteilt worden sei, dass der Pferdepass nicht zur Verfügung stehe.

Durch die Einbehaltung des Pferdepasses sei es ihm – dem Kläger – nicht möglich gewesen, das Pferd in rechtmäßiger Art und Weise unterzubringen, zu transportieren, zu verkaufen und zu übereignen bzw. auf Turnieren vorzustellen. Er sei daher gezwungen gewesen, das Pferd weiter auf seine Kosten unterzubringen und zu versorgen.

Zwischen den Parteien habe unstreitig ein Vertragsverhältnis hinsichtlich der Unterbringung, der Versorgung und des Beritts des Pferdes „Q1“ bestanden. Dieses Vertragsverhältnis habe der Beklagte durch die Weigerung, den Pferdepass herauszugeben, verletzt. Denn bei Beendigung des Vertrages habe neben der Pflicht zur Herausgabe des Pferdes selbstverständlich auch die Pflicht zur Herausgabe des zu diesem Pferd gehörenden Pferdepasses bestanden.

Ein Pferd dürfe ohne Pferdepass weder gehalten noch transportiert werden. Der Pferdepass sei ein notwendiges Legitimationspapier für den ordnungsgemäßen Erwerb und die ordnungsgemäße Übergabe eines Pferdes an einen potentiellen Käufer. Rechtmäßig könne das Pferd nur zusammen mit der Eigentumsurkunde und dem Pferdepass übergeben und übereignet werden.

Nach Rückerhalt des Pferdepasses habe er – der Kläger – den Wallach Q1 am 01.08.2014 zu einem Kaufpreis von 3.500,00 € an den Zeugen Drewes veräußern können.

Durch die erfolgte Veräußerung nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Detmold und nach Erlass des angefochtenen Urteils vom 04.07.2014 sei sein Feststellungsinteresse nicht entfallen. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehe auch dann, wenn erst in der Berufungsinstanz eine Leistungsklage möglich wäre.

Er könne allerdings inzwischen den Gesamtbetrag, den der Beklagte ihm im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen habe, im Einzelnen beziffern. Dieser belaufe sich auf insgesamt 6.990,00 €, was der Kläger sodann im Einzelnen darlegt.

Wegen des nunmehr bezifferbaren Schadensersatzbetrages ist eine Klage vor dem Landgericht Detmold unter dem Az. 9 O 199/14 rechtshängig gemacht worden. Das dortige Verfahren ist durch Beschluss vom 15.09.2014 bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Verfahrens ausgesetzt worden (vgl. Bl. 276).

B.

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus der im Zeitraum vom 21.12.2012 bis zum 25.03.2014 nicht erfolgten Herausgabe des Pferdepasses (Equidenpasses) des am 16.04.2009 geborenen braunen Wallachs mit der Lebensnummer F, entstanden sind.

Der entsprechend auszulegende Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig und begründet.

I.Der klägerische Feststellungsantrag ist zulässig.

1.Der positiven Feststellungsklage steht nicht die frühere Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage des hiesigen Beklagten im Verfahren vor dem Amtsgericht Brakel (7 C 99/13) entgegen (§ 261 ZPO).

Die dortige Klage ist – zunächst anhängig gemacht vor dem Landgericht Paderborn – zwar bereits am 19.02.2013 zugestellt worden (vgl. BA Bl. 15), während die hiesige Klage erst am 21.02.2013 zugestellt worden ist (vgl. Bl. 24).

Weil die negative Feststellungsklage ebenso wie auch die Verteidigung gegen diese nicht die Verjährung hemmt (vgl. BGHZ 72, 23 ff – Rdn. 14 ff zitiert nach juris), hat der Beklagte einer negativen Feststellungsklage weiterhin ein Interesse i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO an der Erhebung einer verjährungshemmenden positiven Feststellungsklage. Diese scheitert nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht an der Rechtshängigkeitssperre i. S. v. § 261 Abs. 3 ZPO (vgl. Zöller-Greger, 30. Aufl. 2014, § 256 ZPO, Rdn. 17 m. w. N). Vielmehr entfällt grundsätzlich für die negative Feststellungsklage das Feststellungsinteresse, sobald positive Feststellungs- oder Leistungsklage erhoben worden sind und einseitig nicht mehr zurückgenommen werden können (vgl. BGH NJW 1999, 2516 ff und BGH NJW 2006, 515 ff).

Des Weiteren haben die Parteien in dem vor dem Amtsgericht Brakel geführten Prozess 7 C 99/13 den negativen Feststellungsantrag aus Ziff. 1 der dortigen Klageschrift vom 21.12.2012 (vgl. BA Bl. 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 02.09.2013 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. BA Bl. 171 R). Mit der beiderseitigen Erledigterklärung endete die Rechtshängigkeit des negativen Feststellungsantrages (vgl. Zöller-Greger a. a. O., § 261 ZPO, Rdn. 7), bevor im vorliegenden Verfahren eine Entscheidung ergangen ist. Auch hinsichtlich der Prozessvoraussetzungen bzw. Sachurteilsvoraussetzungen kommt es auf ihr Vorliegen zurzeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung an (vgl. Zöller-Greger a. a. O., vor § 253, Rdn. 9).

2.Inzwischen hat der Kläger seinen Schaden beziffert und vor dem Landgericht Detmold (Az.: 9 O 199/14) eine entsprechend bezifferte Schadensersatzklage rechtshängig gemacht. Das Feststellungsinteresse i. S. v. § 256 Abs. 1 ZPO ist für die vorliegende Klage gleichwohl nicht entfallen.

Als Prozessvoraussetzung muss das Feststellungsinteresse grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen, sonst wird die Klage ex nunc unzulässig. Der Kläger ist aber – jedenfalls in der Berufungsinstanz – nicht gezwungen, zur bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese – wie hier – nachträglich möglich wird (vgl. BGH 1978, 210 – Rdn. 28 zitiert nach juris; BGH NJW-RR 2004, 79 ff – Rdn. 26 zitiert nach juris; Zöller-Greger a. a. O., § 256 ZPO, Rdn. 7 c).

II.

Der Feststellungsantrag ist begründet.
47
Anspruchsgrundlage sind §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 i. V. m. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB.

1. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten, der gewerblich eine Pferdezucht und einen Ausbildungsbetrieb für Pferde betreibt, ist im September 2012 ein Vertrag über die entgeltliche Unterbringung, Versorgung und Ausbildung des klägerischen Pferdes „Q“ oder „Q1“ geschlossen worden.

Streitig – aber für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits nicht von Relevanz – sind lediglich die Einzelheiten der Vereinbarungen zur Gegenleistung des Klägers, die dieser monatlich zu entrichten hatte, insbesondere hinsichtlich der Verrechnungsabrede wegen der Unterbringung von zwei Pferden des Beklagten beim Kläger.

Bei der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung handelt es sich um einen Vertrag sui generis mit Elementen des Verwahrvertrages, des Dienstvertrages und der entgeltlichen Geschäftsbesorgung i. S. v. § 675 Abs. 1 BGB, mit dem Schwerpunkt bei letzterer.

2.Als der Kläger dem Beklagten den Wallach „Q1“ im September 2012 übergab, händigte er ihm auch den sog. „Pferdepass“ = Equidenpass i. S. v. § 44 a Viehverkehrsverordnung aus. Diese Verfahrensweise entsprach § 44 b S. 1 Viehverkehrsverordnung, wonach ein Tierhalter einen Einhufer in seinem Bestand nur übernehmen darf, soweit der Einhufer von einem Equidenpass begleitet wird. Mithin hat der Beklagte den „Pferdepass“ des Wallachs „Q1“ zur Ausführung seines Auftrages – nämlich der Unterbringung des Pferdes, seiner Versorgung und Ausbildung – erhalten.

3.Anfang Dezember 2012 beendeten die Parteien unstreitig ihr Geschäftsbesorgungsverhältnis. Unter dem 07.12.2012 stellte der Beklagte seine Rechnung (vgl. Bl. 11, 65, 274 f.), nachdem er einen Tag zuvor dem Kläger den Wallach zurückgebracht und für den Beritt des Tieres 500,00 € erhalten hatte.

Gem. §§ 675 Abs. 1, 667 BGB i. V. m. §§ 44, 44 a u. 44 b Viehverkehrsverordnung hatte der Beklagte dem Kläger nicht nur das Pferd sondern auch den Equidenpass, den er zur Ausführung seines Auftrages erhalten hat, herauszugeben.

4.Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2012 forderte der Kläger von dem Beklagten umgehend die Herausgabe des Pferdepasses, zur Vermeidung eines Klageverfahrens spätestens bis zum 02.01.2013. Mit Erhalt dieses Aufforderungsschreibens befand sind der Beklagte gem. § 286 Abs. 1 BGB in Verzug.

Der Zugang dieses Schreibens erfolgte ausweislich der Klageschrift des hiesigen Beklagten im Verfahren vor dem Amtsgericht Brakel bzw. Landgericht Paderborn (Az.: 7 C 99/13 = 5 S 119/13) spätestens am 21.12.2012. Die dortige Klageschrift weist dieses Datum aus und nimmt auf das Schreiben vom 20.12.2012 in seinem Antrag unter Ziffer 1 ausdrücklich bereits Bezug.

Mithin befand sich der Beklagte mit der Herausgabe des Pferdepasses seit dem 21.12.2012 in Verzug.

5.Herausgegeben hat der Beklagte den streitgegenständlichen Equidenpass erst am 25.03.2014.

Gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB ist er wegen der um ein Jahr und 3 Monate verzögerten Herausgabe dem Kläger grundsätzlich zum Ersatz des dadurch halb entstandenen Schadens verpflichtet.

6.Dem Beklagten hat an dem sog. „Pferdepass“ ein Zurückbehaltungsrecht i. S. v. § 273 Abs. 1 BGB nicht zugestanden.

Auf ein Zurückbehaltungsrecht hat sich der Beklagte im vorliegenden Verfahren ausdrücklich berufen, weil der Kläger unstreitig seine Rechnung vom 07.12.2012 über 929,40 € abzüglich 400,00 € für die bei ihm untergestellten Pensionspferde, mithin 529,40 € netto = 629,98 € brutto nicht gezahlt hatte. Insoweit konnte erst unter dem 19.03.2014 vor dem Landgericht Paderborn (Az.: 5 S 119/13) ein Vergleich geschlossen werden (vgl. Bl. 156 d. A.), wonach der Kläger sodann 450,00 € an den Beklagten zahlte.

a)

Voraussetzung für ein Zurückbehaltungsrecht i. S. v. § 273 Abs. 1 BGB ist, dass dem Herausgabeverlangen des Klägers und dem Anspruch des Beklagten auf Bezahlung seiner Rechnung für die Unterbringung, Versorgung und Ausbildung des Wallachs „Q1“ ein einheitliches Lebensverhältnis zugrundeliegt, so dass es wider Treu und Glauben verstieße, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht würde (vgl. BGH NJW-RR 1986, 282 f – Rdnr. 13, zitiert nach juris und Palandt-Grüneberg, 74. Aufl. 2015, § 273 BGB, Rdnr. 1 f. u. 9).

Diese Voraussetzung ist hier problemlos zu bejahen.

b)
Das Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) schließt den Verzug i. S. d. § 286 Abs. 1 BGB nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird, da der Gläubiger Gelegenheit haben muss, von seiner Abwendungsbefugnis gem. § 273 Abs. 3 BGB Gebrauch zu machen (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 286 BGB, Rdnr. 11).

Auch diese Voraussetzung liegt hier zweifelsohne vor. Im Zuge seiner Anhörung vor dem Landgericht Paderborn hat der Kläger (dort Beklagter) geschildert, dass der Beklagte (dort Kläger) – auf den Pferdepass angesprochen – ihm erklärt habe, dass er diesen erst dann bekäme, wenn er die Rechnung vom 07.12.2012 bezahlt habe.

c)

Aus der Eigenart des vom Beklagten zurückgehaltenen Gegenstandes ergibt sich i. V. m. § 242 BGB jedoch ein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat.

Der zurückgehaltene Equidenpass ist ein Identitätsdokument für Pferde, das zur Umsetzung der EU-Verordnung 504/2008 (vgl. §§ 44, 44 a u. 44 b Viehverkehrsordnung) eingeführt wurde. Der Equidenpass wird auf Anforderung durch die Zuchtorganisation, bei der das betroffene Pferd eingetragen ist, ausgestellt. Bei nicht eingetragenen Turnierpferden ist in Deutschland die deutsche reiterliche Vereinigung für die Ausstellung zuständig. Hintergrund des Equidenpasses ist eine EU-Richtlinie, die vorsieht, dass jeder Einhufer innerhalb der EU ein Papier benötigt, das bei jedem Transport und bei der Schlachtung Auskunft über alle erfolgten medizinischen Behandlung geben muss. Da innerhalb der EU das Pferd in erster Linie als Schlachttier gesehen wird, soll dadurch eine leichtere Kontrolle von Tierseuchen, aber auch ein Mindestmaß an Verbraucherschutz gewährleistet werden. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf die medikamentöse Belastung von Schlachttieren gelegt. In Deutschland und Österreich ist es seit Einführung des Equidenpasses verboten, ein Pferd zu schlachten, für das kein Equidenpass existiert.

Der Equidenpass dient der
– Identifizierung der Pferde
– Möglichkeit zur Nutzungsdeklaration und
– Dokumentation von Medikamentenanwendung, wenn die Pferde zur Schlachtung
bestimmt sind
– Vereinfachung der Identifikation des Tieres durch Behörden (z. B. Wiederfinden
bei Diebstahl oder Verlaufen)
– Integration des Impfpasses und Dokumentation des Gesundheitszustandes der Tiere.
Der Equidenpass enthält zusätzlich zu den Informationen der Eigentumsurkunde folgende Daten:
– Datum der nächsten Eindeckung der Mutterstute
– Nummer des DNA-Tests, wenn durchgeführt
– Daten des Ersteigentümers
– Daten der nachfolgenden Eigentümer, wenn bei der Zuchtorganisation beauftragt
– schematische Darstellung von Abzeichen und unveränderbaren Kennzeichen   (z.B. Narben)
– Dokumentation der Impfungen
– Dokumentation von Prämierungen, wenn vorhanden
– Hinweise des Veterinärs
(vgl. zum Ganzen: Wikipedia zum Stichwort Equidenpass).

Der Equiden- oder Pferdepass ist also eine Art „Personalausweis“ des Pferdes und gibt Auskunft über seine persönlichen Daten. Mithin ist diese Urkunde für den jeweiligen Halter des betroffenen Pferdes wegen seiner öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung von besonderer Bedeutung und hat sofort und stets zur Verfügung zu stehen, zumal § 44 b Viehverkehrsverordnung vorschreibt, dass der Halter das Pferd nur mit Equidenpass übernehmen darf. Verstößt der Halter gegen diese Vorschrift, handelt er gem. § 46 Abs. 1 Ziff. 24 Viehverkehrsverordnung ordnungswidrig.

Der Pferdepass ist also auch vergleichbar mit einem Führerschein, der den Inhaber dazu befähigen soll, sich jederzeit bei der Teilnahme am Straßenverkehr als Inhaber der erforderlichen Fahrerlaubnis auszuweisen, wobei auch dort das Nichtbeisichführen als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Daher ist für die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts an dem Equidenpass kein Raum, was das Landgericht bereits zutreffend festgestellt hat (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1997, 57 ff. zu der Nichtherausgabe der sog. Lebenslaufakte eines Flugzeuges und Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 273 BGB, Rdnr. 15).

7.Nicht zielführend sondern unerheblich ist die Argumentation des Beklagten, ihm habe aufgrund des bestehenden Zahlungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht an dem Pferd zugestanden und das Zurückbehaltungsrecht am Equidenpass sei gegenüber dem Zurückbehaltungsrecht am Pferd akzessorisch. Der Beklagte übersieht bei seiner Argumentation, dass er von einem etwaigen Zurückbehaltungsrecht an dem Wallach „Q1“ keinen Gebrauch gemacht hat. Hätte er ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht an dem Pferd geltend gemacht, wäre er sowohl im Besitz des Pferdes als auch des Pferdepasses gewesen mit der Folge, dass zumindest im Hinblick auf Pferd und Pferdepass ein rechtmäßiger Zustand vorgelegen hätte. Soweit das Zurückbehaltungsrecht jedoch nicht geltend gemacht und der Wallach an den Kläger herausgegeben worden ist, hätte der Beklagte zwingend auch den Pferdepass mit übergeben müssen. Diese Vorgehensweise entspricht nämlich der vom Beklagten bemühten Akzessorietät. Im Übrigen dürfte am 06.12.2012 bei Rückgabe des Pferdes auch noch kein Zurückbehaltungsrecht bestanden haben, wie die Forderung des Beklagten erst am 07.12.2012 beziffert und in Rechnung gestellt worden ist.

8.Auch der auf § 254 Abs. 2 i. V. m. § 273 Abs. 3 BGB gestützte Mitverschuldenseinwand des Beklagten greift nicht.

Selbstverständlich kann dem Kläger unter dem Blickwinkel eines etwaigen Mitverschuldens nicht entgegengehalten werden, er habe die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Hinterlegung eines Geldbetrages abwenden können bzw. müssen, wenn die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts – wie oben dargelegt – rechtswidrig war.

9.Ebenfalls führt der auf § 254 Abs. 2 i. V. m. der unterlassenen Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Herausgabe des Equidenpasses gestützte Mitverschuldenseinwand des Beklagten nicht zum Erfolg.
Es liegt insoweit bereits kein Mitverschulden des Klägers vor, da die Erfolgsaussichten eines entsprechenden Verfügungsantrages mangels Vorliegen eines Verfügungsgrundes i.S.d. §§ 935, 940 ZPO bereits höchst zweifelhaft gewesen sind zumal es sich insoweit um eine Leistungsverfügung gehandelt hätte, die eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorweggenommen hätte (vgl. dazu Zöller-Vollkommer, a.a.O, § 940 ZPO, Rdnr. 6).

Jedenfalls fällt ein aus dieser Unterlassung abzuleitendes etwaiges Mitverschulden des Klägers im Hinblick auf die endgültige und massive Weigerung des Beklagten im Parallelverfahren, den Equidenpass heraus zu geben nicht ins Gewicht.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen betreffen die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, noch ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich.