Weideverletzungen
September 2014.
Weideverletzungen durch benachbarte Bewässerungsanlage und Artgenossen
Müssen weidende Pferde Bewässerungsanlagen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft hinnehmen ohne dabei in Panik zu geraten, selbst wenn ein Wasserstrahl dabei auf ihre Wiese geschleudert wird? Und wer haftet, wenn sich die Tiere gegenseitig verletzen?
Eine Pferdebesitzerin verklagte ihren Nachbarn, nachdem ihre Pferde auf der Weide in Panik geraten waren und sich eine wertvolle Stute dabei tödlich verletzt hatte. Der Landwirt hatte auf dem benachbarten Feld seine Bewässerungsanlage aufgestellt, deren ca. 30 Meter langer Wasserstrahl auf einer Länge von ca. 10 Metern auch auf die Weide der Klägerin schleuderte. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Dem Landwirt konnte kein schuldhaftes, rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden, welches zu dem tragischen Ereignis geführt hatte. Die Bewässerungsanlage war weder fehlerhaft justiert, noch falsch aufgestellt worden. Auch der von der Klägerin erhobene Vorwurf der nachbarschaftsschädigenden Gleichgültigkeit im Hinblick auf die in Panik geratenen Pferde wurde zurückgewiesen.
Dabei wurden verschiedene Aspekte zugunsten des verklagten Landwirtes berücksichtigt. Zum einen wurde die Panik der Pferde auf der benachbarten Weide nicht durch die Berührung mit dem Wasserstrahl ausgelöst, sondern bereits durch das knallende und klackernde Geräusch, mit dem die Wasseranlage in Gang gesetzt wurde, sowie ggf. durch die Optik des hochfliegenden langgezogenen Wasserstrahls. Diesen Reizen wären die Pferde aber ohnehin ausgesetzt gewesen, selbst wenn der Wasserstrahl ihre Weide nicht berührt hätte. Selbst wenn der Landwirt also die Anlage ordnungsgemäß justiert hätte, wären die Pferde auf der Nachbarwiese in Panik geraten und hätten sich ebenso verletzen können. Unter dem juristischen Gesichtspunkt des fiktiven so genannten „rechtmäßigen Alternativverhaltens“ war die Berührung der Weide durch den Wasserstrahl somit unschädlich.
Zum anderen hätte sich der Landwirt auch nicht zuvor über denkbare Gefahren, die vom Betrieb der Anlage ausgehen könnten, vergewissern müssen und besondere Vorkehrungen treffen müssen. Der Beklagte konnte nachweisen, das er die in der Landwirtschaft im Übrigen üblicherweise eingesetzte mobile Bewässerungsanlage bereits seit 1976 benutzte, ohne dass dabei jemals Mensch oder Tier zu Schaden gekommen seien. In der gesamten juristischen und landwirtschaftlichen Praxis sei kein Fall bekannt, bei dem die Bewässerungsanlage als Gefahrenquelle je in Erscheinung getreten sei. Zudem habe die Klägerin angesichts der Lage ihres Hofes jederzeit damit rechnen müssen, dass ihr Nachbar auf seinen Feldern mit landwirtschaftlichen Großmaschinen wie Trecker, Mähdrescher, Güllewagen etc.. tätig wird und insofern ständig die Gefahr bestand, dass die Tiere von lärmintensivem und ggf. furchteinflößendem Gerät erschreckt werden.
Schließlich konnte die Geschädigte auch nicht mit dem Argument durchdringen, der beklagte Nachbar habe sich gleichgültig abgewendet, als er die in Panik geratenen Tiere wahrgenommen habe. Das Gericht folgte in diesem Punkte ebenfalls den Ausführungen des Beklagten, wonach dieser im Moment des Geschehens viel zu weit entfernt und außerdem gerade auf den Betrieb seines Treckers konzentriert war. Er musste insofern kein Problembewusstsein hinsichtlich der in Panik geratenen Pferde entwickeln und hätte davon abgesehen, die ausgebrochene Panik ohnehin nicht mehr verhindern können. Im Ergebnis war dem Beklagten somit kein schuldhaftes schädigendes Verhalten vorzuwerfen (OLG Celle, Beschluss vom 29.11.2013, 20 U 30/13).
Wer haftet, wenn sich Pferde auf der Weide gegenseitig verletzen? Grundsätzlich muss der Tierhalter des tretenden Pferdes den Schaden des Tierhalters des durch diesen Tritt verletzten Pferdes ersetzen, bzw. die dahinter stehende, hoffentlich abgeschlossene Tierhaftpflichtversicherung. Das große Problem dieser Fälle ist oftmals, dass die Weidetritt- oder auch Bissverletzungen unbeobachtet stattfinden und somit der „Tathergang“ nicht mehr vom (beweispflichtigen Geschädigten) nachgewiesen werden kann. Wenn also nicht nach tierärztlicher Diagnostik unzweifelhaft eine Trittverletzung erkannt wurde oder der Unfall eindeutig von Zeugen wiedergegeben werden kann, sieht es für den geschädigten Pferdehalter schlecht aus. Bei nur einem in Frage kommenden schädigenden Pferd geht die Unaufklärbarkeit der gegenseitigen Tiergefahr (die oftmals von den regulierenden Versicherungen in der Praxis mit 50 % angesetzt wird) zu Lasten des Tierhalters des unverletzten Pferdes. Denn dieser müsste ein „Mitverschulden“ des verletzten Pferdes, also ein ebenso mitwirkendes Verhalten nachweisen (so jedenfalls: OLG Brandenburg, ebenfalls am 29.11.2013, 11 U 120/12). Bei mehreren Pferden verschiedener Halter kommt bei fehlenden Zeugen die Schwierigkeit hinzu, das schädigende Pferd überhaupt zu identifizieren. Diese Schwierigkeit umging das OLG Köln, indem es eine solche Haftung der in Betracht kommenden Tierhalter in einem Fall, bei dem vier Pferde in einer Offenstallhaltung zusammen untergebracht waren, schlichtweg unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr ablehnte. Die Geschädigte habe mit der gemeinsamen offenen Haltung der vier Pferde bewusst genau diese Gefahr, dass die Pferde sich durch artgerechtes Verhalten, wie Rangeleien, Drohgebärden, Bisse und Tritte verletzen könnten, in Kauf genommen, welche sich in dem streitgegenständlichen Vorfall realisiert hätte. Die Haftung der anderen Pferdehalter wurde damit ausgeschlossen (OLG Köln, 10.12.2013, 2 U 222/12).