OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.02.2003, 12 U 216/02
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 22.08.2002 – 8 O 623/01 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO)
Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadensersatz für ein (behauptetes) Fischsterben am 17.07.2000.
Der Kläger ist Pächter des K.-baches auf der Gemarkung der Stadt K.-tal. Am 17.07.2000 kam es in dem vom Kläger angepachteten Bereich des K.-baches zu einer von der Kläranlage der Beklagten ausgehenden Gewässerverunreinigung mit „Belebtschlamm“, deren Folgen zwischen den Parteien streitig sind. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, das die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 20.460,27 € nach Einnahme eines Augenscheins sowie Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens als unbegründet mangels Nachweises eines durch die Verunreinigung verursachten Schadens abgewiesen hat, wird Bezug genommen.
Im Berufungsrechtszug verfolgt der Kläger sein Begehren auf volle Entschädigung weiter. Er trägt ergänzend vor, die Haftung des Beklagten ergebe sich daraus, dass für den Fall des Ausfalls der Kläranlage oder einer Reparatur der selben keine Vorkehrung gegen das Auftreten von Belebtschlamm getroffen worden wäre. Der Fischereisachverständige Dr. Keim habe festgestellt, dass nach elektrischem Abfischen der K.- ein totales Fischsterben stattgefunden habe, auch wenn nur vier tote Fische festgestellt worden seien. Der Kläger bemängelt die Sachkunde des vom Landgericht herangezogenen Gutachters. Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.
II. (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO)
Die Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache hat sie keinen Erfolg.
Nach § 22 Abs. 1 WHG ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet oder auf ein Gewässer derart einwirkt, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird, zum Ersatz des daraus einem anderen entstandenen Schadens verpflichtet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (§ 22 Abs. 1 WHG) jedoch nicht zu. Es fehlt – wie auszuführen sein wird – am Nachweis dafür, dass der am 17.07.2000 aus der Kläranlage des Beklagten ausgetretene sogenannte „Belebtschlamm“ ursächlich für ein Fischsterben gewesen ist. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob es im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewässerverunreinigung überhaupt zu der behaupteten drastischen Verminderung des Fischbestandes gekommen ist, was schon deshalb fraglich erscheint, weil lediglich vier tote – und damit erheblich weniger als noch bei der späteren Elektrobefischung gezählte – Fische im Pachtgebiet des Klägers aufgefunden wurden, dort aber zuvor nach den Behauptungen des Klägers über 3 to Fische vorhanden gewesen sein sollen.
Der Senat ist nach Überprüfung mit dem Landgericht nicht davon überzeugt, dass es zum Fischsterben im Fischgebiet der Klägerin durch das Einleiten von Abwasser mit Belebtschlamm gekommen ist.
Der Sachverständige Dr. E. hat in sich schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Belebtschlamm nicht toxisch war und sich bei den in Frage kommenden Mengen (kurzzeitige Einleitung) bei Einleitung in das Gewässer K.-bach nur so ausgewirkt haben könnte, dass direkt an der Einleitungsstelle und damit vor Verdünnung durch das K.-bachwasser der Sauerstoffgehalt absank und Fische dort in unmittelbarer Nähe (wenige Meter) andere Sauerstoff-Verhältnisse antrafen, die sich negativ hätten auswirken können. Dieser Effekt verliert sich – falls vorhanden – nach den Ausführungen des Sachverständigen schon wenige Meter nach der Einleitung von Belebtschlamm in den K.-bach, da eine Verdünnung des Feststoffgehaltes von drei bis 5 g Feststoff/l stattfindet. Der Gesamteffekt einer Belebtschlammeinleitung in den K.-bach nimmt mit zunehmendem Abstand und Verdünnung von der Einleitungsstelle somit ab und es gibt keine realistische Annahme, dass irgendein Effekt, der sich auf Fische auswirken könnte, zeitlich später oder in einem größeren Abstand von der Einleitungsstelle verstärkt oder erstmalig auftreten könnte. Mangels sonstiger greifbarer Anhaltspunkte gibt es – so der Sachverständige – somit keine noch so unwahrscheinliche Erklärung dafür, dass beim K.-bach mit den vor Ort geprüften Gegebenheiten ein durch Belebtschlamm bedingtes Fischsterben 400 m nach der Einleitungsstelle auftreten konnte.
In diesem Zusammenhang kann – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – außerdem nicht außer Betracht gelassen werden, dass am 17.07.2000 – wie die Vernehmung der Zeugen erster Instanz ergeben hat – im Rechen der vor dem Fischgebiet der Klägerin liegenden Mühle keine toten Fische angetroffen werden konnten. Ausgehend hiervon kann deshalb – so auch der Sachverständige – das Material der Kläranlage nicht zu einem Fischsterben im K.-bach unterhalb der Mühle geführt haben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen (Urteilsgründe S. 5, Ziff. 3).
Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens durch einen Sachverständigen für das Fischereiwesen bedarf es nicht. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. E. weist keine seine Überzeugungskraft beeinträchtigende Mängel auf und ist logisch, nachvollziehbar und einleuchtend begründet. Auch die sonstigen, für ein weiteres Gutachten erforderlichen Voraussetzungen wie mangelnde Sachkunde oder Widersprüche im Gutachten liegen nicht vor (§ 412 ZPO).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Erwägung, dass der Sauerstoffgehalt auch erst einige hundert Meter nach der Einleitungsstelle abgesunken sein könnte und deshalb erst einige hundert Meter nach der Einleitungsstelle zum Tod von (vier) Fischen geführt hat. Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass die Schädlichkeit auch dann eintrete, wenn im Laufe der Einwirkung des Belebtschlammes auf das Wasser diesem der Sauerstoff entzogen werde, und bezieht sich für ihre Argumentation auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 28.02.1973 (1 U 138/70). Der Entscheidung des OLG Stuttgart lag der Sachverhalt zugrunde, dass aus der Abwasseranlage der dortigen Beklagten zuckerhaltiges Löschwasser in den Neckar gelangt war und dessen biologische Beschaffenheit nachteilig beeinflusst hatte. Der in dem dortigen Verfahren beauftragte Sachverständige war zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abbau der mit dem Abwasser in den Vorfluter gelangten organisch-fäulnisfähigen Substanzen erst nach einer bestimmten Anlaufzeit eingesetzt hatte und der dabei auftretende, das Fischsterben auslösende Sauerstoffschwund deshalb nicht unmittelbar an der Einlaufstelle in Erscheinung getreten war. Die räumliche Entfernung und die Zeitspanne zwischen Einleiten des Abwassers und den beobachteten Auswirkungen des Sauerstoffmangels auf den Fischbestand hatte der Sachverständige im Verfahren vor dem OLG Stuttgart durch die von ihm vorgenommenen Messungen und Berechnungen für den Verlauf der Sauerstoffzehrung ermitteln können.
An Messungen und deren Auswertung zum Absinken des Sauerstoffgehaltes im K.-bach fehlt es im vorliegenden Falle. Der Sachverständige Dr. E. hat ausgeführt, dass selbst dann, wenn K.-bachwasser mit Belebtschlamm über das Wehr geflossen wäre, sich auf der Höhe der Mühle wieder eine Durchmischung der Wässer aus dem Bachbett und dem Mühlkanal ergäbe, so dass auch dann mehrere hundert Meter unterhalb der Mühle kein Effekt denkbar wäre, den es nicht oberhalb der Mühle auch gegeben hätte. Dies ist – so weiter der Sachverständige – unabhängig von der Menge des Belebtschlammes und es ist auch keine Belebtschlammmenge denkbar, die unterhalb der Mühle zu einer Fischtoxizität führen könnte, ohne in der Nähe der Einleitungsstelle ein gravierenderes gleichartiges Fischsterben zu bewirken. Der Sachverständige E. hat somit auch zu der Frage der Anlaufzeit und einem erst möglicherweise späteren Sauerstoffschwund Stellung genommen und solche Umstände hier gleichwohl als Ursache ausgeschieden.
Soweit im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft K. (55 Js 32454/00) im Polizeibericht vom 18.07.2000 festgehalten ist, dass das Gewässer offensichtlich mit Schlamm stark verdreckt war (As. 5 der staatsanwaltschaftlichen Akte), besagt dies nur, dass Belebtschlamm in den K.-bach – wie unstreitig – ausgetreten war. Zu Umfang, Menge und der genauen Örtlichkeit des Bachbettes lässt sich den Ermittlungsakten nichts weiter entnehmen.
Dass vier, maximal sechs tote Fische etwa vierhundert Meter nach der Einleitungsstelle der Kläranlage angetroffen worden sind, beweist – wie der Sachverständige Dr. E. eingehend dargelegt hat – noch nicht, dass eine toxische Einwirkung auf das Gewässer des K.-bachs durch den Belegschlamm erst mit einer gewissen Verzögerungszeit aufgetreten ist. Letzteres ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. im vorliegenden Falle – wie oben im einzelnen ausgeführt – als widerlegt anzusehen. Dem Kläger kommt damit auch keine Beweiserleichterung oder die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute. Den Anspruchsteller trifft im Rahmen von §§ 823, 839 BGB und damit auch hier bezüglich § 22 Abs. 1 WHG grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung (Einleiten von Belebtschlamm in den K.-bach) und dem (behaupteten) Schaden in Form des Fischsterbens und des Fischrückgangs (haftungsbegründende Kausalität; § 286 ZPO). Danach muss der Anspruchsteller die Kausalität des haftungsbegründenden Umstandes für den Schaden beweisen. Die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins kommen dem Kläger schon deshalb nicht zugute (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, § 839 Rn. 11 und 26), weil es bei der vorliegenden Fallkonstellation schon an einem typischen Geschehensablauf fehlt. Denn hierzu genügt es nicht, dass vier tote Fische 400 m nach der Einleitungsstelle angetroffen werden konnten. Anders verhielte es sich, wenn im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Gewässerverunreinigung beträchtliche Mengen an Fischkadavern aufgetaucht wären wie beispielsweise in dem erwähnten Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart, wo bei einem ungefähren Fischbestand von 37 to 24 to verendeter Fische geländet wurden. Dagegen lässt sich ein typischer Geschehensablauf nicht dadurch darlegen, dass nach einer Gewässerverunreinigung kein wesentlicher Fischbestand mehr vorgefunden worden sein soll, wenn dabei annähernd 3 to Fisch spurlos verschwunden sein müssten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.